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Wissenschaftlichkeit lasse sich an der Unlesbarkeit und
Ungenießbarkeit des Textes ermessen.
Hagen Keller stellt die Aufgabe unter drei Themen:
„Wie entstand dieses Königskloster, was war seine besondere
Eigenart, und welche Rolle spielte es in seiner Umwelt
?" In diese logische Reihenfolge gliedern sich die Abteilungen
des Buches. An der Darstellungsweise fesselt
besonders, daß der Verfasser den Leser an der Forschungsmethode
teilnehmen läßt, daß er nicht das fertige Forschungsergebnis
darbietet, sondern Schritt für Schritt darauf
zuführt. Bei der Verfolgung der Entstehungsgeschichte
des Klosters öffnen sich Ausblicke in weite Zusammenhänge
zu den großen Fürstengeschlechtern um die Jahrtausendwende
, durch den eigentlichen Gründer Eberhard
(934) zu den „Eberhardinern" im Elsaß und durch den
unglücklichen, von den Gegnern Heinrichs I geblendeten
Benno, des Bischofs von Metz, zu der schwäbischen Herzogsfamilie
. Als Propst Eberhard von Straßburg zur Mein-
radszelle kam, hatte sich bereits ein kleiner Kreis von
Gläubigen um den resignierten Bischof Benno gebildet,
der sich nach seiner Blendung wieder in seine Ausgangszelle
zurückgezogen hatte. Diese ersten bekannten Einsiedler
stammten alle aus dem Weltklerus. So suchte Eberhard
im Kloster St. Gallen, als einem der bedeutendsten
Klöster der damaligen Zeit, ein hervorragendes Vorbild.
War St. Gallen das Vorbild für die Form des klösterlichen
Lebens in Einsiedeln, gab Meinrad, der seine eigene Formung
auf der Reichenau erhalten hatte, der neuen Klostergemeinschaft
die Grundlage des religiösen Lebens. Hier
in seiner Einsiedelei hatte Meinrad 861 den Märtyrertod
erlitten. Bereits 947 war Einsiedeln „ein Kloster mit Abt,
gemeinsamem Leben nach der Regel, mit Wahlrecht und
Königsschutz". 968 starb Eberhard. Unter den Nachfolgern
war Gregor (961—996) der bedeutendste. Neben Eberhard
war Herzog Hermann von Schwaben als Mitgründer des
Klosters zu betrachten, dem es „materielle Unterstützung,
Sicherheit und Förderung" verdankte. „Durch ihn kam
Einsiedeln in Verbindung mit dem König, wurde Königskloster
und erhielt so die Garantie einer Kontinuität, die
über den Tod der Stifter hinaus dem Kloster Sicherheit
verlieh und eine Wirksamkeit nach außen ermöglichte".
Im zweiten Abschnitt untersucht der Verfasser das
innere Leben der Klostergemeinschaft. Uber den Einsiedler
Konvent des 10. und 11. Jahrhunderts ist nur wenig
überliefert. Auf Eberhard folgten als Äbte Tietland, Gregor
, Wirunt, Embrich, der gleichzeitig das Kloster Ottobeuren
inne hatte, und Hermann. Um die Mitte des 10.
Jahrhunderts war der hl. Wolf gang als Mönch und Lehrer
in Einsiedeln, der später als Bischof von Regensburg einer
„der bedeutendsten Männer im damaligen Reichsepiskopat
" wurde. Außer den zahlreichen Königsurkunden finden
sich nur wenige Aufzeichnungen, die über das Leben
im Einsiedler Konvent Aufschluß geben würden. So ist es
neben Gebäuderesten und Gegenständen des täglichen
Lebens vor allem die Bibliothek, die gerade hier besser
erhalten blieb als in vielen andern Klöstern. Man erkennt
aus den fast ausschließlich theologischen Texten, die im
Scriptorium geschrieben wurden, die rein religiösen Motive
zur Gründung des Klosters. Es ist unmöglich, im Rahmen
einer kurzen Besprechung die außerordentlich reichhaltige
Darstellung der Bücherproduktion, der einzelnen
Handschriften, Nekrologe, Kaiendarien und Annalen ausführlich
nachzuzeichnen. Es läßt sich aus ihnen die ganze
Weite des Beziehungsraumes ermessen. Als durch die
Raubzüge der Sarazenen das Kloster Disentis zerstört worden
war (wir möchten hier auch auf die 1942 im Benziger
Verlag Einsiedeln erschienene „Disenter Klostergeschichte"
von Iso Müller hinweisen), kamen auf dem Weg über
Zürich auch rätische Mönche von dort nach Einsiedeln.
