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welches sich am Tage nach dem Abschluß der
Verhandlungen vor den Mauern des Städtchens
darbot. Aus dem Stadttor zogen die kaiserlichen
Söldner, 1400 an der Zahl, nur mit Hemden bekleidet
, ein Stück Brot in der einen Hand, einen
weißen Stock in der anderen, durch die Spalier
bildenden Eidgenossen davon in der Richtung
auf Waldshut. Unter ihnen befanden sich auch
manche Adelige. Zu den Geiseln, welche den
Schweizern ausgeliefert werden mußten, gehörten
neben anderen Johann von Baldeggi Rudolf
von Grießheim, der Waldvogt Poley von Reischach
, Johann von Roggenbach, Heinrich von Baden
, des Grafen Schreiber, Barbier und Schuster.
Sie wurden nach Baden in der Schweiz abgeführt
. Johann von Baldegg wurde nach Erlegung
von 2000 Gulden und Verzicht auf alle seine
Ansprüche auf die Herrschaft Schenkenburg freigegeben
. Er hatte diese Milde der Eidgenossen
der Fürbitte seiner Schweizer Verwandten zu
verdanken, so des Adrian von Bubenberg und
des Walter von Hallwyl. Ebenfalls freigelassen
wurden Johann von Roggenbach und der Schuster
nach Erlegung von 100 bzw. 30 Gulden. Die
übrigen Geiseln wurden später gegen gefangene
Luzerner ausgewechselt. Es kamen also alle mit
dem Leben davon.
Die Eidgenossen plünderten das Städtchen
Tiengen und sein Schloß. Sie fanden daselbst viel
Proviant, mehrere Geschütze und sieben Fahnen,
darunter eine des Grafen von Sulz. Nach der
Eroberung Tiengens zogen 500 Schweizer gegen
die stark befestigte Küssaburg, welche aber damals
nur durch 50 Mann verteidigt wurde. Diese
ergaben sich bald der Übermacht und erhielten
freien Abzug nach Waldshut. Eine Anzahl von
ihnen mußte hier die Preisgabe der Feste mit
dem Leben büßen. Stettier schrieb davon: „In
Waldshuet ließ der Landvogt den 20 Mann, so
das Schloß nit haben wollen behalten helfen,
allen die Häupter abschlagen, dann es all Schelmen
waren". Die Eidgenossen aber „eroberten in
demselben einen großen Raub", legten eine Besatzung
hinein und behielten die Küssaburg bis
zum Ausgang des Krieges in ihrer Gewalt. Auch
Stühlingen, welches dem Grafen Sigismund von
Lupfen gehörte, wurde erobert. Nachdem der
Ort ausgeplündert worden war, warfen „etliche
des Bischofs von Konstanz Untertanen ohne Vorwissen
der Eidgenossen" Feuer hinein, um sich
am Grafen von Lupfen zu rächen wegen einer
früheren Einäscherung des Dorfes Hailau, welches
zum Bistum Konstanz gehört hatte.
Hier sei noch eine Episode erwähnt, die sich
bei der Belagerung des dem Freiherrn von Roseneck
gehörenden Schlosses Blumeneck zutrug. Das
Schloß wurde durch 500 Mann tapfer verteidigt,
so daß die Eidgenossen lange Zeit nichts ausrichten
konnten. Als sie nun zum Sturm auf das
Schloß übergehen wollten, gewährten sie der
Freifrau von Roseneck, daß sie sich vorher in
Sicherheit bringen und soviel Kleinodien und
Kleider mit sich nehmen dürfe, als sie selbst
tragen könne. Wie erstaunten aber die Schweizer
, als die Freifrau aus dem Schloßtor hervortrat
und als ihren kostbarsten Schatz ihren Ehegemahl
auf der Achsel trug! Die rauhen Schweizer
achteten dieses Vorbild ehelicher Treue, ließen
die Frau mit ihrem Manne ziehen und sandten
ihr aus Mitleid und als Zeichen ihrer Hoch-
achtung auch noch ihre Kostbarkeiten nach. Diese
hübsche Anekdote stimmt in allen ihren Zügen
mit der Erzählung von den treuen Weibern von
Weinsberg im Jahre 1140 überein. Jene Erzählung
ist von den Historikern in ihren wesentlichen
Punkten als Sage erwiesen worden. In den
verschiedensten Teilen Deutschlands tauchen
ähnliche Schilderungen auf, in denen die eheliche
Treue verherrlicht wird, und so haben wir
es vielleicht bei der Geschichte der Freifrau von
Roseneck nur mit der sagenhaften Ausschmük-
kung eines historischen Kerns zu tun. — Die
Stadt Schaffhausen, die im Jahre 1501 endgültig
in die Eidgenossenschaft aufgenommen wurde,
vergrößerte ihr Territorium und kaufte vom
Bischof von Konstanz die zwei Haupttore des
oberen Tales, Neunkirch und Hallau im Klettgau.
Nach dem verhängnisvollen Schwabenkrieg
bauten die Grafen von Sulz, die ihre Regierung
vorübergehend nach Jestetten und auf die Küssaburg
verlegt hatten, das niedergebrannte Städtchen
Tiengen neu auf. 1619 wurde das neue gräfliche
Schloß vollendet, das noch heute mit der
Kirche und dem Storchenturm das Stadtbild beherrscht
. Die alte Stadtkirche brannte 1499 bei
der Zerstörung der Stadt ab. Graf Alwig von
Sulz erbaute im Jahre 1571 die jetzige Kirche.
Trotz der Zerstörung der Stadt im Schwabenkrieg
, als ganze Straßenzüge dem Feuer zum
Opfer fielen, besitzt Tiengen noch manche spätgotische
, erkergeschmückte Häuser in malerischen
Winkeln und auf der gewundenen Hauptstraße
, die von zwei parallelen Gassen begleitet
wird. Vor etwa 150 Jahren wurde der Mauergürtel
im Osten und Westen beseitigt, und zwei
rasch wachsende Vorstädte schlössen sich dem
Kern der Stadt an. Tiengen ist dank seiner guten
Verkehrslage zum Sitz größerer Industrien
geworden.
Schlimmste Zeiten des Aufruhrs und der
kriegerischen Verwicklungen brachten aber das
16. und das 17. Jahrhundert für die arme, gequälte
Bauernbevölkerung des Klettgaus. An der
allgemeinen Erhebung der Bauern Süddeutschlands
im Jahre 1525 nahmen auch die Klettgauer
teil und belagerten die Küssaburg, als. Graf Rudolf
IV. von Sulz ihre Forderungen rücksichtslos
zurückwies. Mit 1500 Österreichern zog er selbst
im November des Jahres gegen seine Bauern
und schlug sie in blutigem Kampf beim Heidegger
Hof. Seine Landsknechte plünderten und
mordeten in den Dörfern. Die Klettgauer Bauern
erreichten nicht die gerinste Besserung ihrer verzweifelten
Lage; sie mußten harte Bußen auf
sich nehmen, ihren gefangenen Anführern, dem
Hauptmann Wagner und dem Prediger Rebmann
wurden die Augen ausgestochen und die Schwurfinger
abgehackt. Hatten die aufständischen
Bauern in ihre „12 Artikel" die Forderung nach
freier Predigt des Evangeliums aufgenommen,
so wurde jetzt jegliche religiöse Neuerung streng
untersagt und die katholische Kirche im Klettgau
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