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stein ruhte, nur aus kleineren Kalkstücken aufgemauert
, also viel ärmer als der prächtige Altar-
stein. Dieser ist sicher älter, die Seitenmauern
beweisen die Armut des Stiftes nach 1660.
In der entsprechenden rechten Seitenkapelle,
der Heiligkreuz- und Taufkapelle, steht ebenfalls
ein hölzerner Altar aus dem letzten Jahrhundert.
Auch unter diesem befindet sich ein bereits festgestellter
Steinaltar, in dem ebenfalls ein Dokument
lag, wonach auch in diesen Altar Reliquien
der oben genannten Heiligen gelegt worden waren
. Auch dieser Altar wurde am 14. November
1666 geweiht.
Die Altarplatte wird in der Stiftskapelle aufgestellt
werden. Durch die Renovierungsarbeiten
kommen die Grabdenkmäler in der Wand über
dem Eingang besser zur Geltung. Es liegen hier
Stiftsfrauen bestattet, die hochangesehenen Adelsfamilien
angehörten: den von Diesbach, einem
Schweizer Geschlecht, den Reinach, die im Sundgau
saßen, den Klötzlin von Altenach im Largtal,
den Flachslanden, einem Sundgauer Geschlecht,
das ,nach Basel eingewandert war, den Jestetten,
deren Ursitz das Dorf Jestetten im Klettgau gewesen
, die aber in Sulzmatt Güter und Schloß
hatten, den von Staal aus Solothurn, den Reich
von Reichenstein aus dem Birstal. Hier ruht
auch die Äbtissin Anna Elisabeth de La Touche,
(1726), unter der vermutlich das Chorgestühl für
die Stiftskapelle hergestellt wurde. Dieses kam
in der Revolutionszeit in die Dorfkirche von
Banzenheim und bildet eine viel zu wenig bekannte
künstlerische Leistung des beginnenden
18. Jahrhunderts. .»/■ ' '
An den Gewölben der Stiftskapelle befinden
* sich zwei Schlußsteine, von denen der eine di$
Rose derer von Müllenheim zeigt.
Die Stiftskapelle, aus der, wie man nun feststellte
, ein Gang in den Chor führte, wird nur}
einen neuen Bodenbelag und einen einfachen
Steinaltar erhalten. Sie soll als Sakramentskapelle
dienen, Und in ihr soll der Gottesdienst -
an den Wochentagen stattfinden.
Dr. Wilhelm Zentner, München:
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Im Jahre 1965, da Matthias Claudius! Todestag
sich zum 150. Male jährt, da das Bild des
Wandsbecker Boten und seiner unvergänglichen
Verdienste mit verstärkter Eindringlichkeit vor
unser Auge und Herz tritt, mag es angebrächt
sein, auf den mehrfach gezogenen Vergleich zwischen
beiden Dichtern und Kalendermännern
einzugehen.
Leider ist es niemals zu einer persönlichen Begegnung
der beiden. gekommen, aber wer weiß,
ob Hebel nicht, falls dies geschehen wäre, nicht
von ähnlichen Gefühlen beseelt gewesen wäre
wie es beim Besuch Christian August Tiedges der
Fall gewesen ist: von der ersten Minute des Zusammenseins
an glaubte man sich einem lieben
alten Bekannten gegenüber zu sehen. Im übrigen
ist uns bekannt, daß Hebel den Wandsbecker
Boten und was dieser schrieb, hochschätzte; zählte
er doch zu den Abnehmern jener siebenbändigen
Ausgabe, welche der Buchhändler Friedrich Christoph
Perthes von den Werken seines Schwiegervaters
auf den Markt brachte. Gleich Claudius,
der das Land der Stadt vorzog, erblickte &uch -
Hebel im bäuerischen Leben, in dessen „Wir
pflügen und wir streuen" einen Grundstand wahren
Menschentums, sinngemäßen menschlichen
Tuns und Wirkens, die Wurzel aller Dinge.
Hebels Gedichte „Der Jänner" und „Der Mann
im Mond" weisen unmittelbare thematische Verwandtschaft
mit Claudius' „Der Winter" und mit
dessen zweiten „Wiegenlied beim Mondschein zu
singen" auf; war damit' gar an eine Huldigung
für den Wandsbecker Boten gedacht? Auch die
Philosophie der Bedürfnislosigkeit, des „Omnia
mecum porto" dürfte Hebel ebenso geteilt haben,
wie er sich im Mißtrauen gegen die Kant'sche
Philosophie mit Claudius einig wußte, um die
sich beide vergeblich bemüht hatten.
Claudius wie Hebel, in eine kriegerische Gegenwart
gestellt, liebten den Frieden und erkannten
in diesem die einzige Voraussetzung für
ein glücklich zufriedenes Leben. Die Vetse des
im Voß'schen Musenalmanach 1779 erschienenen
„Kriegslieds" (Hebel war ein eifriger Leser dieses
Almanachs wie sich an zahlreichen Beispielen
feststellen läßt) dürften Hebel besonders aus der
Seele gesprochen gewesen sein; wir können uns
auch1 heute, ja besonders heute nach den blutigen
Lehren zweier Weltkriege der darin ausgespröV
chenen Mahnung unmöglich entziehen:
„'s ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre
und rede du darein!
's ist leider Krieg — und ich begehre
nicht schuld daran zu sein.
Was sollt' ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
und blutig, bleich und blaß,
die,Geister der Erschlagenen zu mir kämen
und vor mir weinten — was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
verstümmelt und halbtot
im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
in ihrer Todesnot?
Wenn tausend, tausend Väter, Mütter, Bräute,
so glücklich vor dem Krieg, 1
nun alle elend, alle arme Leute,
wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch' und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
versammelten, und mir zu Ehren krähten
von einer Leich' herab?
Was hülf mir Krön' und Land und Geld und Ehre?
Die könnten mich nicht freun.
's ist leider Krieg — und ich begehre
nicht schuld daran zu sein!"
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