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gar aufheben. Die verwaisten Ställe und die
rostenden Pflüge mehrten sich in den Rebdörfern
, aber der Arbeiter und der Fabrikler ließen
bis heute nicht von ihren Reben.
Wie lange reift nun schon die Traube an der
Sonnenhalde des heimischen Stromlandes?
Rebbau ist in unserem Altsiedeiland mindestens
ebenso alt wie die Namen unserer Dörfer,
reicht also in die frühe Landnahme unserer
alemannischen Vorfahren und hat wohl seinen
Ursprung in der römischen Besatzungszeit vor
2000 Jahren. Die Rebe selbst ist allerdings noch
viel älter nachgewiesen. Nach der letzten Eiszeit
drang sie wild durch die Burgundische Pforte
in das Rheintal. Holzfunde in den Höhlen am
Isteiner Klotz bezeugen für die La - Tene - Zeit
ihre Häufigkeit. In den Rheinauen des Wildstroms
war diese wilde Rebe mit teilweise armdicken
Stämmen bis 1910 noch unter Naturschutz
gestellt. Sie kletterte auf die Bäume, in deren
Kronen die blauen, sauren Beeren reiften. Sie
wurden wohl von den Jägern und Fischern der
Urzeit sicher nicht als Nahrung verschmäht und
vielleicht auch schon zur Herstellung eines Getränkes
genutzt. Als die älteste Kultur-Rebe wird
die Ahnin der „Heunisch", andernorts der „Riesling
" vermutet, eine Urrebe, welche aus Sämlingen
der einheimischen Wildrebe aufgezüchtet
war. Die Ägypter sollen nach gefundenen Grabbeigaben
schon vor 5000 Jahren den „Gutedel"
geschätzt haben, der dortzulande heute noch
wächst und einst von den Phöniziern an die südlichen
Gestade Frankreichs gebracht, von den
Römern über Burgund zu uns an den Rhein verpflanzt
worden sei. Eiblinge, „Albes", „Älbene",
in unseren Oberlanden einst als weißer Mengenwein
von geringerer Güte stark verbreitet und
vereinzelt da und dort noch bebaut, erinnert an
die Albanischen Rebäcker, wo die „vitis albuelis"
gedeiht. Noch mancher römische Begriff aus
der Wortfamilie des Weinbaus wurde inzwischen
bei uns bodenständig, wie Keller, Küfer, Wein
u. a. m. Ein Rebgewann im Efringer Berg erinnert
an die von den Römern und heute noch in
südlichen Weinländern bevorzugte und bei uns
wohl bekannte Bauweise der Rebanlage in sogenannten
Kammern, die „Kammerte": Kreuzrahmen
, Bögen, oben verschränkt, das ganze
Rebstück wie mit einer Decke überzogen. Auch
das „Vergraben", die bis in unsere jüngste Zeit
noch übliche Verjüngung der Rebstöcke, wurde
schon von den Römern angewandt. Die riesigen
Baumtrotten, in großen Schöpfen überdacht,
haben römischen Ursprung.
In der „Lex Burgundonium" wird um 5000
erstmals schriftlich der Weinbau bei den Alemannen
beurkundet. Als die Franken seit der
Mitte des 8. Jahrhunderts unser Land konfiszierten
und als begehrte Reichsgüter an geistliche
und weltliche Herren, an Kirchen und Klöster
vergabten und verkauften, war der Rebbau
bereits schon ein wirtschaftlich begehrtes Objekt
geworden, das bald auch von Kaiser Karl und
seinen Nachfolgern fortan mit Ordnungen in die
Obhut der Reichsgesetze gestellt wurde. Aufsicht,
Ver- und Gebote strebten zunächst nach Reinheit
und Echtheit der Weine. Jedes Königsgut, später
jeder Herren- und Meierhof, hatte nun in den
Rebdörfern eigene und umfangreiche Rebgüter
im Bau; sie wurden von den Hörigen in der
Fron bebaut und geherbstet. Der Grundherr
verkaufte in seinen Strauß wirtschaften1} seine
Weine, welche er nicht selbst in seinem Haushalt
verbrauchte. Die bisherigen Weinschläuche
wurden verboten, das Halten von eisenbereiften
Fässern angeordnet. Das Traubenstoßen mit
„Mutten" Füßen sollte mindestens mit sauberen
Beinen geschehen. Eine Trotte stand schon sicher
in jedem Dorf, und wenn es nur die grundherrliche
Zehnttrotte war.
