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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-08/0018
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Eine der lebendigsten Städte der ehemaligen Markgrafschaft
Baden-Durlach ist Pforzheim. Vor über vierzig
Jahren lebte der Schreiber dieser Zeilen in der Stadt am
Zusammenfluß der Nagold und der Enz als Zwangsmieter
im Haushalt eines ehemaligen kleinen Goldwaren-Fabrikanten
, wie sie so sehr das Wesen dieser geschäftigen
Stadt bestimmten. Im letzten Spät jähr kam ich zum ersten
Male nach dieser langen Zeit wieder — für ein Wochenende
nur — in diese Stadt zurück. Der Eindruck, den die
aus dem völligen Zusammenbruch wieder auferstandene
Stadt machte, ergab in verstärkter Intensität das Bild,
das in der Erinnerung geblieben war: eine Stadt einer
großartigen Lebenskraft, einer alles durchdringenden
Aktivität, ohne jedoch in ein gehetztes Treiben zu überspitzen
; sondern verbunden mit einer bewußten Geistigkeit
, als deren einer Ausstrahlungspunkt das Reuchlin-
haus erscheint.

Nun gab dieser Tage der Jan Thorbecke Verlag,
Konstanz, Stuttgart, einen schmalen Bildband heraus, dessen
glücklich gewählter Einband allein schon dazu verführt
, das Buch in die Hand zu nehmen und in die eigene
Bücherei einzureihen. Das Bild aus dem modernsten Pforzheim
im Vorspann vereinigt sich mit seiner Betonung der
geistigen Komponente mit den unmittelbar folgenden Bildern
aus der Vergangenheit der Stadt zu einer Harmonie
und der Ausdeutung ihres geistigen Standortes. Bringt
das bunte Bild des jüngsten Gerichts aus der Altstädter
Kirche St. Martin die menschliche Unterordnung unter das
göttliche Gesetz, bekundet unauffällig das Bild aus der
Schloß- und Stiftskirche St. Michael den auch in diesem
Bereich handelnden und sich behauptenden Menschen. So
führt schließlich die farbige Lithographie von C. Obach,
„Der Marktplatz", ganz in den Bereich des in die Weite
wirkenden Menschen. Die weiteren gutgewählten Bilder
aus Stadt und Umgebung zeigen wie sehr auch die umgebende
Landschaft und ihre Besiedelung wesensdeutend
sein kann.

Dieser erste Teil des Buches, der uns den geschichtlichen
Werdegang der Stadt in knappen Zügen entwirft,
hat das scheinbar geschichtsabweisende Wort aus Goethes
„Tancred" als Motto vorgestellt: „Laß nicht Erinnerung
vergangnen Übels / Der Zukunft weite Räume dir verengen
". Es trifft aber gerade den innersten Kern dieser
Stadt, daß sie nicht in ihrer Vergangenheit versinkt. Das
ist auch nicht das Wesen der Geschichte und ihrer Pflege.
Geschichte ist vielmehr die Erkenntnis der Gegenwart
aus der Vergangenheit um der Zukunft willen, wobei der
Vorstoß in das Kommende der geballten Kraft die Zielrichtung
gibt. Bürgermeister a. D. Dr. Will König zeigt
schon in der Wahl seines Mottos, wie sehr er diese Stadt
versteht. Die Lektüre seiner gerafften Darstellung ihres
geschichtlichen Werdegangs ist eine Freude. Sprachlich
interessant ist die Zusammenfassung der deutschen
mehrseitigen Darstellung in englischer und französischer
Sprache auf je einer Seite, weil sie keine eigentlichen
Ubersetzungen sind, sondern zeigen, wie verschieden die
Verfasserinnen ihrer Volksart entsprechend die Aufgabe
mit schließlich gleichem Ergebnis bewältigen. Die Arbeit
wurde ausgeführt von Genevieve Arendt, Überlingen, und
Sheila Scheer-Cockbaine, Freiburg.

Professor Karl Schollmayer, der Direktor der Kunst- und
Werkschule, zeigt in Wort und Bild den Aufgabenbereich
seiner Schule und erschließt das Verständnis für die
Kunst des Schmuckes. Eine große Kostbarkeit besitzt
Pforzheim im Schmuckmuseum des Reuchlinhauses. Mit
ihm im gleichen Gebäude verbunden sind wohlgeordnete
historische Sammlungen und eine wechselnde Kunstaus-
< Stellung. Die großen Bestände der städtischen Bücherei
finden in einem Seitenbau eine neuzeitliche Aufstellung.

Dr. Alphons Noll, Karlsruhe, zeigt die Entwicklung
Pforzheims zur Goldstadt auf. Das Buch schließt mit
einer Zeichnung des geplanten Zentrums der Stadt mit
dem evangelischen Gemeindebezirk, dem politischen Verwaltungszentrum
, dem Rathaus, das vom technischen Rat-
- haus getrennt, das Herzstück der Stadt bilden wird. So
zeigt dieses Schlußbild den Ausblick in die zielbewußt
geplante Zukunft. Das ist Pforzheim.

Thorbecke Bildbuch „Pforzheim", Jan Thorbecke Verlag
, Konstanz, Stuttgart, Bd. 47 der Thorbecke Bildbücher
1964. 60 Seiten, 42 Bilder, darunter 4 Farbtafeln
, 3 Schwarzweiß-Zeichnungen. Preis: 14,80 DM.

