http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1965-06/0006
Dichtung vergeblich nach einer Stelle, aus der
ein intimeres, ein persönliches Verhältnis zwischen
Musik und Musikern spricht, von so vielen
wundersamen Sängern auch berichtet wird. Dagegen
halte man nun wieder Shakespeare, der
eine ganze Reihe seiner finsteren Gestalten ausdrücklich
als musikhassend bezeichnet, in einem
Wort, wie der oft berufenen Stelle aus dem
„Kaufmannn von Venedig" (V. Akt 1. Sz.):
„Nichts ist so stöckisch, hart und voll von Wut,
Das nicht Musik auf eine Zeit verwandelt.
Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst,
Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt,
Taugt zum Verrat, zu Räuberei und Tücken;
Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht,
Sein Trachten düster wie der Erebus.
Trau keinem solchen! — Horch auf die Musik!" —
Das sind die allgemeinen Verhältnisse, die das
Empfinden, die Stimmung erklären, aus der die
moderne Musik im Gegensatz zur mittelalterlichen
herausgewachsen ist. Und zwar die Oper
sowohl, wie das einstimmige Lied, wie die Instrumentalmusik
. Auch bei dieser besteht in der
Hinsicht kein Unterschied zwischen der des Konzertsaals
und der des Hauses. Dem letzteren
fehlte aber zunächst noch das Instrument. Doch
bewahrheitete sich auch hier die Erfahrung, daß
der Menschengeist das erfindet, dessen er bedarf.
Denn um diese Zeit entwickelte sich aus Orgel
und Laute und alten dürftigen Saiteninstrumenten
das Klavier, das von jetzt ab bis auf den
heutigen Tag der vornehmste Vermittler der
Hausmusik geblieben ist. Wie aus dem kleinen
Spinett und dem bescheidenen Klavichord das
Hammerklavier und der Flügel wurden, so wuchs
auch die Hausmusik aus einfachen Tänzen und
kindlichen Volksliedern zu der die tiefsten Probleme
ergreifenden Tonwelt eines Bach und
Beethoven.
Es ist zunächst eine seltsam berührende Erscheinung
, daß nicht die menschliche Stimme
zum wichtigsten Förderer und Träger der Hausmusik
geworden ist, sondern ein Instrument.
Denn wenn Musik der gesteigerte Ausdruck
menschlichen Fühlens ist, so ist es doch eigentlich
auch natürlich, daß der Mensch in Augenblicken
, die ihn zum musikalischen Ausdruck
dränigen, zu dem ihm zunächst liegenden Musikmittel
greift, und das ist doch die Stimme. So
war es wohl immer und so ist es auch heute: die
einstimmige Melodie, die du dir nach eigener
Erfindung vorträllerst oder die dir, als deinem
Gefühl entsprechend, in den Sinn kommt, ist der
natürlichste und nächste Ausdruck der musikalischen
Stimmung des einzelnen. Das Volkslied
aller Zeiten und Nationen ist einstimmig, und
vom einstimmigen Gesang ist auch alle Musik-
entwicklung ausgegangen. Immerhin ist hier zu
bemerken, daß von unergründbarer Zeit an auch
die Instrumentalmusik vorhanden ist, und sei
es auch nur in der denkbar rohesten Form als
Schlag- oder Rasselzeug zur Festlegung des
Rhythmus oder zur betäubenden Lärmentwicklung
. Die Musik hat sich, wie alle andern Künste,
aus der um und für den Augenblick geborenen
Stimmungsäußerung zum Kunstwerk entwickelt,
Wir haben zwei unsrer Mitarbeiter herzliche Glückwünsche
auszusprechen:
Frau Hedwig Salm, die 75jährige Dichterin, vermochte
es, in einem tapferen Leben schweres Schicksal zu
tragen und in ihrer Dichtung überwindend zu verklären. Die
Gemeinde Hausen verlieh ihr an ihrem Hebelabend die
Hebel-Gedenkplakette 1965. Wir freuen uns mit ihr.
Unser Mitarbeiter Kreisoberschulrat i. R. Fritz Kuhn,
Lörrach, vollendete in diesem Monat sein 70. Lebensjahr.
Sein Beitrag in dieser Nummer der „Markgrafschaft" beweist
uns, wie ungeschwächt seine Arbeitskraft und sein
Forschen geblieben sind. Wir dürfen uns zum Sprecher der
Heimat machen und ihm mit unsern guten Wünschen herzlich
danken. Konstantin Schäfer
~ ~ ~ ~ ~ ....... ' li_ »i '!_ in' > in ~ Ii H~...... "......~.......~li Ii H H ~.....~.....» ..........> i H . i i». Iii, i i' H i ..... ■■ ......" »Ii i i " > ~ n ~ i i ' i " " i
das im Gehalt aus der persönlichen zur typischen
Bedeutung, in der Form aus der mehr zufälligen
Improvisation zur kunstvollen, im ganzen und
in den einzelnen Teilen harmonischen Gestalt
gelangte.
Es ist leicht zu verstehen, daß man, als nun
die Musik ins Haus übernommen wurde, sich an
das bereits Vorhandene, also an die polyphone
Vokalmusik hielt. Andererseits darf eine Hausmusik
nicht zu viel technische Voraussetzungen
haben. Wären in jedem Hause vier Sänger, die
die vier Grundstimmen vertreten können, so
könnnte auch die polyphone Vokalmusik Hausmusik
werden. Hätte man überall ein Streichquartett
gehabt, so hätte man die glatte Uber-
tragung spielen können. Man erkennt aus diesen
Unmöglichkeiten, daß schon rein aus technischen
Gründen ein Instrument nötig wurde, das allein
für alles ausreichte. Da war nun die Orgel, aber
sie war viel zu schwerfällig; außerdem hatte man
die Laute, die ihrerseits zu wenig ausgiebig war.
So fiel der Verbindung von Tasten- und Saiteninstrument
, dem Klavier, die Rolle zu.
Äußere Gründe hätten zu einer solchen Entwicklung
nicht gereicht, sonst wäre sie sicher
auch schon früher eingetreten. Das Wichtigste
war die geistige und seelische Stimmung der
Zeit, die wir oben geschildert haben. Die Musik
wurde den einzelnen jetzt notwendig, darum
mußte auch ein einzelner sie ausführen können.
Die einzelne Singstimme ist unfähig, entwickeltere
Kunstgebilde wiederzugeben, außerdem
kann man sehr nach Musik verlangen, ohne zum
Singen aufgelegt zu sein. Auch hier leuchtet die
Notwendigkeit des Instruments ein. Die Geige
aber ist im Grunde in derselben Lage wie die
Menschenstimme, sie ist im wesentlichen auf die
Führung einer Melodiestimme beschränkt. Es
mußte ein Instrument sein, das die ganze Tonwelt
umfaßte. Beim Klavier war es der Fall. Und
nun kam hinzu, daß das Klavier dem Charakter
der neuen Musik sehr entgegenkam, daß es für
die akkordhafte Begleitung einer herrschenden
Melodiestimme äußerst günstig veranlagt ist.
So sehen wir, wie geistige und technische
Gründe zusammenwirkten, daß die Hausmusik
zunächst eine instrumentale, daß ihr vornehmster
Träger das Klavier werden mußte.
4
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1965-06/0006