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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1965-08/0005
Freiburger Antiquariats bekam ich angeboten:
„Der Glöckner Gottes" (Matthias Claudius) von
Hermann Vortisch. Ich bestellte das Buch, bekam
es und legte es beim nächsten Besuch Frau Grünberg
vor. Erfreut teilte sie mit: „Oh, mein Vater
hat noch mehr geschrieben!" Ich holte den
„Kürsdmer" von 1943 her; darin stand Hermann
Vortisch mit 24 Buchtiteln. So gelangte ich zur
Kenntnis seines Gesamtwerkes, denn die Tochter
besaß natürlich alle Bücher ihres Vaters.

Lörrach aber ist mir seitdem auch die Stadt
Hermann Vortischs. Und nun durfte ich nicht
zögern. Eines in jeder Hinsicht wirklich schönen
Tages im vergangenen Frühsommer unternahm
ich einen Abstecher nach der lockenden Stadt.
Ich erlebte dort alles, was ich erwartet hatte.

Freilich will und kann ich hier an dieser Stelle
keine Beschreibung des Lörrach von heute liefern
, sondern möchte nur versuchen, etwas von
meinen Eindrücken wiederzugeben. Wie nicht
anders vorauszusehen war, fand ich eine sehr
betriebsame Stadt, als ich meinen Fuß hineingesetzt
hatte. Vorsicht bei Übergängen! Wie anderswo
überall. Ich erinnerte mich an das nicht
minder gefährliche Gengenbach, meinen sommerlichen
Stammsitz seit einer Reihe von Jahren
. Dort hat man begonnen, eine höchst nötige
Umgehungsstraße zu bauen; vielleicht ist sie inzwischen
fertig geworden.

Auf dem Weg vom Bahnhof her sah ich mich
vor dem von Grünanlagen umgebenen, ein wenig
steif wirkenden Hebel-Denkmal. Eine Strecke
weiter stadteinwärts stellte ich fest, daß auf
einem großen freien Platz Betonmischmaschinen
mahlten und sich die Zähne von Baggern in die
Erde fraßen. Dort hatte einmal der „Hirschen"
gestanden, ehrwürdiges Baudenkmal und Zierde
des alten Lörrach. Nun soll dort ein riesiges
Kaufhaus erstehen; allen Einwänden der Malhüter
zum Trotz wurde der Hirschen abgerissen.
Der Widerspruch dagegen hatte sich bis nach
Norddeutschland erstreckt; auch in dem in Hamburg
erscheinenden Liljeschen „Sonntagsblatt"
hatte ich davon gelesen. Von den alten Gasthäusern
Lörrachs sind immerhin noch der „Storchen
", der „Schlüssel" und der „Bären" vorhanden
. Von der Gedenktafel am Hebelhaus las ich
mit der angebrachten Ehrfurcht ab: „Hier in diesem
Haus wohnte und lehrte Johann Peter Hebel
von 1752 bis 1763."

Uber das „Doktorhaus", die Wohnung Hermann
Vortischs, konnte mir keiner etwas sagen,
den ich danach fragte; später stellte ich fest, es
sei das Haus Schützenstraße 26.

Es umfing mich der altertümliche Burghof. An
einem seiner Gebäude stand „Heimatmuseum".
Gern wäre ich hineingegangen, indes reichte
meine Zeit nicht zu einer Besichtigung aus.
Außerdem war kein Besuchstag. Zwar wurde auf
einem Türschild angeraten: Bei besonderen Fällen
klingeln! Ich hielt mich jedoch für keinen
besonderen Fall.

Dann ging es über abschüssige Straßen hinab
zur Wiese. Da verweilte ich nun lange auf der

Brücke und ?ah den so lebendig besungenen Fluß
unter meinen Füßen dahinröllen:

„Feldbergs liebligi Tochter, o Wiese,
bisch mer Gottwilche!"

Sie strömte ziemlich lebhaft, die gute Wiese;
poetische Romantik indes war hier am Unterlauf
und zwischen den Häusern nicht mehr von ihr
zu verlangen. Dazu müßte man sich höher ins
Wiesental hinaufdenken, und man müßte Hebels
Gedicht auswendig dazu hersagen können.

Ich ging im alten Stadtkern hin und wider.
Wie ersichtlich sind auch dort im Laufe der Zeit,
wie es nicht anders sein konnte, mancherlei Veränderungen
eingetreten, nicht immer zum Vorteil
des Stadtbildes. Trotzdem gäbe es, beispielsweise
für die Herstellung zusagenderer Ansichtskarten
als angeboten werden, manchen malerischen Win-«
kel zu entdecken. Es bedürfte nur eines Lichtbildners
mit dem Blick dafür. So begnügte ich
mich mit einer farbigen Bildkarte des alten
Schlosses Rötteln, um sie an die Lörracherin in
Oldenburg heimzuschicken.

Im Cafe Pape konnte ich mich nicht enthalten,
den Inhaber danach zu fragen, wie dieser typisch
norddeutsche Familienname hierher ins Mark-
gräflerland und nach Lörrach gelangt sei. Ich erfuhr
, schon der Großvater, von Köln kommend,
habe sich hier niedergelassen. Schließlich saß
ich im „Bären" nieder, zu einem Viertele 62er
Auggener.

Damit wären meine Lörracher Erlebnisse erschöpft
, und was ich davon hier niedergeschrieben
habe, mag dürftig genug erscheinen. Dessen
ungeachtet habe ich doch starke und tiefe Eindrücke
empfangen, mir zur unvergeßlichen Erinnerung
. Habe ich doch nicht nur den Schemen
des Dr. Heinrich Reuter beschworen, sondern
erst recht die Gestalten neben mir einherschrei-
ten gefühlt, die dem wirklichen Leben angehört
haben: Johann Peter Hebel, Hans Thoma und
Hermann, Vortisch.

Auf der Rückfahrt fand ich im Abteil denselben
freundlichen Mann vor, mit dem ich bereits
auf der Hinfahrt von Basel her zusammengesessen
hatte, und wir kamen abermals ins
Gespräch, wobei er lebhaften Anteil für meinen
Besuch in Lörrach bekundete, mich ausfragte
und sich erzählen ließ. Von Hermann Vortisch
freilich hatte er nie etwas gehört oder gelesen.
Dennoch1 entdeckte mein Reisegefährte einen Anknüpfungspunkt
, indem er berichten konnte, auch
er habe, wie ich über Vortisch mitgeteilt hatte,
Rückfälle von Malaria, nachdem er sich diese im
Orient und auf dem Balkan zugezogen hatte.

Das war immerhin etwas. Und Arzt war mein
Gegenüber gleichfalls.

*

In meinem heimischen Oldenburg lag einige
Zeit später ein Gegenstand des Gedenkens an
Lörrach vor mir, wo der große, schwere und etwas
verstaubte Packen Papier früher gelegen
hatte, der nun an mich herangebracht war: Nämlich
das Buchmanuskript Hermann Vortischs über
Jung-Stilling, eine Persönlichkeit, die sich der

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