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langen, mehrere Jahrhunderte dauernden Entwicklung
war. Die klösterlichen Gebetsverbrü-
derungen sind demnach so alt wie die Klöster
selber, wie ja auch deren Uranfänge im christlichen
Altertum wurzeln. Möglich ist es, daß
auch alte germanische Vorstellungen noch mitspielen
.
Eine Art Vorläufertum besitzt das Verbrüderungsbuch
in den sogenannten Diptychen. Es
waren dies zwei durch Scharniere verbundene
Tafeln aus Holz, Elfenbein, Metall o. ä., deren
Innenseiten zum Schreiben benutzt wurden. Den
frühen Kirchen und deren älteren Klöstern dienten
diese Diptychen liturgischen Zwecken als
Memento vivorum, als liber vitae, Buch des Lebens
, in das alle in die Gemeinschaft Aufgenommenen
aufgezeichnet waren und derer der Priester
beim Meßopfer am Altare gedachte. Die
Versicherung, so jeden Tag der Gebetshilfe teilhaftig
zu werden, spornte im glaubensstarken
Mittelalter die Gläubigen zu großem Opfermute
an, half aber auch andererseits den einzelnen
Klöstern zu einem hoffnungsvollen Aufblühen.
In dieser Blütezeit entwickelte sich dann ein
brüderliches Verhältnis zwischen einzelnen Klöstern
, bald auch mit hohen geistlichen und fürstlichen
Persönlichkeiten und mit Einzelpersonen
— demnach klösterliche und gemischte Gebetsverbrüderungen
—, das schließlich einen bestimmten
Vertragscharakter bekam. Der älteste
derartige Vertrag, den das Kloster St. Gallen
abschloß, ist der Bund vom Jahre 800 mit dem
Kloster Reichenau, in dem gegenseitig vereinbart
wurde, daß beim Tode eines Bruders genaue
liturgische Anweisungen zu befolgen waren.
Als die Diptychen zur Aufnahme von Namen
neuer Brüder nicht mehr ausreichten, wurde in
St. Gallen um das Jahr 810 mit dem Verbrüderungsbuch
begonnen. In den Anfangszeiten mag
dieses Buch, wie vorher die Diptychen, auf dem
Altar gelegen haben, später war es jedoch nicht
mehr üblich. Das St. Galler ist das älteste Beispiel
eines Verbrüderungsbuches, das wohl auf
Anregung des Abtes Werdo (786—812) entstanden
war. In seine Regierungszeit fällt auch der
erste Verbrüderungsvertrag mit dem Kloster
Reichenau. Einige Jahre später, im Jahre 826,
legte auch das Kloster Reichenau ein ähnliches,
mit den Jahren noch bedeutend umfangreicheres
Verbrüderungsbuch an. Es enthält gegen 40 000
Namen, während das St. Galler die Namenreihen
von 27 Klöstern aufweist. Reichenau stand gegen
das Jahr 900 mit mehr als hundert geistlichen
Stiften in Verbrüderung.
Der älteste Teil des St. Galler Verbrüderungsbuches
umfaßt die ersten 13 Blätter — Seite 1
bis 26 —, jede Seite in vier Spalten aufgeteilt,
Schriftzüge und Form verraten eine sehr frühe
Zeit. Die Eintragungen auf diesen 26 Seiten
wechseln mehrfach in der Handschrift, während
eine sehr plumpe Hand den leeren Raum zwischen
den Spalten häufig mit Namen von Pilgern
aus badischen und elsässischen Ortschaften oft
recht willkürlich ausgefüllt. Die genaue Festsetzung
eines Datums der Einschreibung ist deswegen
nur in seltenen Fällen möglich, meistens
nur dann, wenn Verbrüderte zusammen mit
einer hochstehenden Persönlichkeit angeführt
sind, deren Lebensdaten einigermaßen gesichert
sind. Fragwürdig wird dies aber trotzdem, wenn
andere Namen dazwischen geschrieben sind oder
an leer gebliebenen Stellen später Platz fanden.
Auf Seite 20 — demnach noch im ältesten Teil —
finden sich unter „Crocingen" die beiden Namen
„Louo" (in der gedruckten Wiedergabe stehen
zwei Fragezeichen hinter dem Namen, demnach
schwer zu lesen) und darunter „Adelpret". Kein
Anhaltspunkt der Zeit, des Standes, des Zweckes
der Pilgerfahrt besagt uns näheres, auch nicht,
ob es sich um Lebende oder Tote handelt. Nur
eines dürfte sicher sein, daß es keine Geistlichen
oder Mönche waren, sondern Laienpilger, vielleicht
freie Bauern oder Grundbesitzer. Auch alle
andern Fragen bleiben ohne Antwort: Warum
kamen sie nach St. Gallen? Hatten sie ein Gelübde
zu erfüllen? Brachten sie ein größeres
Geschenk oder eine Stiftung? Steht die Wallfahrt
in einem Zusammenhang mit der Glöckle-
hof - Kapelle oder einer anderen St. Gallischen
Vergabung in Krozingen?
Um zu zeigen, wie schwierig es ist, aus dieser
bloßen Nennung von Namen im St. Galler Verbrüderungsbuch
gewisse Rückschlüsse zu ziehen,
ohne dennoch ein gültiges Ergebnis zu erhalten
und welche Methode man anwandte, um zu einer
Lösung zu kommen, darf die Diskussion um die
fratres de Friburch kurz erwähnt werden. Bei
Arbeiten zur Geschichte des Breisgaus und des
Kaiserstuhls war der verstorbene Bibliotheksdirektor
Joseph Rest im St. Galler Verbrüderungsbuch
auf Freiburger Namen gestoßen,
deren Deutung diese interessante Diskussion auslöste
. Eine Reihe von Fragen wurde aufgeworfen
, keine Lösung befriedigte. Man konnte sich
nicht denken, daß zu einer solch frühen Zeit der
Name der Stadt Freiburg (1120 gegründet) schon
bekannt war, es müßte denn sein, diese fratres
kamen aus einer Siedlung vor der Stadtgründung
, eine Ansicht, die aber immer wieder abgelehnt
wurde. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit
gab man der Mutmaßung, die ersten drei Namen
der fratres de Friburch gehören Geistlichen an,
die mit einer Pilgergruppe nach St. Gallen wall-
fahrteten. Unter den dritten Namen ist die Ortschaft
Rotweil mit anderer Hand dazwischen-
geschrieben, ebenfalls unerklärlich wie so vieles
andere. Genaue Schriftvergleichungen haben jedoch
ergeben, daß die Eintragung erst viel später
stattfand, sehr wahrscheinlich erst zur Zeit
der Stadtgründung selber oder kurze Zeit später.
Peter Albert ist sogar der Meinung, daß die Predigt
des hl. Bernhard von Clairvaux im Freiburger
Münster im Jahre 1146 die Anregung dazu
gegeben habe, daß bald darauf die damaligen
drei Münsterpfarrer mit einer Pilgergruppe diese
Wallfahrt unternommen habe. Auffallend ist
immerhin die große Anzahl von Breisgauer Ortschaften
, aus denen Pilger und Pilgergruppen
nach St. Gallen wallfahrteten; zu ihnen gehören
auch die beiden Krozinger. Die beiden Namen
sind im Buch hinter die der Mönche vom Kloster
Kempten eingereiht, sie gehören aber zu den
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