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St. Martinskreuz
dung gebracht, es vermittelt zwischen Oben und
Unten des Menschen. Das Sternbild des Löwen
wurde oft mit dem Herabsteigen der Sonne
erlebt, wie sich aus einigen Mysterienbräuchen
ergibt". — An anderer Stelle sagt G. Wachsmuth:
„Die späten mithräischen Figuren zeigen wie das
Wirken der Schlange mit dem Symbol des Löwen
kombiniert ist".
Es liegt diesen Ornamenten ein unmittelbarer
kosmischer Erlebnisinhalt zugrunde.
Auf anderen Grabkreuzen sieht man viel von
jenem wunderlichen verschlungenen Flechtwerk
keltischer Ornamentik, das sich hier zu Kreuzformen
bildet.
Der englische Pfarrer Th. Mac Cauchlan stellt
eine interessante Theorie auf, die er auf den
Kreis bezieht, der das Martinskreuz und manch
andere Kreuze charakterisiert. Mac Cauchlan
sieht hier eine Erinnerung an Steinkreise, wie
sie in Stonehenge in,England und auch in Frankreich
sowie in der Mysterienstraße im Elsaß noch
zu finden sind — wobei die Kreuzesbalken die
Wege, die zum Heiligtum führen, versinnbildlichen
.
Die keltische Kultstätte Ynysnan druidhnea
(Druideninsel) übte eine Anziehungskraft aus
durch den Ernst und die Hingabe seiner Gläubigen
. Nachdem Columba, so erzählt die Legende,
einige Zeit hier mit seinen Jüngern gearbeitet
hatte, schien es ihm wichtig, ein Anrecht auf
den Besitz dieses von ihm bebauten Bodens zu
erlangen. Nach damaligem Grundrecht erwarb
man Boden, indem man den ersten Toten darin
begrub 4.
Jedenfalls bangte Columba sehr um den Verlust
der geleisteten Arbeit, falls ihm ein anderer
zuvorkäme, einen Toten zu begraben. In der
Sorge und Ungeduld seines Herzens wandte er
sich an seine Jünger: „Es wäre gut", so sagte er,
„wenn einer von euch unter die Erde ginge, damit
wir sie besitzen. Orhain, du bist alt schon,
willst du es für uns tun?"
Orhain stand gehorsam auf und sprach: „Wenn
du mich annehmen willst, ich bin bereit". —
„Dafür sollst du deinen Lohn haben", versprach
Columba, „niemandes Gebet an meinem Grabe
soll erhört werden, er bete denn an deinem
Grabe zuerst und rufe dich um deine Fürbitte
an". — Und also ward Orhain begraben. — In
einer alten Chronik5 wird dieser alte Mönch als
aufgeweckter und bejahender Charakter geschildert
.
Drei Tage ertrug Columba den Gedanken an
diesen lebendig Begrabenen mit immer geringerer
innerer Befriedigung, mit immer wachsender
Jona Kreuz
Unruhe. Schließlich ordnete er am dritten Tage
an, daß man ihn ausgrabe. Orhain erwachte. Sein
Geist war, als die reine Luft ihn berührte, in
4 Im Zusammenhang mit diesem alten Agrarübereinkommen soll heute noch
in Schottland in gewissen Volkskreisen eine Abneigung bestehen, als
Erster auf einem neuen Friedhof beerdigt zu werden, da damit noch die
alte keltische Vorstellung im Volksglauben verknüpft ist, diesen Friedhof
als Letztverbleibender hüten zu müssen.
5 im State Papec Dept. vom Brit. Museum, London.
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