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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-05/0008
im Grundzug blieb das Freiburg der Vorväter im
wesentlichen Teil bis zur Katastrophe bestehen.

Wer Freiburg in Trümmern sah, wußte, daß
die Steinmetzen hier viel schaffen mußten, wenn
der Wiederaufbau im historischen Stile ernst
genommen wurde. Zu allen Zeiten waren die
Steinmetzen eine große, tüchtige Zunft in der
Stadt. Spätestens mit dem Beginn des Münsterbaus
— achtzig Jahre nach der Stadtgründung —
wird die erste Plan- und Werkgemeinschaft der
Steinmetzen und Baumeister in Freiburg eingezogen
sein. Wir kennen nicht die Namen der
Meister und Gesellen jener Zeit, die das romanische
Querhaus des Münsters mit der Vierungskuppel
und die unteren Geschosse der Hahnentürme
bauten. Unbekannt ist auch der nächste
Baumeister mit seiner Gesellenschar — wir
wissen auch nicht woher sie kamen — die um
1225 den Münsterbau wieder aufnahmen und
mit dem neuen Bausystem der Gotik Einzug in
die Bauhütten hielten. Ihre Mitglieder, an
strenge Hüttenordnungen gebunden, über den
Zünften stehend, gaben jahrhundertelang ihr
Wissen, ihre technischen Erfahrungen, Baumethoden
und das Geheimnis um Maß und Zahl
der gotischen Bauweise weiter. Die Bauhütte,
einst tragende und planende Kraft des Dombaus,
ist in der Münsterstadt geblieben bis in unseren
Tagen. Die werkenden Meister und Gesellen,
Steinhauer, Steinmetzen, Laubwerkmacher und
Bildner sind nicht mehr Baumeister und Gestalter
wie in früheren Jahrhunderten, sie sind
Bewahrer und Beschützer des kostbaren Bauwerks
. Ärzten gleich behorchen, beklopfen und
befühlen sie den Stein, wo er durch Kriegsereignisse
und Witterungseinflüsse brüchig geworden
ist oder ein Verband nicht mehr dem
Druck standhält. So sehr sich Architekten und
Steinmetzen der Münsterbauhütte in das Gesetz
von Maß und Zahl des Bauwerks vertiefen, zu
dem sie ein immer stärkeres inneres Verhältnis
bekommen, die letzten Geheimnisse um Bauform
und Konstruktion können auch sie nicht enträtseln
. Haben die Altvorderen der Freiburger
Bauhütte nach dem zuerst gegebenen „Freiburger
Werkschuh" oder Fuß (32,4 cm) konsequent
und werkgerecht gebaut? Nachmessungen im
Langhaus und im Untergeschoß des Turmes sowie
im Kreuzgang von St. Martin weisen darauf
hin. Ingenieur Adolf Wangart aus Freiburg ergänzte
die Untersuchungen der Kunsthistoriker
durch den Nachweis der Wohlordnung der Maßverhältnisse
. Die im Mittelalter heilige Zahl
„Sieben" spielt bei der Konstruktion verschiedener
Bauteile eine große Rolle. Auch aus dem
symbolischen Maßverhältnis 4:3 (Quadrat zum
Dreieck) werden Form und Größe der Bau- und
Maßwerke konstruktiv entwickelt. So unermeßlich
reich die Formen auch sein mögen, der
geübte Steinmetz erkennt die symmetrischen und
asymmetrischen Bilder, die, aus Kreisen und
Kreissegmenten konstruiert, sich in geometrischen
Ornamenten zusammensetzen. Statische
Grundregeln finden wir in keinen Hüttenbüchern
oder Ordnungen der Zünfte verzeichnet, so daß
nur das Einfühlen und Suchen, die Erneuerung

und Ergänzung beschädigter Teile anhand von
Modellen gelingen kann.

Beim Wiederaufbau zerstörter und beschädigter
Profanbauten standen den Steinmetzen
alte Risse, Zeichnungen, Abbildungen und Fotografien
zur Verfügung. Das Stadtarchiv hatte
unersetzliche Werte erhalten können. Architekten
und Bauplaner erwiesen sich bei der Wiederherstellung
der wichtigen Baudenkmäler als
Diener eines überkommenen Erbes. Aber mehr
noch mußten sich die in Freiburg tätigen Steinmetzen
, darunter auch Meister und Gesellen der
Münsterbauhütte, der Baugesinnung und Tradition
früherer Zeiten unterordnen. Was aus den
Trümmern an Quadern, Blöcken, Figuren, Friesen
, Rippen, Portalen, Kämpfern und Kapitellen
geborgen worden war, wurde für die Restaurierung
sorgsam behauen; soweit eine Erneuerung
notwendig war, nach dem alten Vorbild getreu
gestaltet. Abweichungen vom Grundplan, Stilfehler
und Zutaten aus falsch verstandener Bauauffassung
wurden ausgemerzt. Es war ein Zeichen
dafür, mit welchem Verständnis und Ernst
man an die Restaurierung der alten Bauten
heranging.

In den Annalen der Stadt muß man weit
zurückblättern, um nachzulesen, daß so viele
Steinmetzen zur gleichen Zeit in der Stadt tätig
waren. Die feinen Bildhauerarbeiten entstanden
in den Werkstätten, fernab vom Tagesgetriebe.
Aber an den Baustellen sah man immer wieder
die Werkleute mit Schlegel oder Holzklöpfel in
der einen, dem Spitz- oder Schlageisen in der
anderen Hand. Die aus dem Steinbruch gelieferten
Quadern, vom Steinhauer schon im Bruch
winkelgerecht zugehauen, wurden an den Baustellen
für den jeweiligen Verband zugerichtet.
Wie ehedem wurden die rohen Blöcke aufge-
bankt, mit dem Schlageisen und Klöpfel (bei
hartem Stein mit dem Schlegel) der Randschlag
gehauen. Für die Grundmauern und Sockelgeschosse
beließ man die rauhe Oberfläche, wie
wir sie vielfach an den Toren und Untergeschossen
großer Bauten sehen können. Diese
Bosselquadern geben im Verband die Buckelsteinmauern
, früher als Rustika bekannt, die so
recht als trutziges Fundament den Aufbau tragen
. Wie hier so Stein auf Stein gefügt wird,
das ist so ganz anders als das Fundamentieren
mit Beton, wo rasselnde und quirlende Mischmaschinen
mit den Baukränen das Lied der
Arbeit kreischen. Wo Steinmetzen werken, klingt
der metallene Schlag auf Stein, fallen Brocken
und Splitter ab, bis der Quader in die Mauer
eingefügt werden kann.

Sehr viel feiner als die Arbeit des Steinhauers
ist die des Steinmetzen, der sich bei
werkgerechter Planung der Architektur des
Baues verbunden fühlt und beim Aufriß wie bei
der statischen Entwicklung gleichen Anteil hat.
Nicht so sehr das Dekorative, das Ornament, das
Epitaph, die Plastik oder das Maßwerk sind seine
Aufgaben, die dem Laubwerkmacher und Kunststeinmetzen
, im heutigen Sinne dem Kunstbildhauer
, obliegen. Gemäß der' Bautradition sind
dem Steinmetzen vielmehr architektonische Pro-

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