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nehmen zu erflehen. Der „Sternen" war seit
Jahrhunderten immer wieder der Versammlungsort
, wenn der gräfliche Grundherr die Vertreter
seiner drei Gemeinden Breitnau, Steig und Hinterzarten
zur „Tagfahrt" berief, und der Sternenwirt
war stets einer der angesehensten Männer
im weiten Rund. Eingehend berichtet Liehl,
wie der Sternenwirt Faller und der Kreuzwirt
Rombach gemeinsam den Weg durch die Ravennaschlucht
anlegten. Er erzählt auch, daß Großvater
Fidelis Faller, der 1863 starb, als Revolutionär
von 1848 vier Jahre im Ausland leben
mußte. Er war ein Demokrat von echtem Schrot
und Korn. Nach Mitteilungen von Ratschreiber
Kienzier, Breitnau (Höllsteig zählt zur Gemeinde
Breitnau), befand sich schon der Vater von
Fidel Faller im Besitz des „Sternen", vermutlich
waren die Faller schon zu Zeiten Goethes Besitzer
dieses einst so hochangesehenen Gasthofes.
Welches waren die näheren Umstände von
Goethes Fahrt ins Höllental?
Am 28. August 1779 feierte Goethe seinen
30. Geburtstag. Aus diesem Anlaß wurde er von
seinem Herrn und Freund Herzog Karl August
zum Geheimrat ernannt. Im Anschluß an diese
Feier trat er im Herbst des gleichen Jahres gemeinsam
mit Karl August und dem Oberforstmeister
Otto von Wedel seine zweite Schweizerreise
an. Diese führte über Kassel zunächst nach
Frankfurt, wo er bei seinen Eltern wohnte, sodann
am 23. September nach Heidelberg, wo er die Zeichnung
des gesprengten Turmes angefertigt hat.
Am 25. September kam er nach Straßburg,
von dort reiste er nach Sesenheim, wo er Familie
Brion einen Besuch abstattete. Am folgenden
Tag besuchte er in Straßburg Lili von Türckheim
geb. Schönemann. Am 27. September kam er in
Emmendingen an, wo er in der Familie seines
Schwagers und Frankfurter Jugendfreundes Johann
Georg Schlosser zu Gast war. Er notierte
dort in einem Brief an Charlotte von Stein:
„Hier bin ich nun nahe am Grab meiner Schwester
; ihr Haushalt ist wie eine Tafel, worauf
eine geliebte Gestalt stand, die nun weggelöscht
ist. Die an ihre Stelle getretene Johanna Fahimer
, mein Schwager, einige Freundinnen sind
Gasthof z. „Sternen" in Höllsteig / Foto: Christian Ziegert, Lahr, stud. ph.
mir so nah wie sonst. Ihre Kinder sind schön,
munter und gesund. .. Von hier, wird's nun auf
Basel gehen. Den 27. früh sind wir von Straß-
burg abends hier angekommen."
Über den Abstecher ins Höllental sind wir
unterrichtet durch den Bericht von Bode. Ob
Goethe auf der Fahrt , von Freiburg nach Bäsel
in der Alten Post zu Müllheim einkehrte, ist
wohl möglich, aber nicht gewiß. Der Goetheforscher
Dr. R. Blume schrieb im Goethe jähr
1932 in einer Arbeit „Goethe und der Breisgau"
(erschienen in der Bilderschau der Freiburger
Zeitung): „Auf seiner zweiten Schweizer Reise
(September/Oktober 1779) kehrte Goethe in der
„Post" zu Müllheim ein." Freilich bringt er keine
Belege dafür. Blume brachte in seinem Bericht
auch ein Bild der Müllheimer Post und erinnert
an Hebels Gedicht: „Z'Müllen an der Post. .."
Aus der von Freiherrn von Biedermann herausgegebenen
Chronik von Goethes-Leben (Insel-
Verlag) erfahren wir, daß Goethe am 16. Oktober
in Bern ankam, am 28. Oktober in Genf, wo er
von Jens Juel porträtiert wurde. Am 20. November
finden wir Goethe in Zürich bei Bodmer und
Lavater. Dort wurde er von Johann Heinrich
Lips porträtiert. Am 7. Dezember kam der Dichter
nach Schaffhausen, vom 12. bis 18. weilte er
in Stuttgart. Über Karlsruhe, Mannheim und
Darmstadt kehrte Goethe nach Weimar zurück,
wo am 7. Januar 1780 das neuerbaute Schauspielhaus
eröffnet wurde.
Schwarzwaldverein und Landesverein Badische
Heimat bemjihen sich, gemeinsam mit der Universitätsbibliothek
Freiburg, mit der Gemeindeverwaltung
Breitnau, sowie der Kreisverwaltung
Freiburg, das Andenken an Goethes Besuch im.
„Sternen" wachzuhalten durch Schaffung einer
Gedenktafel sowie durch Einrichtung ein£r
schlichten Goethe - Stube. Das Freie Deutsche
Hochstift zu Frankfurt am Main (Goethehaus)
stellt ein Bildnis von Luise Schlosser (genannt
Lulu) zur Verfügung. Das Goethehaus zu Weimar
hat eine Wiedergabe der Zeichnung jenes
„Felsen im Höllental" . von Goethe in Aussicht
gestellt. Auch alte Ansichten des Gasthofs zum
„Sternen" konnten beschafft werden. Das Gasthaus
ist die einzige ;, Goethe - Einkehr" in Südbaden
, die noch heute in Betrieb ist.
Darf noch bemerkt werden, daß im letzten
Jahrhundert der englische Schriftsteller Anthony
Trollope alljährlich längere Zeit in den Sternen
kam, und daß Emil Gött als Student mit seinem
Freund Ferdinand Mücke auf seinem Fußmarsch
von Freiburg nach Göschweiler am 14. Juni 1Ö86
hier einkehrte.
"Von Goethes Zeiten bis zum Jahre 1918 gehörte
der Gasthof der Familie Faller. 1918 ging*
er in badischen Staatsbesitz, 1962 an Ernst Riedmüller
über. Heute sind Rudolf Kohnen, Walter
Henkes und Harry Güldenring gemeinsam Besitzer
der historischen Gaststätte im Höllental.
Heinz Welling aus Nordrhein - Westfalen stammend
, ist Pächter des „Sternen". — Möge auch
in der Zukunft ein „guter Stern" über dieser
„Goethe-Einkehr" stehen!
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