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15. Jahrhundert errichtet wurde und erst einer
barocken Überformung seine Fenster verdankt.
Daß man in der Kirche noch Grabsteine aus dem
17. Jahrhundert findet, in einer dem Turm angebauten
Außenkapelle sogar spätgotische Holzfiguren
, will bedacht sein. Auch die verhältnismäßig
große Höhe von Schiff und Chor könnte
auf spätgotische Bauzeit schließen lassen. Dies
alles ist dem Äußeren des freundlich - ernsten
Bauwerks abzulesen.
Doch zurück zum Turm. Oberhalb der romanischen
Klangarkaden ist der Turm neuer, aufgestockt
sozusagen. Man sieht deutlich, daß von
hier an die Turmwände anders gemauert sind.
Auch die Kantenquadern scheinen von hier an
nach oben größer und regelmäßiger geschnitten.
In diesem obersten Turmgeschoß sitzen nun
unverhältnismäßig große und breite Rundbogenfenster
mit vergleichsweise schmalem Hausteingewände
. Ihre Form weist ins 17., wenn nicht gar
ins frühe 18. Jahrhundert, wenn man die übliche
Stilverspätung ländlicher Bauten einberechnet.
Von außen und unten ist nicht auszumachen, ob
sie nicht ursprünglich einen Spitzbogen hatten
und den Rundbogen erst später erhielten, — ob
mithin das oberste Turmgeschoß nicht etwa schon
aus gotischer Zeit herrührt. Oder kommen die
Rundbogenfenster aus der neuesten Zeit? Von
dem der Kirche abgewandten könnte man es
vermuten, so glatt und gleichmäßig ist sein
Gewände. Von dem nach Osten gerichteten will
man es nicht annehmen, denn es sitzt trotz seiner
Größe so gut unter dem Giebelfang und
weist dazu jene wohltuende Ungleichheit alten
Steinmetzwerks auf, daß man sich in der Vermutung
, es sei barock, recht gestärkt fühlt.
Hinter diesen großen Fenstern dürfte der
heutige Glockenstuhl sein. Früher hatte die
Kirche Glocken aus der Mitte des 18. Jahrhunderts
; ob sie noch dort oben hängen? Gleichviel:
Ihre Entstehungszeit paßt mit jener der Fensterformen
zusammen.
Über dem obersten Turmgeschoß nun steigen
die merkwürdigsten Kirchturmgiebel der Gegend
auf: Das Satteldach des markgräflerischen Turms
zwar ist geblieben, die Kanten der Giebel jedoch
sind barock verändert. Statt geradlinig, mit etwa
45 Grad Neigung das Dach zu begleiten, wölbt
sich ihre Außenkante in Voluten und Absätzen
bis zum First auf, wo je eine profilierte, knauf-
besetzte Abdachung die Spitze krönt. Auf diesen
Knäufen erheben sich schmiedeeiserne Zierate;
auf dem einen, von einem beidseitig volutenbegleiteten
Stab emporgehoben, eine runde,
strahlenbesetzte Sonnenform, — auf dem anderen
, kirchennäheren, ein großes Kreuz mit vier
verschieden langen Querbalken, die Zwischenräume
von gefälligen Ranken verziert.
Ein Dorfkirchturm — und weiter nichts? Ein
Dorfkirchturm — und mehr als das. Ein Zeuge
der Geschichte des Dorfes Wettelbrunn, stumm
zwar, doch vieles aussagend. Die Art der Mauerung
, des Putzes, der konstruktiven wie der
schmückenden Formen, — all das benennt die
Epochen, aus denen die einzelnen Teile stammen.
Sicher entdeckt sich genauerem Zusehen da und
dort, innen oder außen, eine Jahreszahl, ein
Steinmetzzeichen, und weist weiter; vielleicht
liegen auch im Archiv der Pfarrei die Rechnungen
und Akten, aus denen mehr zu erfahren
wäre: Die Daten der Turmaufstockung etwa oder
der Name des Mannes, der das Schmiedeisenwerk
der Giebelspitzen über seinem Amboß gehämmert
hat; vielleicht hat auch ein interessierter
Pfarrer oder Lehrer bereits die Geschichte von
Dorf, Pfarrei und Kirche geschrieben, wer weiß.
Aber auch ohne daß der Betrachter des Turms
Zeit hat, dem allem nachzugehen, ohne daß er
im Turminneren hinauf zu den Schallöchern
stiege, ohne daß er die Akten befragte, ohne alle
diese Bemühung, — strahlt der Turm Geschichte
aus. Und spricht von sich selbst. Und ist Zeugnis
der Landschaft nicht weniger als Zeuge der Menschen
, die seit Jahrhunderten schon zu seinen
Füßen wohnen und aus ihm die dröhnende
Stimme der Glocken vernahmen, die sie riefen
und rufen zu Taufe, Hochzeit und Tod, zu festlichem
Gottesdienst wie zur Abwehr von Feuer
und Kriegsnot. Zu allem, was ein Menschenleben
füllt. — Ein Dorfkirchturm nur, und nur von
außen betrachtet.
2lu6CöanöEcung
Um die politisch bewegte Mitte des vorigen Jahrhunderts
trieb es viele Menschen aus dem Land ihrer enttäuschten
Hoffnungen in den Erdteil, in dem sie den
Inbegriff aller freiheitlichen Entwicklung sahen und der
ihnen die Möglichkeit einer sicheren Zukunft zu bieten
versprach. Auch das Markgräflerland war in der Schar
dieser Auswanderer vertreten.
Die Stadt Lörrach schickt uns folgenden Brief, mit
dem die „Deutsche Westerner Gesellschaft" um die Mithilfe
bei der Klärung des besonders tragischen Falles
einer Auswanderergruppe aus dem Markgräflerland
bittet. Wir folgen dieser Bitte umso lieber, weil um die
gleiche Zeit ein Trupp Auswanderer Neuenburg verließ,
von dem seit der Abreise auf dem Rhein nie mehr eine
Nachricht in die Heimat gelangte.
„Ein Mitglied unserer Gesellschaft, Prof. G. Koenig,
Völkerkundler aus Kalifornien, USA, schreibt an einem
hist. Werk über eine Auswanderergruppe, die 1849 im
Tal des Todes, Kalifornien, auf dem Wege zu den Goldfeldern
umkam.
Zum großen Teil handelte es sich dabei um deutsche
Auswanderer aus dem Herzogtum Baden.
Professor Koenig hat uns gebeten, die Herkunft einiger
an dieser Tragödie Beteiligten für ihn zu klären.
Es handelt sich:
I. um einen Mann, der drüben „John Graff" genannt
wurde. Auf seiner Suche nach näheren Einzelheiten
stieß Professor Koenig auf eine Eintragung in den
Büchern der „San Juan Capistrano Mission" in Kalifornien
, einer der ältesten Missionen Kaliforniens:
„John Graff, Landsmann aus Herzogtum Baden,
Germany, Oberamt Lörrach, der 1849 nach Kalifornien
kam".
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