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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-09/0016
Das kleine Blütchen der Euphrasia lohnt die
«Betrachtung. Die zweilippige Blumenkrone ist
weiß, zartlilafarben oder rötlich-violett. Die gewölbte
, helmartige, zwei- bis dreilappige Oberlippe
hat sechs, die größere, dreispaltige Unterlippe
neun dunkelviolette Längsstreifen und
einen zitronengelben oder orangefarbenen Fleck.

Ein zauberhaftes kleines Gebilde!

Man hat von der Gattung Euphrasia in Europa
, im außertropischen Asien, in Nordamerika
und Australien an die neunzig Arten ermittelt,
für Mitteleuropa den Kamm - Augentrost, den
Steifen Augentrost, den Kurzhaarigen Augentrost
, den Hain-Augentrost, den Zwerg-Augentrost
, den Niedlichen Augentrost, für ganz
Deutschland die häufigste Art. Sie heißt botanisch
„Euphrasia Rostkoviana" honoris causa des
Botanikers Friedrich Wilhelm Rostkov, der 1770
geboren wurde und 1848 gestorben ist. Er war
Arzt in Stettin und, wie zu seiner Zeit bei den
Medizinern gang und gäbe, ein leidenschaftlicher
kenntnisbeladener Botaniker, der sich u. a. verdient
gemacht hat, indem er die Gattung der
„Nichtsnutze" gründlich studierte und klassifizierte
— gewiß aber auch die Heilkräfte des
entzückenden Kräutleins für seine Patienten
nutzbar machte.

Gerhard Geiger, Bad Krozingen:

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Noch heute sind in manchen europäischen
Ländern die extensiven, altertümlichen agraren
Wirtschaftsformen der Laubnutzung des Waldes
und der Reutbergwirtschaft bekannt.

Bei der Laubnutzung des Waldes handelt
es sich um das „Schneiteln" („Lauben")
junger Laubbaum- und Nadelholztriebe, die als
Viehfutter Verwendung finden. Dazu kommen
noch die Mahd- und Streunutzung des Laubwaldes
, die Verwendung des Heidekrautes und
Besenginsters der Zwergstrauchheide als Streu
(K. H. Paffen, 1940, S. 207) und die Nutzung des
Stechginsters als Kultur- (und Hecken-)pflanze.
Selbst Misteln (Viscum album) fanden gelegentlich
als Notfutter (in den Vogesen) Verwendung
(H. Brockmann-Jerosch, 1936, S. 611). Noch 1936
konnte H. Brockmann-Jerosch (S. 596) feststellen,
daß es in der Schweiz keinen „Alpenkanton,
überhaupt nicht einen Teil der Schweizeralpen"
gäbe, „in dem nicht wenigstens Reste der Laubfutternutzung
nachweisbar sind". W. U. Guyan
(1954, S. 121) berichtet, daß diese Wirtschaftsform
noch heute in den Kantonen Solothurn,
Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Uri, im Walenseegebiet
, im St. Galler Rheintal, in den Kantonen
Graubünden, Tessin und dem Wallis verbreitet
ist.

Das „Schneiteln" der Laubbäume war demnach
einst über ganz Europa verbreitet und findet
sich noch in Resten in den Gebirgen Spaniens
, Portugals, in den Pyrenäen, im Apennin,
in den Karpathen und anderen Landschaften des
Balkans. In den Vogesen, im Schwarzwald und
auf der Schwäbischen Alb scheint diese Wirtschaftsform
heute der Vergangenheit anzugehören
. In den Alpen wird das frische Eschenlaub
zur Fütterung der Kühe, in den Cevennen das
Laub der Edelkastanie als Winterfutter für
Schafe gebraucht (C. Troll, 1951, Seite 153); in
Schweden schließlich kennt man „Laubwiesen",
die neben den Äckern liegen und für die Laubfütterung
des Viehs von Bedeutung sind (H.
Straka, 1955, S. 278) \

Die wichtigsten Laubfutterbäume sind Esche,
Bergahorn, Ulme, Schwarzpappel und Feldahorn.
Dazu kommen Fallaubeichen (Quercus Robur,

Qu. sessiliflora, Qu. pubescens), Linden, Hagebuche
, Mehlbeere, Traubenkirsche, schließlich
auch noch, wenn auch weniger geschätzt, Kastanie
, Buche, Haselnuß, Erle und Birke (H. Brockmann
-Jerosch, 1936, S. 599 f.).

Selbst kultivierte Baumarten werden gelegentlich
geschneitelt und oft eigens zur Laubgewinnung
angepflanzt. Die Kabylen der Atlasländer
pflanzen Futterbäume, deren Laub ausschließlich
als Viehfutter dient; in Anatolien
werden die im Herbst eingesammelten Feigenblätter
zur Winterfütterung herangezogen (J.
Huppertz, 1951, S. 41) und auf Madeira dienen
die Blätter des Zuckerrohrs der Futterversorgung
der Rinder (H. Lautensach, 1949, S. 223).
Aber auch im mittel- und nordeuropäischen
Raum wurden früher „Schneitelbäume" eigens
angepflanzt, so nennt H. Brockmann - Jerosch
(1936, S. 610) Beispiele aus dem Wallis und
Tessin. Erwähnt sei schließlich noch der Anbau
von Stechginster als Pferdefutter in den „Landes
" Frankreichs (C. Troll, 1951, S. 152)2 und als
Stallfreu in den Seestrandkieferwäldern Madeiras
(H. Lautensach, 1949, S. 224).

Das Laub der „Schneitelbäume" wurde auf
verschiedene Art und Weise gewonnen: Meist
wurden im Spätsommer mit einem Knüppel oder
einem Hackmesser Äste abgeschlagen und die
Blätter abgestreift oder man beschränkte sich
auf das Einsammeln des Fallaubes im Herbst
(vgl. H. Brockmann-Jerosch, 1936, S. 600—603).
Der Laubfütterung kommt im Rahmen einer
agrargeschichtlichen und agrargeographischen Betrachtung
eine größere Bedeutung zu. Im nordeuropäischen
Raum ist es in jüngerer Zeit gelungen
, bereits für die spätmesolithische Erte-
bölle-Kultur (Dänemarks) eine (Ulmen-) Laubfütterung
des eingestallten (!) Viehs nachzuweisen3
. Diese noch stärker auf Jagd und
Fischerei als wirtschaftlicher Basis sich stützende
Kultur kennt bereits Ackerbau (Nackte Gerste,
Einkorn, Emmer, Weizen, Zwergweizen) und die
Nutzung von Holunder, Bärenlauch usw. (J.
Troels-Smith, 1961, S. 827). Nach pollenanalytischer
Datierung der Keramik dieser Kultur

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