http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-09/0015
nichts, daß nur Spezialisten einigermaßen genau
über Umfang und Ausmaß der Gattung unterrichtet
sind. Diese Gattung ist nach Gustav Hegi
(„Illustrierte Flora von Mitteleuropa") mit mindestens
300, bei engerer Fassung des Artbegriffs
mit über 3000 Arten fast über die ganze Erde
verbreitet. Man hat es also mit einem Aller-
weltsgewäehs zu tun. Charakteristisch ist es für
Rubus, daß die Gattung selbst nach außen hin
klar und gut begrenzt ist, wie viele Nüsse sie
auch hinsichtlich der Gliederung der Untergattungen
, Sektionen und Arten zu knacken gibt.
Die Beschreibung der tausenderlei Arten ist bei
weitem noch nicht abgeschlossen.
Das Wort Brombeere (althochdeutsch „bräm-
beri") erinnert im ersten Teil an „brämo" =
Dornstrauch. Wie treffend: Dornstrauchbeere!
Der mundartliche Volksmund delektiert sich an
der ihm genehmen Benennung mit spürbarem
Wohlbehagen. Da hört man am Oberrhein u. a.
von der „Brumeltere" oder gar von der „Pfru-
beere" bzw. im Elsaß vom „Brömdom", in der
Schweiz von der „Brobere", in Oberhessen von
der „Kratzbeer", vielerorts von der „Brummelbeere
" sprechen. Der Franzose sagt Ronoes oder
mures, der Engländer Bramble oder blackberry.
Kennzeichnend für die Pflanze der „Echten
Brombeere" ist, daß die Sprosse durchweg bestachelt
und habaxanth sind, d. h." daß sie nur
einmal, in der Regel im zweiten Jahr blühen,
und dann absterben. Sie sind also im ersten Jahr
auggesprochene Laubblattstengel, Schößlinge, die
übrigens für den Botaniker insofern von besonderer
Wichtigkeit sind, als sie für die Unterscheidung
der Arten wertvolle Hinweise liefern.
Wenn die Sprosse nicht aufrecht klimmen, biegen
sie sich überhängend zur Erde oder kriechen
auf ihr dahin und entwickeln in diesem Fall im
Herbst an der Spitze Wurzeln, mit denen sie in
den Boden eindringen. So entstehen Dschungelbildungen
, denen gegenüber Vorsicht geboten ist.
Der Ruf der Brombeere als Heilgewächs geht
weit zurück. Die Ägypter sollen dem Genuß der
Beeren die Entfachung von Liebesgelüsten zugeschrieben
haben. Die Ärzte des klassischen Altertums
, vor allem Galen, rühmen die Wirkungen
des Tees aus Brombeerblättern. Das tun auch
heute noch die Künder der Volksarzenei wie die
Mediziner. Brombeersaft ist nicht von ungefähr
beliebt. Und Brombeergeist ist nicht zu verachten
, wenn schon ihm der Zauberatem des Himbeergeistes
versagt ist. Auch die Himbeere ist
eine Rubusart — Rubus Idaeus — indessen sehr
viel weniger kratzbürstig als die Brombeere. Ein
ungleiches Schwesternpaar! Wie arm müßten
wir uns fühlen, wenn wir die beiden nicht hätten!
II.
Entzückender Nichtsnutz
Unter den Herbstblütlern ist die Euphrasia
eine der niedlichsten Erscheinungen — deutsch
in den Floren meist Augentrost genannt. Der
Volksmund läßt den Namen wohl gelten, aber
er findet ihn nicht treffend genug. Zumal in
oberdeutschen Landschaften sieht man in dem
einjährigen, entzückend^ Gewächs aus der Fa-
3auerngacten im f)od>fd)toacjtöal5
Hochobe imme Buuregarte
blüeihn Blueme — numme so ne paar.
's sin vo de alte probten Arte,
uv, Farbe hän sie puur un chlar.
Sie stöhn by allergattig Gmüese
Un nebe Chabischöpf, wo drüeihn.
Vom Hag her chunnt e Huuch, e sueße
vo selbe Wicke, wo dort blüeihn.
Sie sin fiin rot un blaulächt gsprecklet,
so siidig glänze 's nit im Tal.
Was ischs, wo drüber guugt un fäcklet?
E Pfauenaug, en Admiral?
Lueg, wie im Gländ jetz d'Sunne flimmret,
me meint, e jede Funke zünd!
Im grüene Glascht, 's wiß Chopftuech schimmret
vom Maidli, wo dort Bohne günnt.
Hedwig Salm
milie der Rachenblütler einen Widersacher des
Graswuchses, der das Pflänzlein denn auch ist.
Euphrasia ist ein beispielhafter Halbschmarotzer.
Ihre Nährpflanzen sind die Süß- wie die Scheingräser
, die Gramineen wie die Cyperaceen. Durch"
Versuche ist festgestellt worden, daß Euphrasien,
denen die Nährpflanzen vorenthalten bleiben,
nicht zum Blühen kamen. Das Fehlen von gutem
, nahrhaftem Gras aber schmälert den Milchertrag
— deshalb heißt das anmutige Geschöpf
auf der Schwäbischen Alb öhmdfresser, in der
Schweiz Heuschelm, in der Steiermark Milchdieb
, in Tirol Milchrauber und so fort. Das griechische
Wort Euphrasia läßt sich etwa mit Wohlbefinden
, Frohmut übersetzen. Es spielt damit
auf die Geltung des Kräutleins als Heilpflanze
an, was auch die Bezeichnung Augentrost tut.
Man verwendete Euphrasia zwar auch gegen
Magen- und Darmerkrankungen u. ä., vor allem
aber gegen Augenentzündungen. Die getrockneten
, zerriebenen Blätter werden als Tee wie als
Pulver angewendet. Sebastian Kneipp rät: „Probiere
'es einmal, lieber Leser!" Mit dem Tee solL
man zwei-, dreimal täglich kräftig die Augen
auswaschen oder über Nacht ein im Tee angefeuchtetes
Fleckchen Leinwand mit einer Binde
auf den Augen befestigen. Dem Skribent ist aus
der Bubenzeit im Schwarzwald aus der Zeit vor
an die fünfundsiebzig Jahren die Redensart im
Ohr geblieben: „Nix ist gut für die Augen". Der
Grasdieb wurde nämlich kurzer Hand auch
Nichtsnutz genannt, aber gleichwohl seine Heilkraft
bei Augenerkrankungen anerkannt. Der
Naturheilapostel Sebastian Kneipp preist den
Augentrost besonders nachdrücklich, weil er beobachtet
hatte: „Oft wächst das Pflänzlein so
zahlreich und verdrängt das eigentliche Futter
so stark, daß die Bauersleute ihm gram werden".
Da der „Retter Europas", wie Eugen Ortner den
großen Wörishofener in seinem fesselnden Buch
genannt hat, Euphrasia den heilkräftigsten Heilpflanzen
zuzählte, schließt er das dem Augentrost
gewidmete Kapitel in seinem dickleibigen
Praktikum: „Das Kräutchen wird auch dir, lieber
Leser, seinen Trost nicht versagen..."
13
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-09/0015