http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-10/0008
baute hinstellt und darauf hinweist, daß der Mitbewerber
schon wegen Steuerhinterzugs vorbe^
straft sei, beurteilt der Gemeinderat die Dinge
gerade umgekehrt: Gutmanns Wirtschaft sei
schlecht geführt, sein Haus als Gastwirtschaft
schlecht geeignet, er selbst niclit fähig, Wirt zu
sein. Dagegen wird Kalt seiner Kenntnisse und
seiner Bildung nach als geeignet erachtet und
sein Haus als gut befunden. Das Bezirksamt
stellt den Antrag, eine persönliche Wirtschaftsgerechtigkeit
zu erteilen. Sie genüge für diesen
Fall, da „die Klasse der gewöhnlich das Wirtshaus
auf der Sirnitz besuchenden Gäste keine
große Anforderung in Bezug auf Ausstattung der
Gastzimmer machen wird oder machen kann."
Trotz des negativen Urteils, das der Gemeinderat
von Schweighof dem Gutmann ausgestellt
hat, entscheidet sich das Bezirksamt für diesen
Bewerber, wogegen Altvogt Kalt Berufung einlegt
, die er damit begründet, daß in seinem Haus
schon von 1808 bis 1836 gewirtet worden sei
(nämlich durch seinen Schwager Lais und dessen
sowie seinen Schwiegervater Christian Kiefer).
Ein Augenschein bringt die Gewißheit, daß Gutmanns
Haus besser geeignet sei. Außerdem bewahrheitet
sich die von Gutmann ins Feld geführte
Vorstrafe des Altvogtes Kalt, so daß die
Oberrheinkreisregierung den Rekurs verwirft
und die Entscheidung zugunsten Gutmanns bestätigt
.
Schon 1845 aber wird David Gutmann als
eines Kredits für unwürdig befunden. Ein Bericht
bezeichnet den Hirschenwirt als einen Mann,
der „auch zu jenem Sir nitzer Gesindel gehört,
das die herrschaftlichen und Gemeindewaldungen
nicht unangetastet läßt und jahraus und -ein
sich mit dem Holzstehlen beschäftigt". 1846 muß
Gutmann sein Lehen schuldenhalber dem Fiskus
verkaufen, der im Jahre zuvor auch den Kalt-
schen Lehensanteil erworben hat. Da mit dem
Abzug des Wirtes Gutmann auch das Wirtschaftsrecht
erlischt, muß man sich nach einem neuen
Wirt umsehen. Einer Überlassung des Wirtschaftsbetriebes
an den Waldhüter Kiefer, der
das Wirten vorübergehend übernommen hat,
steht man ablehnend gegenüber, da sich diese
beiden Beschäftigungen nicht miteinander vereinbaren
lassen würden. Schon am 15. April 1847
haben sich mehrere Pachtlustige gemeldet. Aus
der im August erfolgten Versteigerung geht
Zimmermann Friedrich Ruf von Demberg, der
dortige Maienwirt, als Letztbietender hervor. Er
zieht Martini 1847 auf. Seine Wirtschaftsführung
scheint jedoch nicht allzu glänzend gewesen zu
sein, denn 1856 heißt es in einem Bericht: „Die
Wirtschaft ist dermalen in ganz schlechtem Zustand
und eine Besserung bei dem jetzigen in
seinen ökonomischen Verhältnissen durchaus zerrütteten
Pächter (Ruf) nicht zu erwarten."
Inzwischen hat aber ein neues Kapitel in der
Geschichte der Sirnitz begonnen. Nach dem Erwerb
aller sechs Erblehen durch den Staat wird
dort ein geschlossenes Hofgut gebildet. Die Weiden
pachtet die Molkenanstalt von Badenweiler.
Senn Staufacher übernimmt das Gut pachtweise
unter der Protektion des Badearztes Dr. Wever.
Der oben erwähnte Bericht fährt fort: „Ob der
Senn Staufacher der rechte Mann ist, die Wirtschaft
, welche nicht allein von vorüberkommenden
Wäldern und Fuhrleuten, sondern auch von
Touristen und Badegästen zu Badenweiler stark
besucht wird, zu führen, wie es sein soll, möchte
ich bezweifeln, da er zwar die erforderlichen
Geldmittel, nicht aber auch die für einen Wirt
nötigen Eigenschaften besitzt. Hoffentlich findet
der Pächter, welcher noch ledig ist, eine Frau,
die die Wirtschaft zur Zufriedenheit des Publikums
umzutreiben versteht. Es wäre dies sehr
erwünscht."
Vermutlich hat Staufacher die Wirtschaft selbst
nie ernstlich betrieben. Vielleicht hat er einen
Afterpächter gefunden, der ihm diesen Teil seiner
Verpflichtungen abnahm; denn 1855 wird ein
Georg Frick von Müllheim als Wirt erwähnt, der
den Pächter Ruf ablöst, da dieser nicht mehr
zahlungsfähig ist. Familie Frick bleibt bis 1883
im Besitz der Wirtschaftsgerechtigkeit, also lange
über die Zeit hinaus, die Senn Staufacher dort
anzutreffen ist. 1883 geht das Recht an den
Schwiegersohn des Wirtes Frick, Gustav Weber
von Wies, über.
1885 ist aus dem „Hirschen" ein „Auerhahn
" geworden. Wir erfahren nicht, was den
Pächter zur Änderung des Namens bewogen hat.
Jedenfalls taucht mit dem Aufzug des Wirtes
Maurus Zimmermann von Untermünstertal erstmalig
dieser neue Name auf. Und so nennt sich
die Gastwirtschaft auf der Sirnitz heute noch. Ab
Martini 1897 wirtet Landwirt Friedrich Schreck
von Oberweiler, ab Martini 1932 Ernst Bauert
von Badenweiler und seit 1938 — nun auch bereits
mehr als 20 Jahre — Familie Max Sauter.
Ob „Hirschen" oder „Auerhahn" — einer ungezählten
Schar von Gästen wird die Sirnitz in
all den Jahrzehnten wohl nicht nur ihrer herrlichen
Lage und Umgebung wegen, sondern auch
auf Grund der vorzüglichen „Labung" und
„Atzung", die man dort fand und findet, in angenehmer
Erinnerung sein. Der Besucher, der
sich 1881 dichtend im Gästebuch des „Auerhahns
" verewigte, wird auch unsere Zustimmung
finden, denn er schrieb:
„Drum denke ich stets in Leid und Glück
noch oft an die hohe Sirnitz zurück
und trinke ein Glas auf des Hauswirts Wohl...",
der — und das ist unser etwas verspäteter
Wunsch zu seinem Schildgerechtigkeitsjubiläum
— noch manches Jahr bleiben soll!
»Die Markgrafschaft«
Monatszeitschrift des Hebelbundes
stellt die Verbindung zwischen den Hebelfreunden in
der Heimat und in der Ferne dar. Wer sie abonniert,
hilft dem Hebelbund bei der Erfüllung seiner vielen
und schönen Aufgaben.
Einzelheft.......DM -.70
Halbjahresabonnement = 6 Hefte DM 4.20
Jahresabonnement für 12 Hefte . DM 8.40
Nach auswärts oder ins Ausland Porto zusätzlich.
Bestellungen nimmt entgegen:
K. Schäfer, 7844 Neuenburg
6
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1964-10/0008