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nen Entscheidung. Man könnte ja rechtens den
jungen Bürger in die ihm anstehende Herrenzunft
einweisen, damit wäre ihm aber auch die
Ausübung des Maurerhandwerks gestattet und
der Streit mit den Meistern ausgebrochen, die
man so glücklich durch den „freiwilligen" Verzicht
des verliebten Mathäus besänftigt hatte.
So legt man den Streitfall der höheren Behörde
vor und sucht Deckung hinter dem Rücken
der segensreichen Himmelstochter Ordnung. Der
Magistrat trägt sein Ersuchen der hochlöbl. Lan-
des-Besitznahms Commission mundgerecht vor:
„Nun ist es nicht nur von jeher üblich, sondern
auch der Natur der Sach angemessen, daß
ein Bauer oder Taglöhner auf die Bauernzunft
zugetheilt und daselbst zünftig werden müsse, so
wie ein Mezger auf die Mezgerzunft, ein Bäcker
auf die Bäckerzunft.
Dieser eingeführten Ordnung gemäß wurde
demnach der neu aufgenommene Taglöhner
Mathäus Keller seinem Stand gemäß auf die
Bauernzunft verwiesen. Da er aber als Maurer
gerne auf der Herrenzunft gewesen wäre, von
daher aber /: weil er bey seiner Burgeraufnahme
Verzicht leisten müssen :/ abgewiesen wurde, so
ließ er sich von denen Vorstehern der Mezgerzunft
/:die ihme diesfalls Schutz und Hilfe versprochen
:/ bereden, der Bauernzunft zum Troz,
auf der Mezgerzunft zünftig zu werden.
Sehr natürlich gab diese Neckerei Anlaß zu
vielen Injurien und außergerichtlichen Sticheleien
zwischen beyden Zünften, und es kam endlich
so weit, daß die Bauernzunft in corpore vor
Rath um Justiz bat und den ihr gebührenden
Taglöhner förmlich reclamirte. Dagegen äußerte
sich zwar die Mezgerzunft: Sie habe zu wenig
Mannschaft auf ihrer Zunft und habe also einen
Zuwachs von andern Bürgern nöthig. Allein,
nebst dem, daß dieses nur darum ausgesonnen
wurde, um die gebrauchte Eigenmächtigkeit zu
bemänteln, so ist es im Grund einerley, ob eine
Zunft schwach oder stark ist, denn sie thut niemalen
weitere Dienste als im Verhältnis ihrer
Mannschaft. Beynebens hat die Mezgerzunft gegen
den dem Magistrat schuldigen Respekt, diesen
Mathäus Keller dahin verleitet, als Taglöhner
von seiner angestammten Zunft abzugehen und
sich auf eine mit seiner Handthierung ganz in-
compatiblen Zunft einzulassen. Um nun die
Gemüther durch einen Magistratsspruch nicht
noch mehr zu erhitzen oder wohl gar beyde
Zünfte solcher Kleinigkeiten wegen in Prozesse
einrennen zu lassen, somit zu unzähligen bürgerlichen
Unruhen Gelegenheit zu geben, versprach
der unterfertigte Magistrat beyden Zünften, ihre
dießfällige Zwistigkeiten höheren Orts vorzutragen
und entscheiden zu lassen, womit sich
dann beyde Theile einsweilen beruhigten."
Am 1. August 1803 fällt Freiburg seinen
Spruch. Die Kommission wiederholt zuerst das
Anliegen Breisachs mit dessen ganzer Begründung
, ebenso die Stellungnahme der Metzgerzunft
und fügt dann sein Votum an:
Votum
„So wenig es ursprünglich in der Macht der
Handwerker stand, in eine Verbindung, Innung
oder Zunft unter sich ohne landesfürstliche
Bestätigung zu treten, ebenso wenig kann die
Verfassung der einmal unter landesfürstlicher ^
Autorität eingeführten Zünfte bloß willkürlich
von den Zunftgenossen abgeändert werden.
Solche eigenmächtige, die Ordnung und die
Einigkeit unter den verschiedenen Handwerkern
störende Handlungen sind nicht nur durch die
Reichsgesetze auf das schärfste verboten, sondern
die in Handwerkssachen erflossenen Generalverordnungen
, als die Hofdekrete, vom 19. April 1732
und 5. Jänner 1739 erklären diejenigen, welche
solcher Vergehungen sich schuldig machen, für
unfähig, ihre Profession zu treiben.
Gegen diese höchsten Gesetze hat sich sowohl
der als bloßer Taglöhner zu Altbreisach bürgerlich
angenommene Mathäus Keller als auch die
Metzgerzunft daselbst verfehlt: erster er, da er
sich weigerte, sich der eigens bestehenden
Bauern- oder Taglöhnerzunft einverleiben zu
lassen-, und letztere, da sie ihn, von Eigennutz
geleitet, in ihre Zunft aufnahm.
Dieses sträfliche, bloß auf die Zerstörung der
Ordnung und Eintracht zwischen diesen beeden
Zünften führende Unternehmen wird hiermit
geahndet, die Aufnahme des Taglöhners Keller
in die Metzgerzunft für ungültig erklärt, derselbe
an seine eigene Zunft zurückgewiesen und
der Metzgerzunft insbesondere befohlen, die von
diesem Taglöhner für seine Annahme widerrechtlich
erpreßte Gebühr zurückzustellen.
Hievon hat der Magistrat beede Teile zu verständigen
."
Damit ist die Ordnung den wirtschaftlichen
Belangen entsprechend, das heißt auf Kosten des
Schwächeren, wieder hergestellt.
Der zweite Fall, von dem die Akten berichten,
zeigt, wie unmöglich es ist, einen Lebensvorgang
einseitig aus seinen vielfachen Verflechtungen zu
lösen. Teils formt sich hier die gegebene Situation
aus dem unglückseligen Schicksal der Stadt
in den Revolutionskriegen, wiederum aus wirtschaftlichen
Notwendigkeiten, aus menschlichen
Unzulänglichkeiten auf beiden Seiten und aus
billigem moralischen und unbilligem juristischem
Recht.
Wieder steht am Beginn der Komödie eine
Bürgerannahme. Es handelt sich um den Zimmermeister
Johannes Wenger von Biengen, ein wohlhabender
Bürger dieses Ortes, der früher selbst
das Amt des Vogtes bekleidet hatte. Es ist kaum
anzunehmen, daß er aus ähnlichen Gefühlen wie
der verliebte Maurer Mathäus Keller nach dem
Bürgerbrief der alten Reichsstadt strebte. Er
wollte noch nicht einmal seinen Wohnsitz in
Biengen aufgeben, sondern wohl nur die günstige
Arbeitsgelegenheit beim Wiederaufbau der zerstörten
Stadt ausnutzen. Sich schamlos bereichern
am Unglück der Bürger Breisachs: nannten es
die zünftigen Zimmerleute der Stadt. Uneigen-
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