Für unser Oberland zeugen die ersten Urkunden
den Rebbau in einigen Orten für das 8. Jahrhundert
:
715—721: Zeit des MerowingerkÖnigs Childerich II:
Vergabung von Rebgütern von Seiten eines Erfoin
und seiner Söhne Teotor und Rotar an das Kloster
St. Gallen in Ebringen, Pfaffenweiler u. Wolfenweiler.
751: Regierungszeit Childerich III.
Schenkung u. a. von Rebgütern eines gewissen Ebo
und seiner Gemahlin Odalsinda an das Kloster
St. Gallen, an Orten in der Nähe Weil und Riehen
(Wahinkofen = der Wenkenhof).
758: Egringen und Müllheim: „viniis" an St. Gallen.
767: Binzen, Rümmingen, Wollbach, Tumringen, Haltingen
, Eimeidingen u. a. auch Reben, als konfiszierte
Reichsgüter an St. Denis bei Paris.
772: Fischingen — nach St. Gallen.
Sodann dem Kloster Lorsch am Main:
773: Ebringen, Staufen, Eggenen.
774: Emmingen (Wüstung bei Schopf heim).
776: ßritzingen; 778: Kandern; 789: Auggen (Hach) usw.
Diese schon allgemeine Verbreitung des Rebbaus
in dieser Frühzeit setzt ein erhebliches
Alter in unserem Gebiet voraus.
Wein war im Mittelalter schon die bevorzugte
Einnahme der Herrn hierzulande, weshalb auch
die Rechte über Zins und Zehnten in unseren
Dörfern allseitig begehrt und viel umstritten
waren, sowohl vom Stadt- und Landadel, den
Schirmherren und Vögten, wie auch von Dom-,
Stifts-Kapitelherten, Bischöfen und Äbten, von
den Geldherren in der Stadt wie vom Markgrafen
und seinen Beamten zu Rötteln. Diese Herren
mehrten sich seit der Jahrtausendwende,
steigerten ihre verschiedenen Ansprüche, oft bis
zur Unerbittlichkeit, gegenüber dem Bauern,
forderten neben Dienstleistungen an ihren Eigengütern
im Dorfe, den mindestens drei Frontagen
im Jahr, neben dem großen Fruchtzehnten, dem
kleinen Etterzehnten, Bodenzinsen an Frucht,
Geld und Geflügel, hauptsächlich den Zehnten
vom Herbst, Weinbodenzinse, Steuer- und Vogtswein
, den Bann- und Teilwein. Sie alle schätzten
wohl die Weine aus den sonnigen Lagen des
Landes, kümmerten sich aber mehr um die
Menge der Weingaben als um eine Verbesserung
in der Güte der Sorten. Die Anhänglichkeit der
fernen Klöster St. Gallen, Lorsch, St. Denis, von
Muri, St. Blasien, Murbach mit dem Recht auf
Weinbezug in den Reborten gründet sich auf
1) Strauß- oder Maienwirtschaften zeigten ihren Weinausschank
mit einem ausgehängten Maienstrauß an.
Die Schildgerechtigkeiten erwarben sich die Wirte für
sich persönlich oder als Realrecht für ihr Wirtshaus
entweder auf Lebenszeit oder als Dauerrecht für das
Haus in der Hauptsache erst seit Beginn des lS.Jahrh.
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