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gen. Nach einem weiteren Winter in der Markgrafenstadt
kam die Abreise nach Karlsruhe, wo
Schleith sein Atelier hatte und wo er von 1910
bis 1912 arbeitete. Er war mit den größten Hoffnungen
nach Karlsruhe gefahren; jetzt wo er in
Berührung mit der Heimat sich selbst gefunden
zu haben glaubte, hoffte er, sich auch in der
Öffentlichkeit stärker durchsetzen zu können.
Aber das Schicksal wollte es anders. Ernst Schleith
erkrankte schwer. Dieser neue Umstand stellte
sich ihm gerade in dem Augenblick in den Weg,
wo er glaubte, entscheidend vorstoßen zu können
. Er wurde fast lebensüberdrüssig.
Freundschaft mit Karl Seith
Lehrer Thiemig, der väterliche und immer
noch in Wieslet tätige Freund, lud Ernst Schleith
im Sommer 1912 wieder ein, nach Wieslet zu
kommen. Der Künstler folgte diesem Ruf. Um
sich von seiner Krankheit zu erholen, bewegte er
sich viel im Freien. Er machte in jener Zeit viele
Spaziergänge mit Karl Seith, dem später bekannt
gewordenen bedeutenden Heimatforscher des
Markgräflerlandes. Schleith und Seith wurden
gute Freunde. Viele Jahre später — 1926 —
charakterisierte Karl Seith seinen Freund Ernst
Schleith in einem Zeitungsartikel: „Sein Wesen
ist dem Lärm des Tages und dem lauten Getriebe
der Welt und der Menschen durchaus abgeneigt.
Auf stillen Wegen sucht er an die Seele der Natur
heranzukommen. Sein unaufhörliches Ringen
gilt dem Ziel, in die Werke seiner Hand das
hineinzulegen, was die Natur draußen offenbart
hat und ihm immer wieder von neuem in beglückender
Fülle darbietet: die Sprache ihrer
Seele in Form und Farbe. Ein Uberblick über
das Schaffen Ernst Schleiths zeigt, daß er zu
keiner Zeit seinem Wesen untreu geworden ist.
Keine Modeströmung, keine noch so moderne
Kunstrichtung vermochte ihn von seinem Wege
abzubringen. Nicht einmal die augenscheinlichste
Not des täglichen Lebens. Sie konnte ihm wohl
Leinwand, Öl und Farbe nehmen, aber nicht das
letzte und einfachste Mittel aller Kunst, den
Zeichenstift. Es ist unserem Maler nicht leicht
gefallen, auf die Ausdrucksmöglichkeit durch die
Farbe zu verzichten; nichts vermag diese Wahrheit
besser zu verdeutlichen, als die zahlreichen
Bleistiftzeichnungen seiner letzten Jahre. Sie
wirken farbig, und diese Wirkung wird erreicht
durch eine bis ins kleinste sorgsam abgewogene
Abstufung der Töne. Neben dem Maler Ernst
Schleith steht unmittelbar der Philosoph, ein
Moment, das bei der eingehenden Betrachtung
seiner Werke wohl zu beachten ist. Eine leise
Melancholie liegt über fast allen Bildern ausgebreitet
; stellenweise prägt sich aber diese Grundstimmung
stärker aus, steigert sich sogar bis zum
ausgesprochenen Pessimismus in manchen Entwürfen
seiner Skizzenbücher, die tatsächlich afi
ein „Letztes" heranreichen. Glücklicherweise führen
aus diesen Tiefen immer auch wieder Wege
und Steige nach oben. Die gütige Mutter Natur
ist ihm stets der heilsame Quell geblieben; Alles
in allem: Was die Besprechungen Behringers und
Oefterings gelegentlich der Karlsruher Ausstel-
I bi dur d'Rebe gange
un ha der Früehlig gseh;
mild waiht der Wind dur d" Gipfel,
frei isch der letzti Zipfel,
frei, frei vo Ys un Schnee!
In jedes Riis stigt 's Lebe,
es suecht sich dausig Weg;
au 's Pfifeholz isch saftig —
der Früehlig chunnt wahrhaftig,
scho macht er Blueme zweg.
Jawohl, 's wird wieder Früehlig!
Der Storch isch au scho do;
un fallt au z'nacht no Rife —,
hörsch nit, wie d'Meise pfife:
Zyt, Zyt, jo d'Zyt isch do!
Aus dem Gedichtband von Fritz Wolfsberger „Zwische Blaue un Rhy"
lung ehemaliger Schüler Hans Thomas gerade an
Schleith hervorheben („eine sympathische Erscheinung
von großer Innerlichkeit und Einfachheit
"), das wissen wir als seine Landsleute, denen
die Motive seiner Zeichnungen lieb und vertraut
sind, ganz besonders zu schätzen. Er bedeutet für
uns mehr als für irgend einen Menschen, dem
unser Oberland fremd ist. Er gibt uns in seinen
Bildern ein Stück Heimat, geschaut mit dem Auge
des Künstlers und verklärt durch den Adel der
Seele".
In seiner vielgeliebten Heimat und im Schaffen
um seine Kunst gesundete Ernst Schleith
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Burgruine Rötteln / Bleistiftzeichnung 1936
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