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Zieht Hebel in einigen Strophen des „Schmelzofens
" nicht die einzig mögliche Folgerung aus
den Versen des Wandsbecker Boten, wenn er den
Aufruf ergehen läßt:
„Und numme keini Sebel meh!
's het gnueg misrabli Chrüppel ge,
's hinkt mengen ohni Fueß und Hand,
und menge schloft im tiefe Sand.
Kein Hurlisbaus, kei Füsiomeh!
Mer hen's Lamento öbbe gseh
und ghört, wie's in de Berge chracht,
und Ängsti gha die ganzi Nacht
und glitte, was me lide cha;
drum schenket i und stoßet an:
uf Völkerfried und Einigkeit
von nun a bis in Ewigkeit!"
Allerdings bestehen auch zwischen den beiden
Dichtercharakteren, so oft und gern man sie aus
naheliegenden Gründen miteinander verglichen
hat, recht deutliche, wie mir dünkt, bezeichnende
Unterschiede. Die summarische Erklärung: „Beide
waren keine aktiven Naturen" genügt keineswegs
. Denn während der Wandsbecker Bote sich
damit zufrieden gab, nach einem frühen Scheitern
im praktischen Berufe lediglich der Herausgabe
seines Kalenders, sonst aber gleich Diogenes in
Tonne zu leben, entzog sich Hebel dem berufstätigen
Wirken, das ihm Lebenselement bedeutete
, nie. Er war, was seine aus kleinen Anfängen
zu hohen Ämtern und Würden emporstrebende
Laufbahn beglaubigt, eine von kräftigen Arbeitsimpulsen
bewegte, in diesem Punkte ganz und
gar nicht „passive" Natur. Für Claudius bildete
bald der Kalendermann die einzige Aufgabe seines
Lebens; für Hebel war dieser im Grunde nur
ein „Nebenberuf", zu dessen Erledigung er sich
die erforderliche Muße unter schweren Opfern
an Zeit und Bequemlichkeit, durch manchen Verzicht
auf Feriengenuß und die geliebten Reisen
abringen mußte, wenn Lust und Freude an der
Arbeit diese hart erkämpften Stunden schließlich
auch zu „Stunden der besten Laune" gestaltet
haben, die herrliche Früchte tragen sollten.
Kurt Ueckert:
(Srnft ©djlritt) - ein leben füc Me Runft
Zum 25. Todestag des Wiesentäler Malers
Es sind jetzt 25 Jahre her, seit
der Wiesentäler Maler Ernst
Schleith in Wieslet zur letzten
Ruhe gebettet wurde. In all
diesen Jahren, in denen es still
um den Künstler geworden war,
hat sich vieles verändert: Sitten
und Gebräuche, das dörfliche Leben
und sogar Weltanschauungen
. Aber die Heimat, das Kleine
Wiesental, ist dasselbe geblieben
. Es ist noch so, wie es uns
der Maler in seinen für ihn so
charakteristischen „ Bleistiftbildern
" verewigt hat, und es ist
für uns in all diesen Jahren
zum ruhenden Pol geworden in
einer gehetzten, unsteten und alle Traditionen
über Bord werfenden Welt.
Ernst Schleith aber ist bei seinen Freunden
unvergessen. So wurde ihm zur Erinnerung im
vergangenen Sommer im Heimatdorf Wieslet ein
Gedenkfindling geweiht und in einer großen
Ausstellung wurde das Werk des Künstlers gezeigt
, angefangen von den ersten Arbeiten auf
der Akademie in Karlsruhe bis zu den letzten
unvollendeten Bildern kurz vor dem Tod. Auf
dieser Bilderschau wurden erstmals auch Zeitungsausschnitte
, Fotografien und sonstige Erinnerungsstücke
des Künstlers gezeigt. So wurde
die Ausstellung, welche von überall her gut besucht
war, zu einem vollen Erfolg.
Der folgende Aufsatz, welcher der Versuch
einer ersten Biographie des Künstlers darstellen
soll, gibt dem Leser einen Einblick in die Jugendzeit
und späteren Werdegang eines eigenwilligen
und doch liebenswerten Menschen, eines
in seiner Einfachheit großartigen Künstlers.
In der Heimat
Wo die Kleine Wiese aus ihrem engen Wildtal
hinaustritt in die weite fruchtbare Talaue,
liegt das freundliche und behäbige Bauerndorf
Wieslet, das seinen bäuerlichen Charakter bis auf
den heutigen Tag bewahren konnte. Weithin grüßt
der stattliche Quaderturm der Dorfkirche mit seinem
hellen Zifferblatt und zeigt den auf Feld
und Acker schaffenden Bauern die Stunde an.
Unweit dieser Kirche stand einst das Haus
des Andreas Schleith, der einen Krämerladen
hatte. In diesem etwas windschiefen und erst nach
dem zweiten Weltkrieg abgerissenen Anwesen
mit dem Lädele wurde der weit über die Grenzen
seiner Heimat bekannt gewordene Kunstmaler
Ernst Schleith am 23. Ma* 1871 geboren.
Sein Vater war der „ehrsame Bürger und Kaufmann
Andreas Schleith", die Mutter hieß Maria
Katharina geborene Oßwald und stammte von
Wies. In der Geborgenheit des elterlichen Hauses
und im Kreis von vier Geschwistern wuchs der
Knabe auf.
Inmitten der gesegneten Landschaft, die ihm
später die zauberhaften Motive für seine Bilder
geben sollte, verlebte der kleine Ernst Friedrich
Schleith eine schöne Jugendzeit. Es war noch
eine geordnete Welt, damals im ausgehenden
19. Jahrhundert, in dem jedes Ding seinen seit
alters her angestammten Platz hatte und wo Tradition
noch ein fester Begriff war.
Ernst Schleith half schon als kleines Kind im
Laden seiner Eltern mit. Die Eltern waren schaffige
Leute. Sie betrieben neben dem Laden noch
eine kleine Landwirtschaft, und der Vater war
ein leidenschaftlicher Imker. Nebenbei hatte er
*
eine Jagd gepachtet und verstand sich auch auf
die Drechslerarbeiten an Spinnrädern. Von der
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