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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-08/0004
Dr. K. F. Rieber, Lörrach:

Johann fleter Lfybel unb hm alemanrufdje DolFelieb

Johann Peter Hebel hat in seinen „Allemannischen
Gedichten", die 1803 in Karlsruhe erschienen
, zum ersten Mal die Bezeichnung
„allemannisch" für den Dialekt des Sprachgbiets
gebraucht, das wir heute als hochalemannisch
bezeichnen. Es ist daher kein Zufall, wenn wir
beim Studium des alemannischen Volksliedes die
Vertonung der Hebeischen Gedichte als Ausgangspunkt
wählen. Hebels Gedichte in der Heimatsprache
haben das Dialektvolkslied in einem
Maße angeregt, das wir kaum vermuten. Seit der
Veröffentlichung der alemannischen Gedichte ist
eine heute noch unübersehbare Menge von Liedern
zu diesen Gedichten entstanden. Konnten
doch nahezu hundert Melodien in verhältnismäßig
kurzer Zeit einstweilen festgestellt werden \ Das
Hebellied ist bisher auch von den Volksliedforschern
, die sich besonders mit den Tälern und
Höhen des Badischen Oberlandes befaßten, nicht
besonders berücksichtigt worden. Dadurch ist es
leicht verständlich, daß nur noch wenige etwas
von den alten Singweisen Hebelscher Gedichte
wissen.

So einfach es ist, das Dialektgedicht von einer
Dichtung in der Schriftsprache sprachlich zu
unterscheiden, so schwierig ist es andererseits,
einen bestimmten landschaftlichen Charakter aus
der poetischen Form festzustellen. Noch schwieriger
, bis jetzt unmöglich, läßt sich aus der musikalischen
Form eine landschaftliche Eigenheit des
alemannischen Sprachgebiets erkennen. Spezifisch
alemannische Kunstformen dürften sich
kaum auf einem Kunstgebiet nachweisen lassen.
Darum beschränken wir uns im Folgenden darauf,
über die Entstehung der alten Singweisen zu
J. P. Hebels alem. Gedichten zu berichten.

Bei der Sammlung von Hebelliedern bildeten
die noch heute nach mündlicher Überlieferung
gesungenen Weisen den Ausgang. Die formale
Struktur dieser Lieder ließ uns mutmaßen, daß
sie wenigstens zum Teil in die Zeit der Entstehung
ihrer Texte um 1800 zurückgehen. Darauf
suchten wir nach gedruckten Vorlagen zu
Singweisen aus jener Zeit. Die Heranziehung
dieser Quellen zum Vergleich mit den anonym
überlieferten Melodien ermöglichte mehrmals die
sichere Bestimmung des Komponisten. Der größte
Teil der Kompositionen entstand, wie zu erwarten
war, in der engeren Heimat Hebels. Aus den
alten Lieder-Sammlungen geht deutlich hervor,
daß durch Hebels Gedichte auch der alemannische
Dialektgesang eigentlich erst ins Leben
gerufen wurde. Denn in kurzer Folge erscheinen
mehrere Melodiensammlungen zu diesen Gedichten
, während früher entsprechende Dialektliedersammlungen
nicht nachweisbar sind. Durch das
Hinzutreten späterer neuer Melodien sind aber
die alten allmählich immer mehr in Vergessenheit
geraten. Einige wenige haben sich jedoch in
ihrer ursprünglichen Form von Hebels Lebzeiten
bis heute lebendig erhalten, so: Die Marktweiber
in der Stadt, Der Schwarzwälder im Breisgau,

Freude in Ehren, Das Spinnlein, Der Mann im
Mond, Der Jenner, Das Hexlein, Der Knabe im
Erdbeerschlag, Der Morgenstern, Der Wegweiser,
Hans und Verene und der Wächterruf. Dagegen
waren die meisten Komponistennamen bald vergessen
. In den meisten Fällen war es uns möglich
, dem Autor eines anonymen Hebelliedes auf
die Spur zu kommen. Wohl fragt der Sänger
eines Volksliedes wenig nach dem Komponisten,
doch ist das Suchen nach dem Komponisten nicht
nur für den Musikhistoriker wertvoll, sondern
es bringt mitunter neues Material wieder zu
Tage, das auch allgemeines Interesse findet.
In unserem Falle konnten wir nicht nur die
Belege für die Entstehung der Lieder auffinden,
sondern aus der Fülle der Melodien aus Hebels
Zeit (von verschiedenen Komponisten) hallt uns
das starke Echo entgegen, das diese Gedichte bei
den damaligen Musikern hervorriefen.

Längst wissen wir, in welchem Maße die
Volkslieddichter jener Zeit — wir nennen hier
nur Herder — um die Übersetzung der alemannischen
Gedichte ins Hochdeutsche bemüht waren.
Weiter sorgten Maler wie Ludwig Richter für
Illustrationen der Gedichte. Ist es da ein Wunder,
wenn auch die Musiker jener Zeit mit Freude
diesen neuen, dankbaren Stoff zur Vertonung
aufgriffen?

Hebel selber stand der musikalischen Behandlung
seiner Gedichte grundsätzlich nicht ablehnend
gegenüber. Denn schon die erste Ausgabe
der Allemannischen Gedichte (Karlsruhe 1803) ist
durch vier Tonsätze bereichert, über die sich der
Dichter in der Vorrede zur 1. Auflage wie folgt
äußert:

„Die Melodien zu Nr. 1, 3 und 4 (Freude in
Ehren, Hans und Verene und Wächterruf) verdankt
der Verfasser der Freundschaft eines Mannes
von sehr gebildetem Geschmack, dem bei
Geschäften ernsterer Art auch die Muse der Tonkunst
hold ist, Nr. 2 aber (Der Morgenstern) der
Güte eines Unbekannten."

Mit dem oben zitierten Freund- meint Hebel
den Pfarrer C. L. Müller in Friesenheim. Der
„Unbekannte" ist aber auch seither unbekannt
und ungenannt geblieben. Der in der 1. Auflage
noch etwas spröde Klaviersatz dieser vier Lieder
wurde in späteren Auflagen (1834 und 1843)
mehrmals verbessert. Auch die geringen Abänderungen
der Melodien begrüßen wir und sind
deshalb beim Neudruck der späteren Fassung
absichtlich gefolgt.

Ziemlich gleichzeitig mit den obigen vier Liedern
mögen die 24 Lieder von Martin Vogt entstanden
sein. Der originale Titel der neun Hefte
der Vertonungen Hebelscher Gedichte von Martin
Vogt lautet: „Alemannische Gedichte für
Freunde ländlicher Natur und Sitten von J. P.
Hebel, in Musick gesetzt mit Begleitung des Forte
piano oder Guitarre von M. Vogt. Die Guitarrenbegleitung
ist vom Verleger. Bourglibre im
Musickalischen Verlag und in Basel. Preis 3.—

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