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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1965-05/0012
Stimmen am Bundestag mit cKer Kraft der Wahrheit
und im Einklang mit dem Geist unserer
Verfassung dahin wirke, daß an die Stelle der
provisorischen Ausnahmegesetze die vollkommene
Entwicklung der den deutschen Völkern
durch die Bundesakte verheißenen Zustände treten
werden, und vertrauensvoll versichern wir,
dann auf den Anklang in den Herzen Ihres ganzen
Volkes zählen zu dürfen."

Der Gedanke der Volkssouveränität richtete
sich keineswegs gegen die Monarchie. Rotteck erklärte
am 2. Dezember 1831 in der Kammer: „Es
gibt keine treuere, loyalere, Fürst und Vaterland
ergebenere Kammer als die badische Volkskammer
." Freilich war klar, daß es jetzt nicht mehr
genügte, für das Volk zu handeln; man mußte
mit . dem Volk handeln. Eine der wesentlichsten
Forderungen war das Verlangen nach Pressefreiheit
. Rotteck und Welker hatten 1831 ein Pressegesetz
durchgedrückt, das die Zensur aufhob. Es
trat am 1. März 1832 in Kraft. Unter dem Druck
des Bundes mußte es wieder aufgehoben werden.
Aber die Begeisterung war allenthalben groß;
man feierte politische Volksfeste: am 28. Mai das
Hambacher Fest, am 11. Juni das Fest zu Badenweiler
.

Neues Leben erwachte erst wieder, als die
Kunde von der Februarrevolution in Frankreich
nach Baden kam. Der Mannheimer Dr. Ladenburg
schrieb am 28. Februar 1848 in sein Tagebuch
: „Der Eindruck dieser so schnell und unerwartet
einbrechenden Ereignisse ist unbeschreiblich
. Hier hat schon am Sonntag (27. Februar)
eine große Versammlung stattgefunden, worin
man Preßfreiheit, Geschworene, Volksbewaffnung
und deutsches Parlament begehrte. Der
letzte Gegenstand wurde durch eine herrliche
Motion meines Freundes Friedrich Bassermann,
welche er am 12. dieses Monats in der badischen
Kammer begründete, durch ganz Deutschland
angeregt."

Eine Unruhe ging damals durch das ganze
Land, besonders im Seekreis, wo Fickler radikal
warb. Aber die Frage ob Monarchie oder Republik
berührte die große Massle nicht. Welcker
riet von allen republikanischen Demonstrationen
ab und erklärte, die Frage, welche Regierungsform
Deutschland in Zukunft haben werde,
müsse von der ganzen Nation entschieden werden
, nicht in einem südwestlichen Winkel
Deutschlands. Eine republikanische Erhebung
war am 19. März an der Offenburger Tagung
noch verfrüht. Aber Hecker lebte im Glauben,
das Volk werdle ihm folgen, wenn er es rufe. Er
unterschied nicht zwischen dem Beifall der Masse
zu seinen Reden und der Bereitschaft, die Waffen
zu ergreifen.

In Berlin hatte der König am 20. März alle
politischen Verbrecher begnadigt. Der Staatsanwalt
erschien im Gefängnis und zeigte ihnen
in einer feierlichen Rede ihre Befreiung an. Die
beiden bedeutendsten Gefangenen, Ludwig von
Mieroslawski, der zum Tode, und Dr. Libelt, der
zu langjähriger Festungshaft verurteilt war, wurden
in einen Wagen gesetzt, der von Menschen

gezogen wurde. Ihm folgten sämtliche entlassenen
Polen zu Fuß mit entblößtem Haupt, von
Mieroslawski hielt eine deutsche Fahne; eine
polnische Fahne hing am Wagen. An der Universität
sprach von Mieroslawski in französischer
Sprache seinen Dank aus und beteuerte im Namen
der freigesinnten polnischen Nation Frieden
und Freundschaft den Deutschen. „Das polnische
Banner", sagte er, „wird nun in Eintracht neben
dem deutschen wehen." Das war am 20. März.
Am 29. März kam Mieroslawski in Posen an und
stellte sich an die Spitze der aufständischen Polen
. In der ersten Maihälfte war der polnische
Aufstand von preußischen Truppen niedergeworfen
. Am 16. Juni 1849 berichtete der Oberbefehlshaber
der Revolutionstruppen: „Am Neckar in
Ladenburg flieht der Feind. Der Oberbefehlshaber
war der Pole Mieroslawski."

Die Ereignisse gingen jetzt in Baden rasch
voran, als Hecker und Struve im Vorparlament
sahen, daß es mit der Republik noch gute Weile
habe. Am 12. April verkündete Hecker in Konstanz
die Republik und zog mit seinen Scharen
über den Schwarzwald nach Kandern, um von
dort nach Freiburg weiter zu ziehen. Wie die
Kampfstimmung war, lesen wir im Tagebuch
des schwäbischen Literaten Theodor Mögling, der
bei Hecker war. Man wußte, daß Truppen gegen
Kandern im Marsch waren. Er schreibt: „Wir
befürchteten die Nacht einen Überfall (durch die
badischen Dragoner), der aber nicht stattfindet;
ich schlafe im Gegenteil sehr gut. Donnerstag, den
20. April, kaufe ich mir eine blaue Bluse, bezahle
nichts im Wirtshause, gebe ein Trinkgeld, nehme
mir von der sehr schönen Tochter einen Kuß und
reise ab." 20. April — der Tag des Gefechts auf
der Scheideck!

Man weiß, daß der Freiherr von Gagern und
Hecker sich auf der Brücke am Ortsausgang von
Kandern trafen. Beide waren nicht auf Kampf
eingestellt; beide versuchten, den Gegner zum,
Aufgeben zu bewegen; beide glaubten an die
Macht des Wortes. Es ist bekannt, daß Gagern
Hecker als Fanatiker bezeichnet hat bei dieser
Unterredung. Karl Mez, der seit 1844 in der badischen
Kammer und seit 1848 in der deutschen
Nationalversammlung mit Hecker, Struve, Brentano
und Welcker zusammen war, erklärte einmal
in der Kammer, als Hecker den Minister gefragt
hatte, wie er sich den Teufel vorstelle, er
glaube an keinen, der Teufel sei „ein von Zorn
und Haß erfülltes Wesen, etwa wie mein Freund
Hecker, wenn er über die politischen Gegner
herfährt."

Noch auf der Scheideck, als sich beide gegenüberstanden
, versuchten die Aufständischen, die
Hessen zu sich herüber zu ziehen. „Schießt nicht
auf deutsche Brüder!" ertönte es. Und als nun
v. Gagern seine Truppen anführte gegen Heckers
Scharen, fielen die ersten Schüsse, die Gagern
den Tod brachten. Nach einem kurzen Kampf
unterbrach man das Gefecht: die Aufständischen
gaben die Leiche von Gagerns heraus, die Hessen
gaben die Fahne der Aufständischen zurück. Die
Leiche von Gagerns wurde in die hessische Heimat
übergeführt. Ein Gedenkstein erinnert an

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