Auffallend ist es, daß ganz im Gegensatz zu den Äbten
des Klosters Cluny, die im Rahmen ihrer monastischen
Reformen einen gewissen Klosterverband aufbauten, die
Einsiedler Äbte sich nie um die Einrichtung eines Klosters
außerhalb des eigenen bemühten. „ ... wahres Mönchtum
zu verwirklichen, den großen Vorbildern asketischer Weltflucht
nachzuleben und die Gebote der Regel in dem
Geiste zu erfüllen...", war das Ziel Einsiedeins. „So
konnte Einsiedeln selbst Zentrum einer Erneuerung werden
..."
Mit der Politik Ottos des Großen wurde auch dem Königskloster
Einsiedeln sein Platz angewiesen. Der Verfasser
schreibt: „Einsiedeln verdankt diese Stellung der
engen Bindung an den alemannischen Herzog; mit ihm
zusammen wurde das Kloster vom König für politische
Aufgaben herangezogen." Durch reiche Schenkungen wurden
Herzog und Kloster noch fester miteinander verbunden
. Im Breisgau lagen die Güter des Klosters bei Riegel
„in der Nähe des Übergangs Sasbach". Abt Gregor ist
mehrmals am Königshofe bezeugt: „975 in Erstem, 980 in
Helfta, 984 in Ingelheim, 992 in Frankfurt, vielleicht auch
996 in Bruchsal". In Ingelheim weilte er bei der Kaiserin
Theophanu. Anhand einer Eintragung im Verbrüderungsbuch
der Reichenau weist der Verfasser die Beziehungen
des Klosters zu einer Reihe von namentlich genannter
Personen nach, deren Lebensumstände er untersucht. Als
Schenker wird auch Graf Landold, ein Großvater Herzog
Bertholds von Zähringen, genannt. Hierzu schreibt Keller:
„Auf Grund zahlreicher Adelsgruppen aus den Gedenkbüchern
von Reichenau und St. Gallen kann ich sicher
nachweisen, daß die Gleichsetzung des Grafen Berthold
vom Thurgau, des Vorfahren der Zähringer, mit dem
Breisgaugrafen Pirhtilo falsch ist; ... so besteht kein Anlaß
, die Angabe des Liber Heremi, Landold sei Großvater
Bertholds von Zähringen gewesen, zu korrigieren." Durch
seine Stellung als Königskloster war die Ausstrahlung
Einsiedeins in das monastische Leben des Reiches gegeben
. Einsiedler Mönche leiteten zur Regierungszeit Heinrichs
II. die Klöster Pfäfers, Disentis, Ellwangen, Tegernsee
, Hohentwiel und Petershausen.
Die Zeit des Investiturstreites brachte eine Änderung
der Lage des Klosters mit sich. Das Mönchstum, das in
Einsiedeln gelebt wurde, unterschied sich wesentlich von
der militanten Form des übrigen benediktinischen Mönch-
tums. Mit seiner Verbindung zu den Mächtigen des Adels
verlor es auch den Schutz, der ihm eben ein Leben der
erstrebten Weltflucht ermöglicht hätte. Mit dieser Änderung
der Umstände, nachdem die Verbindung zu den
Spitzen des Reiches sich gelöst hatte, Klosterreform und
Königtum ihren Glanz verloren hatten, waren die Grundlagen
für die Bedeutung Einsiedeins nicht mehr gegeben.
Keller schließt seine Betrachtungen mit den Sätzen: „Die
Mönchsgemeinschaft blieb ihrem Vorsatz der Weltentsagung
treu und wurde darin auch von den Großen der
Umgebung respektiert. Sie bewahrte ihr beispielhaftes
Leben, als Kloster und Konvent längst dieser Gunst entbehrten
, die ihnen im ersten Jahrhundert ihrer Geschichte
gegeben war." Soweit die Darstellung des Klosters, seiner
Gründung, seines Wesens und seiner Ausstrahlung.
In einem reichen Anhang bringt der Verfasser umfangreiche
sorgfältige Betrachtungen: Noten zur Einsiedler
Consuetudines — Handschrift, eine Beschreibung von
Mönchsgewohnheiten aus dem 10. Jahrhundert; Untersuchungen
zu einem Nekrolog, das sich wahrscheinlich
bereits seit dem 12. Jahrhundert in Einsiedeln befand;
und schließlich eine Betrachtung über das Jahreszeitbuch
des Liber Heremi.
Wie gründlich und gewissenhaft der Verfasser seine
Aufgabe löste, zeigen allein schon die 302 Fußnoten des
Hauptteils und die 181 Fußnoten des Anhangs. Ein alphabetisches
Register zum Nekrolog in Cod. Eins. 319; Druckortangaben
der Nekrologien; Abkürzungsverzeichnisse und
ein umfangreiches Register erhöhen den Wert dieses Werkes
. Alles in allem: Verfasser, Herausgeber, Stifter und
Verlag sei Dank für diese wertvolle Gabe.
Konstantin Schäfer
Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte Band XIII Hagen
Keller: Kloster Einsie^eln im ottonischen Schwaben. Eberhard Albert Verlag
, Freiburg, 1964. 189 Seiten, kart. 17,40 DM.
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