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umso fester begründet — Das Volk ertrug nur
mit Widerwillen die grausame Herrschaft Rudolfs
IV. von Sulz, der noch dazu sein Ländchen
in eine ungeheure Schuldenlast stürzte. Vorstellungen
am kaiserlichen Hofgericht hatten endlich
Erfolg: Graf Rudolf mußte die Regierung an
seinen Bruder abtreten, und die Landgrafschaft
erhielt nach dem Entwurf des Geh. Rates Joh.
Jakob Beck eine mustergültige Landordnung. Die
sprichwörtliche finanzielle Not der Sulzer aber
blieb und verschlimmerte sich schließlich im Verlauf
des Dreißigjährigen Krieges so sehr, daß die
Grafen einen großen Teil ihres Landes, den oberen
Klettgau und das Rafzer Feld, an Schaffhausen
und Zürich verkaufen mußten, um ihre
Schulden zu bezahlen.
, Die Schweden des Generals Horn verübten
Eim Klettgau furchtbare Greueltaten in den Jahren
1632/34. Die bis aufs Blut gepeinigten Bauern
erhoben sich in ihrer Verzweiflung, wurden aber
bei Lottstetten zu Hunderten niedergemacht, ihre
Dörfer wurden verbrannt. Zu allem Unglück
wütete die Pest im Land. Die Besatzung der
stolzen Küssaburg wagte überhaupt keinen
Widerstand ^egen die schwedischen Truppen,
ohschon die Feste noch wenige Jahre vorher
durch Umbauten besonders verstärkt worden
war. Die „Verteidiger" der Burg legten selbst
Feuer in ihren Mauern und flohen in die nahe
Schweiz! Weiteste Landstrecken lagen öde und
verlassen, die Dörfer in Schutt und Asche; in
Armut und Elend suchte auch die Bevölkerung
von Stadt und Dorf Schutz und Hilfe im Land
der Eidgenossen. Bis heute lassen noch Dörfer
wie Neunkirch, Wilchingen und Hallau im
schweizerischen Teil des Klettgaus erkennen,
wie sehr die günstigen politischen Verhältnisse,
Frieden und gerechte Regierung den bäuerlichen
Wohlstand förderten im Gegensatz zur armen,
geplagten deutschen Nachbarschaft.
Fast 300 Jahre hatten die Grafen von Sulz
im Klettgau regiert, als 1687 der letzte des
Geschlechtes, Johann Ludwig, das Land seinem
Schwiegersohn, dem Fürsten Eusebius von
Schwärzenberg, als Reichslehen vererbte. Verwaltungssitze
wurden Tiengen und Jestetten,
doch hatte das Haus Schwarzenberg, dessen
reiche Besitzungen in Österreich und Böhmen
lagen, nur geringes Interesse an seinem neuen
Erwerb, in dem die Bevölkerung noch immer
unter finanzieller Mißwirtschaft zu leiden hatte.
Die Fürsten spielten eine große Rolle am Wiener
Hof und sahen im Jahr 1777 auch einmal Kaiser
Josef II. im Schloß Tiengen bei sich zu Gast. Die
territoriale Umschichtung des Reichsgebietes zur
Zeit Napoleons verursachte endlich 1812 den
Übergang der Landgrafschaft Klettgau an das
Großherzogtum Baden. — In den Revolutionsjahren
1848/49 erwachte auch im Land zwischen
Wutach, Randen und Rhein der alte freiheitliche
Geist der Zeit der Bauernerhebungen. In ungewöhnlich
großer Zahl folgte das Volk den Aufrufen
Struves und Heckers. Nach der Niederwerfung
des Aufstandes aber mußten seine Führer
^ der Engelwirt Weishaar von Lottstetten, der
Adlerwirt Albiker von Schwerzen, der Müller
Dietsche von Willmendingen und andere ihre
Teilnahme daran schwer büßen. Langsam nur
erholte sich der Klettgau und gelangte Ende des
19. Jahrhunderts zu erfreulichem wirtschaftlichem
Wohlstand.
Der Aufsatz erschien bereits in der Zeitschrift „Hegau".
Wir bringen ihn in dankbarem Gedenken an unseren
verstorbenen Mitarbeiter.
*
Erst in Heft 10/64 hatten wir Gelegenheit, anläßlich
seines 60. Geburtstages Hermann Schäfer Worte des
Dankes für sein Werk im Dienste der Heimat zu entbieten
. Wenn wir damals von seiner Hingabe der ganzen
Lebenskraft an die Geschichte schrieben, konnten wir
nicht ahnen, wie sehr diese Lebenskraft erschöpft war.
Wir haben Hermann Schäfer verloren. Leider konnte
ich ihn nicht auf seinem letzten Gang begleiten, da ich
zu spät nur durch die Presse von seinem Hinscheiden
erfuhr. Er hatte noch in seinem letzten Brief seine verstärkte
Mitarbeit an unserer Zeitschrift in Aussicht
gestellt. Wir und das Markgräflerland verlieren einen
Freund und Mitarbeiter, die Markgräfler Heimat einen
getreuen Liebenden.
Paul Stintzi, Mülhausen:
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Die Ottmarsheimer Kirche zeigt sich heute
nach ihrer Renovierung in ihrer ursprünglichen
klassischen Einfachheit und Schönheit. Auch das
Innere des Oktogonalbaues erfuhr erfreuliche
Verbesserungen; so wurde die Kuppel völlig
renoviert, wobei der wenig kunstvolle, störend
wirkende Leuchter (er soll eine Kopie des Leuchters
von Aachen sein!) entfernt wurde. Dadurch
hat aiber der Blick in das Innere bedeutend gewonnen
. Entfernt wurde auch die aus dem
letzten Jahrhundert stammende neu - romanische
Steinkanzel, die neben dem mächtigen Pfeiler
störend wirkte. Eine Kanzel ist in diesem Sakralraum
unnötig.
Die sog. Stiftskapelle ist viel jünger als der in
das 11. Jahrhundert zurückgehende Oktogonlbau
und ist im gotischen Stil gehalten. Der feuchte
Bodenbelag und die Bänke wurden entfernt; als
man im Zuge dieser Arbeiten im vergangenen
Winter den Holzaltar entfernte, fand man unter
demselben einen Steinaltar. Der Altartisch ist aus
Rotsandstein, massiv und lang; unter demselben
entdeckte man in einem sepulcrum eine kleine
Metallbüchse mit Reliquien des hl. Erasmus und
der hl. Aurelia sowie einem versiegelten Pergament
, wonach am 14. November 1666 Fabian
Rieder, Generalvikar, im Auftrag des Fürstbischofs
von Basel diesen Altar geweiht hat. Das
Dokument besagt, der Altar sei während des
Krieges (gemeint ist der Dreißigjährige) erbrochen
und entweiht worden. Seltsamerweise waren
die beiden Seitenmauern, auf denen der Altar-
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