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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-05/0009
bleme übertragen, die er im Stein zu lösen hat.
Die Konstruktion und die Form des Bauwerks,
seine Funktion und Bedeutung bestimmen die
Gliederung, die Einwölbung der Räume, die Verteilung
tragender und dienender Elemente.

Man hätte glauben können, an den Werkplätzen
nur alte Meister und Gesellen anzutreffen
. Doch weit gefehlt, auch die Steinmetzen
haben heute noch ihren Nachwuchs, der nach
überkommener Ordnung ausgebildet wird. In
der dreijährigen Lehrzeit lernt der Schüler den
Stein zu bearbeiten, seine Körnigkeit und Faserung
richtig abzuschätzen. Der Junge weiß sehr
bald mit den Werkzeugen umzugehen: Zweispitz
und Krönel, aus mehreren Spitzeisen bestehende
Werkzeuge, die mit beiden Händen geführt werden
; Spitzeisen und Eisenschlegel und Holz-
klöpfel, der seit jeher aus Weißbuche hergestellt
ist. Hiermit bearbeitet der Steinmetz die Oberfläche
der Blöcke und schlägt die groben Formen
heraus. Bei Hartgestein wird mit dem Stockhammer
die Oberfläche geglättet. Kleine Spitzeisen
auf der Schlagseite hinterlassen im Stein die
fein geriffelten Spuren. Man nennt dies in der
Fachsprache, den Stein auf- oder nachschlagen.
Für großflächige Partien wird das Scharriereisen
— im Prinzip ein breites Schlageisen — angewandt
. Der echte Werkmann hält nichts vom
abgeschliffenen Stein, der nicht sichtbar die
Spuren des Schlagens zeigt. Nach drei Jahren
Ausbildung können sich die jungen Steinmetzen
entscheiden, ob sie nach einem weiteren Lehrjahr
Bildhauer werden wollen. Ein gutes handwerkliches
Rüstzeug befähigt sie, fortan an die
Bearbeitung freier Formen, Nachbildungen von
Plastiken und Maßwerk heranzugehen. Dies
schließt nicht aus, daß er sich auch modernen
Gestaltungsformen zuwendet.

Vielfach wird bei Neuschöpfungen und Nachbildungen
ein Modell in Ton geformt und davon
ein Gipsabguß hergestellt. Soweit Risse und
Zeichnungen oder gar das beschädigte Original
vorhanden sind, wird nach dem Vorbild gearbeitet
. Auf die glatte Oberfläche des Blocks
wird die Zeichnung aufgerissen. Mit dem Setzer,
einem kantigen Breiteisen, werden die überflüssigen
Partien am Stein weggesprengt. Die
Antike überlieferte das Lotsystem, die klassische
Form der Vorlagenübertragung auf den Stein.
Von einem Liniennetz auf der Oberfläche wird
lotrecht in die Tiefe gefahren, um anhand der
gewonnenen Richtpunkte Form und Figur im
Stein festzulegen. Besser ist das Arbeiten mit
der Punktiermaschine, die aus einem Gestänge
mit Kugelgelenken und einer feststellbaren Nadel
besteht. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Höhen-
und Richtmaße anreißen. Vielfach werden auch
mit drei Zirkeln die Punkte im Stein markiert;
das Dreizirkelsystem gibt dem Meister etwas
mehr Spielraum, so daß die Nachbildung nicht
sklavisch genau kopiert zu werden braucht.

Der Hilfsmittel sind nicht viele. Immer ist
der Mensch Maß und Mitte alles Bildnerns und
Gestaltens. Wie gerade in dieser Stadt mit hohem
Kunstsinn, großem Einfühlungsvermögen und
viel Liebe viele Baudenkmäler der Nachwelt

erhalten oder wiedergeschenkt wurden, muß
gerade im hochtechnisierten und rationellen Zeitalter
Bewunderung abringen. Aus dem gleichen
Geist heraus schenkten uns die Künstler früherer
Jahrhunderte dank ihrer schöpferischen Begabung
eine Fülle von Formen, Plastiken, Skulpturen
und allegorischen Figuren, die das Münster
und viele andere Bauwerke zieren. Wie oft mögen
Mitmenschen jener Zeit dafür den Vorwurf
gegeben haben, so daß wir aus dem Steinbild
auf Lebensart, Stellung, in der Gesellschaft und
Sitten jener Zeit schließen können. Und wie oft
machten sich Steinmetzen über ihre Welt lustig
oder versuchten nach altem Aberglauben Geister
zu bannen, wenn sie Tiere, Teufel, Fratzen,
Faune und Dämonen, oft als Wasserspeier, auf
Plätze und Gassen schauen ließen!

Schwieriger als früher. war die Beschaffimg
der Steine. Zu Zeiten des Münsterbaues wurde
der Sandstein am nahen Lorettoberg, aus den
Brüchen bei Tennenbach und unweit davon am
Allmendsberg geholt. Doch die Brüche sind geschlossen
wie auch der Sandstein aus dem Heimbachtal
den baulichen Anforderungen nicht mehr
genügt. Heute wird der Sandstein unter hohen
Transportkosten aus dem nördlichen Schwarzwald
(Alpirsbach und Freudenstadt), ja sogar
vom Weserbergland nach Freiburg gebracht. Die
Kalksteinbrüche am Schönberg (bei Pfaffenweiler
) und im oberen Donautal liefern ebenfalls die
Bausteine. Auch diese Tatsache erschwerte den
Wiederaufbau der dominierenden Bauwerke,
ohne die man sich Freiburg kaum vorstellen
könnte. Wie sehr sticht dagegen die Reihe der
blinkenden Zweck- und Hochbauten in Kunststein
ab.

Was die Freiburger zusammen mit den vielen
Fremden, die die Stadt zu jeder Jahreszeit besuchen
, an den alten und wieder neu geschenkten
historischen Bauten so bewundern, ist die
imponierende Form künstlerischer Steinmetzarbeit
an den Fassaden, im Schmuck der Portale,
an Fenstern, Erkern, die gelungene Konstruktion
einer Wendeltreppe und das Maßwerk, wo es
sich dem Beschauer zeigt. Im Durchschreiten der
Räume, im Entlanggehen der Hausfronten wird
die wohlabgewogene Harmonie der Bauwerke
spürbar. Seinem Zweck dienend stehen Breite
und Höhe mit der rechten Tiefe im Einklang.
An der Schauseite gliedern die Bauteile zusammen
mit Erkern und Portalen, Fenster, Lisenen,
Konsolen, Pilastern, Fialen und Figuren je nach
dem Geschmack der Bauepoche die Fassaden,
werden die Steine von Stockwerk zu Stockwerk
feiner bearbeitet, werden zur Zierde, zum
Kunstwerk.

In Freiburgs Bauten läßt sich seine Geschichte
in vielen Teilen ablesen. Beginnend beim Münster
, sich fortsetzend in der Martinskirche, im
Augustiner-Eremitenkloster, den beiden Toren,
die das Mittelalter versinnbildlichen — eine Zeit,
in der die Stadt durch schnellen Handelsauf-
schwung und Ausbeute der nahegelegenen reichen
Silberminen sich zur volkreichsten Gemeinde
auf der rechten Rheinseite zwischen Basel und
Frankfurt entwickelte. Die nachfolgenden Jahr-

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