In rascher Folge legt der Jan Thorbecke Verlag Konstanz
, Stuttgart, einen weiteren Bildband vor: D i e
O r t e n a u . Die Namen Dr. Robert Feger, Freiburg, und
Dr. Otto Kähni, Offenburg, bürgen von vornherein für
den hohen Wert dieser Gabe. Es handelt sich wiederum,
wie bei dem Schwarzwaldbuch Dr. Fegers, der dort im
Text mit Dr. Liehl zusammenarbeitete — und auf das
wir immer wieder gern empfehlend hinweisen möchten —
hier in einem noch ausgewogenerem Maße um einen
Bildband, bei dem der Text das tragende Element ist, die
zahlreichen Bilder aber in ihrer vorzüglichen Auswahl
und Ausführung die glücklichste Ergänzung dazu darstellen
.

Es ist ein Genuß, den stilistisch geschliffenen einleitenden
Aufsatz von Dr. Otto Kähni „Landschaft und
Geschichte" zu lesen. Ich glaube, es ist in ihrer konzentrierten
Art die treffendste und gültigste Landschaftsbeschreibung
der Ortenau, die ganz das Wesen dieser
Landschaft atmet. Das geschichtliche Bild, das in klarer
Darstellung den gesamten Raum der früheren Mortenau
umfaßt, regt in seiner Vielfalt dazu an, sich weiterhin mit
den einzelnen Zeitabschnitten und besonderen Erscheinungen
zu befassen und von hier das Antlitz der Heimat
zu verstehen und zu lieben.

Dr. Robert Feger, den wir als Freund und Mitarbeiter
unserer Zeitschrift kennen und schätzen, ist selbst
ein Sohn dieser Landschaft. Sein Elternhaus steht im
Bannkreis der Durbacher Kirche. Man merkt seinem Aufsatz
über die Kunst und Literatur, die Sprache und das
Brauchtum in der Ortenau die Liebe zur Heimat und den
Stolz auf den Reichtum an Schätzen der Kultur an.

Romanik und Gotik haben hier Kirchenbauten von
großer Schönheit errichtet; Namen wie Schwarzach,
Gengenbach und Allerheiligen sagen genug. Feger schildert
mit großer Sorgfalt alle diese Kleinode an kirchlicher
und weltlicher Architektur. Auch die Malerei ist
mit einigen bekannten Namen vertreten, so der Illustrator
Hasemann, der in Gutach seine Wahlheimat gefunden
hatte. Da liegt gerade neben mir Wilhelm Jensens Prachtband
„Der Schwarzwald", mit zahlreichen Bildern Wilhelm
Hasemanns versehen, die hauptsächlich Trachtenbilder
und Szenen aus dem Volksleben, wie Kirchgang,
Feste oder Kindstaufe darstellen, alle mit feinem, sinnigem
Strich gezeichnet. Schwarzwaldhaus und Schwarzwälder
Trachten finden in Dr. Feger einen sachverständigen
Schilderer, das Brauchtum der Ortenau einen kundigen
Deuter. Uber die Untersuchung der Mundarten kommt
Feger schließlich zur Darstellung der Rolle der Ortenau
in der Literatur. Hier sind Namen von Gewicht zu nennen
, die nicht nur in der deutschen Literatur Geltung
haben: so Egenolf von Staufenberg, um das Jahr 1300;
Joh. Mich. Moscherosch im Anfang des 17. Jahrhunderts
mit seinem Werk „Geschichte des Philanders von Sittewald
" und schließlich von Grimmelshausen, der zwar zu
Gelnhausen geboren ist, aber nach dem Ende des Dreißigjährigen
Krieges hier seine Wahlheimat fand. Nennen wir
noch Namen wie Alois W. Schreiber, geb. 1761; Lorenz
Oken, den Naturphilosophen, geb. 1779; Alban Stolz, geb.
1808; Heinrich Hansjakob, geb. 1837; nicht zu vergessen
Anton Fendrich, gest. 1949 und August Ganther, gest. 1938.

Für über die Hälfte der ausgezeichneten Bilder zeichnet
Robert Häusser, Mannheim, verantwortlich. Die
fremdsprachlichen Übertragungen übernahmen wieder
Genevieve Arendt, Überlingen, und Sheila
Scheer-Cockbaine, Freiburg. Die Aufgabe einer
solchen Übertragung, auf je nur einer Seite das wiederzugeben
, was im Original auf sechs und sieben Seiten
entwickelt wurde, ist von einiger Schwierigkeit, da selbstverständlich
auch der Schmelz der persönlichen Beziehung
zur Landschaft, der aus dem Originalaufsatz spricht, verloren
gehen muß. Beiden bewährten Kräften ist die
Lösung der Aufgabe bestmöglich gelungen.

Auch dieses Werk ist buchtechnisch vorzüglich gearbeitet
. Verfassern, Bildnern und Verlag gebühren Anerkennung
und Dank.

„Die Ortenau", Bildband, Aufnahmen von Robert
Häusser und andern Lichtbildnern, Texte von Robert
Feger und Otto Kähni, dreisprachige Ausgabe. Jan
Thorbecke Verlag, Konstanz, Stuttgart 1964. 19,80 DM.

Konstantin Schäfer

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