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Hermann Vortisdi
waldes mit dem Wiesental. Geschrieben war es
in einer im besten Sinne volkstümlichen Form.
Auch fernerhin ging es Hermann Vortisch
nicht darum, Lebensbeschreibungen herauszugeben
, wie man sie mit einem Fachwort Biographien
nennt, denn deren gab es schon genug.
Vielmehr blieb Vortisch bei der glücklichen
Technik, mit der er das Hebelbuch aufgebaut
hatte. Wenn man will, könnte man so sagen: Er
schuf für alle Lebensbilder, die er entwarf, eine
gewissermaßen dramatische Form mit einzelnen
Auftritten an entscheidenden und kennzeichnenden
Punkten und schob zur Auffrischung und
Erhellung mancherlei dazwischen, was das betreffende
Zeitalter an bestimmten Erscheinungen
aufleuchten ließ, brachte von einander entfernt
wohnende Persönlichkeiten zu Gespräch zusammen
. Strindberg ist in einigen seiner geschichtlichen
Schauspiele ähnlich verfahren. Selbst
eigene Versdichtung schaltete Vortisch ein. Diese
erzählenden Bücher sind etwas durchaus Eigen-
wüchsiges, in den einzelnen Teilen, wie in der
künstlerischen Gesamtarchitektur.
Ein weiteres Beispiel dafür ist das Buch über
Hans Thoma: „Ein Malerlehrling Gottes". Gerade
auch dieses ist Seite um Seite von persönlicher
Liebe erfüllt und demgemäß gestaltet. War doch
Hans Thoma gleichfalls in jenem reizvollen
Erdenwinkel daheim, mit dem Herzen daheim
fürs ganze Leben, so daß Hermann Bahr im
Nachruf für Thoma mit Recht sagen durfte: Der
Schwarzwald in seiner Brust war seine Kraft.
Anziehend schildert Hermann Vortisch, wie Hans
Thoma aus geringem Herkommen sich hatte
emporringen müssen, vom Baseler Lithographenlehrling
und Zifferblattbemaler in Furtwangen
bis zur Exzellenz in Karlsruhe. Wir sehen ihn
rauhe Wegstrecken durchwandern und scheinen
ihm dabei das Geleit zu geben: wir sind mit
Genugtuung dabei, wie Hans Thoma allmählich
Geltung erlangt und zuletzt die Höhe der Anerkennung
erreicht. Diese innige Anteilnahme des
Lesers ist das Verdienst des dichtenden, des verdichtenden
Nachschöpfers dieses Lebenslaufes.
Ein Wichtiges noch, was Hermann Vortisch anzog
, das war die Frommheit des Malers, wie sie
im Alter gar in Bekenntnisschriften Ausdruck
fand. Dem Thomabuch gewissermaßen als Vorbereitung
vorangegangen war die Erzählung
„Eine Mutter", worin er der gottesfürchtigen und
getreuen Mutter Hans Thomas einen Ehrenkranz
flicht.
Weiter in die Vergangenheit zurück griff er
mit seinem Buche über Matthias Claudius „Ein
Glöckner Gottes". Auch Claudius stand dem Verfasser
nahe: „Mein Vater lehrte schon den Knaben
den Wandsbecker Boten schätzen". Wieder
in aufschlußreichen und farbigen Bildern zieht
ein Lebensgang vorüber, mit all der getrosten
Fröhlichkeit eines Kindes Gottes und mit der
sorgfältigen Schilderung der Zeitumstände. Dem
„Glöckner" folgte die Erzählung „Advent und
Weihnachten beim Wandsbecker Boten".
In eine noch frühere Zeit führt das Buch über
den reichen Liederdichter Paul Gerhardt „Harnisch
und Harfe", das letztvollendete, 1936 erschienene
Werk. Umfangreiche geschichtliche
Studien lagen ihm zugrunde, aber auch in ihm
durchdringt die Dichtung die Wirklichkeit, durch
Einfühlung zur Wahrheit sich wandelnd. Paul
Gerhardts Schicksalsweg legt Hermann Vortisch,
wenn man will, an die Liedstrophe an: Er wird
zwar eine Weile mit seinem Trost verziehn und
tun an seinem Teile, als hätt' in seinem Sinn er
deiner sich begeben, als sollest du für und für
in Angst und Nöten schweben, als fragt er nichts
nach dir; wird's aber sich befinden, daß du ihm
treu verbleibst, so wird er dich entbinden, da
du's am mindsten gläubst.
Noch eine geschichtliche Gestalt hatte es
Hermann Vortisch angetan: Der Schwedenkönig
Gustav Adolf. Ihm galt das Buch „Christ und
Held", wie auch im Jahre danach die Schrift
„Gustav Adolf als Protestant". Abermals spielen
die Ereignisse und die Menschen und ihre Anschauungen
des Zeitalters mit, auch was trotz
der bösen Zeit an deutscher Kultur, vor allem
an Dichtung, vorhanden war und wagemutig
blühte. Die neuesten geschichtlichen Quellen
hatte der Verfasser erforscht und führt sie an.
Sehen wir uns noch das an, was Hermann
Vortisch sozusagen als christlicher Hausvater mit
seiner dichterischen Begabung verband. Erwähnt
ist bereits das Buch „Das Wunderreich in uns",
seinen Kindern gewidmet, worin er das Meisterwerk
des menschlichen Körpers beschreibt, in
anschaulichen Bildern und Gleichnissen aus
Technik, Wirtschaftsleben und Handwerk, so daß
sich dieses Buch wie eine anziehende Erzählung
lesen läßt. Legenden und Mären bekommen wir
in dem Büchlein „Die heiligen zwölf Nächte"
dargeboten. Einfühlsam kindertümlich ist das
alles erzählt, herzhaft dazu, ohne bloße Rühr-
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