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Tiefgang, und da und dort reichen sie weit über
das private Herzgärtlein hinaus, werden aus der
privaten Sphäre in eine allgemein - menschliche
gehoben. Und dann steht da ein früchteschwerer
Baum, der seine ganze Kraft gibt, verläßlich ist
in Regen und Sonnnenschein, ein Freund, dem
man gerne begegnet, ein Sinnbild.
Sinnbildliches hat Ida Preusch-Müller besonders
auch in den kleinen Dingen erschaut und
gespürt. Da ist der Frühling und „im Bueche-
wald rislets von allen Äscht, es schlupfe gruen-
siideni Blättli"; da ist die schön nachgezeichnete
Glockenblume entdeckt im alten Steinbruch
„zwische Wuescht un Sand", als wie eine Liebe,
die keine Heimat hat, aber tief in ihr glänzt es
vom Morgentau. „S vergoht kai Tag, wo nit
e wenig e chlaini stilli Freud aim git", heißt es
an anderer Stelle.
Beachtlich scheint uns ihre Gabe, den Nachbar
Mensch zu zeichnen. So liest man mit besonderer
Bewegung ihr Gedicht ,,D' Gmeinde-
schwester", so liest man die Verse von der Hausschneiderin
, und plötzlich ist da eine ganze
Kindheitswelt heraufbeschworen, ja, so war es,
so hier und dort, das ist alles so gezeichnet, daß
man es in jede alte Stube hängen kann. Und
wer läse nicht schmunzelnd die urigen, kraftvollen
und so manches alte alemannische Wort
in sich bergenden Verse von der „Buurewösch":
rischtene Liintüecher, grobe, zöggene, Chölsch
und Tischtücher, Gschächtlets und Gerschtechorn
heißen sie hier, und die Handtücher sind noch
,,D' Handzwehle". Das ist noch urige Volkssprache
, wie hier für die Buurewösch das Seil
gespannt wird und Stück um Stück aus der
Zaine kommt. Wer weiß, wie das Alemannische
heute nivelliert wird, zu gut Deutsch: verhunzt
wird, wer die vielen technischen Veränderungen
auf dem Bauernhof beobachtet — natürlich wissen
wir, daß dergleichen nicht aufzuhalten ist
und daß man da kein falsches Lamento anstimmen
darf — der weiß auch, was solche urige
Sprache in den alemannischen Gedichten von Ida
Preusch-Müller zu bedeuten hat. Vor allem auch
dafür sei ihr hier gedankt. Ihr Gedichtband
gehört in jede Markgräfler Schule und in jedes
Markgräfler Haus. Vieles von dem, was wir
heute verlieren, bleibt uns dort bewahrt.
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I.
Wenn man von der Dreiländer-Ecke „ennet"
dem Rhein sprechen will, dann muß man sich
in erster Linie über die Ausdehnung dieses
Landstrichs klar sein. Sie umfaßt die von Basel
nordwärts bis Neudorf und Rosenau reichende
Landschaft mit einbegriffen Hüningen und
St. Ludwig samt den eingemeindeten Siedlungen
Burgfelden und Blotzheim-Neuweg. Von Kembs
nordwärts sind es die Hartdörfer, von denen hier
schon die Rede war; westlich der angegebenen
Linie gehören die Ortschaften dem Sundgau an.
Wir beginnen unsern Rundgang auf der elsässi-
schen Seite der Dreiländer-Ecke mit Hüningen.
Vom Fischerdorf zur Vauban-Festung
Die erste schriftliche Nachricht von Hüningen
datiert aus dem Jahre 828 aus einer Urkunde an
die Abtei St. Gallen. Hüningen war damals eine
kleine, aus Fischerhütten bestehende Siedlung
mit einem Meierhof und einem Kirchlein
St. Agatha. 1409 brannte das Dorf gänzlich ab.
Es war dies in einem Krieg zwischen Basel und
den Habsburgern. Die beiden Basler Klöster
St. Martin und St. Alban waren hier begütert,
und mehrfach ist in Urkunden des 12. Jahrhunderts
davon die Rede. Im Jahre 1362 wurde
durch den Basler Bischof die St. Agathakirche
mit dem St. Albankloster vereinigt. Die Basler
Dompropstei besaß hier einen Dinghof, dessen
Rodel aus dem Jahre 1429 bekannt ist.
Nach der Zerstörung 1409 wurde Hüningen
wieder aufgebaut. Hüningen gehörte zur österreichischen
Herrschaft Landser und wurde öfters
als Lehen vergeben. 1632 bemächtigte sich Her-
zog Bernhard von Weimar des Dorfes, und kurz
vor seinem unerwarteten Tode schenkte dieser
das Dorf den Herwärt aus Lyon. Dadurch gingen
die Herren von Flachslanden, die Hüningen
pfandweise an sich gebracht hatten, des Lehens
verlustig. Die Herwart mußten allerdings den
Edlen von Flachslanden eine Entschädigung auszahlen
. So besaßen die Herwart das Dorf Hüningen
bis 1680 die Festung Hüningen angelegt
wurde und bis die Bewohner gezwungen wurden,
das Dorf Hüningen aufzugeben und sich anderswo
niederzulassen (1684—1687). Heute heißt die
Stätte des ehemaligen Dorfes Altdorf, die Siedlung
lag etwas nördlich von Basel.
Schon während des Dreißigjährigen Krieges
hatte die Gegend um Hüningen eine militärische
Rolle gespielt. So warfen die Kaiserlichen bei
Hüningen eine Schanze auf (1633), zu der drei
Jahre später auf Kleinhüninger Seite eine zweite
kam, um die mehrfach gekämpft wurde. Ende
1644 erfuhr man, daß die Schanze bei Hüningen,
die damals von Schweden und Franzosen besetzt
war, befestigt werden sollte. Die Basler unter
ihrem berühmten Bürgermeister Wettstein versuchten
deshalb mit den Franzosen über eine
evtl. Abtretung von Hüningen an Basel zu verhandeln
, hatten aber keinen Erfolg. Mit dem
österreichischen Sundgau kam das Dorf Hüningen
, oft Groß - Hüningen genannt, durch den
Westfälischen Frieden an Frankreich.
Im Holländischen Krieg nahmen die Kaiserlichen
die Hüninger Schanze ein (1674), zogen
sich aber schon einige Wochen später, nach der
Niederlage bei Türkheim, wieder über den Rhein
zurück. 1677 wechselte die Schanze zweimal
ihren Besitzer. Ein Jahr später beendete der
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