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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1965-08/0015
wahrhaft entsetzliche Verfälschung! Zieht man das
Spirituosen-Jahrbuch von 1964 zu Rate, so steht
dort zu lesen: „Zibarte (auch Zipparte), eine im
Schwarzwald wild wachsende, auch sonst in Süddeutschland
vereinzelt anzutreffende Pflaumenart
mit blauen oder gelben Früchten; liefert
hochwertigen Branntwein." Das ist nicht viel, es
fehlt die präzise botanische Bestimmung, es fehlt
ein Hinweis auf den Namen. Fragt man in Freiburg
selber nach, so will keiner Wort oder Wasser
kennen, doch schon in Günterstal kann einer
erwidern: „Zibärtli?" ja, die kenne er wohl, es
seien kleine gelbe Pflaumen, „Schnapspflümli"
oder nach ihrem Herkunftsort auch „Wagenstädter
" geheißen. Wagenstadt liegt wenige Kilometer
nordöstlich von Kenzingen im Breisgau,
und daß dort Pflaumen wachsen, bestätigt selbst
ein Buch über den Weinbau: In Wagenstadt werden
außer Reben „Tabak und Obst gebaut; die
Wagenstädter Pflaume hat einen guten Ruf"
(Weinland Baden-Württemberg). Bei meiner ersten
leibhaftigen Begegnung mit dem Zibärtle in
einer Freiburger Brennerei stellte sich freilich
bald heraus, daß die kleinen Pflaumen nicht aus
Wagenstadt, sondern aus dem Schwarzwald kommen
. Sie wachsen dort wild auf den Höhen (unser
Spirituosen-Jahrbuch hat recht!), und wenn
im Herbst der erste Reif über sie herabgegangen
ist, werden sie von den Einheimischen geerntet
und in die Brennerei gebracht. Dort frieren sie
in ihren Fässern dem Frühjahr entgegen und
werden nach dieser Beize im Spätwinter gebrannt
. Wir sind im Weinland, die Eisweine,
deren Trauben ein paar Tage Frost hinter sich
haben, mögen bei diesem Verfahren Pate gestanden
sein, ich weiß es nicht; jedenfalls wird hier
das Schnapsbrennen so ernst genommen wie der
Weinbau.

Es ist nicht wahr, sagt Lessing, daß die kürzeste
Strecke immer die gerade ist, und es wäre
falsch, wollte man den Namen Zibärtle in Analogie
zur Litfaßsäule von einem Mann namens
Zibart ableiten, der Name Zibarte kommt vielmehr
von Zypern. Alle Verkleinerungsformen
wie Ziberle, Zibärdle, Zipperli, Zipperle, Zibärtli,
Zipetle, Zibele, Ziwerle etc. sind Ausdrücke für
ein und dasselbe, für die Ziper. Was über sie zu
sagen ist, steht fein säuberlich im letzten Band
des Grimmschen Wörterbuch, aber dort nachzuschlagen
fällt einem natürlich erst ein, nachdem
man sich bereits die Mühe gemacht hat, ein halbes
Dutzend Mundartwörterbücher durchzublättern
. Nach Grimm ist die Ziper botanisch nichts
anderes als die prunus insititia und sprachlich
der „alemannische Name der Schlehenpflaume,
nach Cypern benannt, woher sie stammt, wie
auch ihr namentlich mitteldeutscher - niederdeutscher
Name Krieche, Kreke auf Herkunft aus
Griechenland weist." Schon HeinrichWittenwiler
empfiehlt sie in seinem spätmittelalterlichen
Epos „Der Ring" als Mittel zu einem nicht sehr
rühmlichen Zweck, und Paracelsus verweist in
seinen Schriften wiederholt auf das „zicktbert-
lein", das „in se maximum arcanum habet". In
Fischers Schwäbischem Wörterbuch findet man
neben einem Kinderspruch aus der Gegend von
Ehingen:

Zibärdle brocke und die Stiel staun lau,
Vaterunserle bete und 's Schwöre sei lau,

als volkstümliche Redensart den liebevollen Vergleich
„der sieht aus wie e gspieene Zipperle",
während man andernorts zu wissen glaubt, eine
Zipper gebe „neun Fürz" (Birlinger, Wörterbuch
zur Volkstumskunde). Man sieht, das Zibärtle
ist alt, und wie schon Wittenwiler und Paracelsus
so weiß auch der Volksmund auf die ihm
eigene drastische Art darüber zu berichten. Das
hindert aber nicht, daß das aus der Ziparte gebrannte
Wasser vorzüglich ist, und wer nach
Freiburg kommt, sollte nicht versäumen, sich in
der Unterscheidung der Geister zu üben.

Rieple, Donaueschingen: (g^Q^^Zt C^CigeHbaUFUnft

Die Kargheit der Schwarzwaldhöhen zwang
schon vor langer Zeit die Bewohner dieses Berglandes
, neben Holz- und Landwirtschaft einen
anderen Broterwerb zu suchen. So entstanden in
den abgelegenen Tälern aus primitiven Anfängen
heraus, genährt durch die Neigung des Schwarz-
wälders zum Basteln und Spintisieren, verschiedene
Nebenerwerbszweige (wie das Uhrmacherhandwerk
, das im Laufe der Jahre zu einer blühenden
Industrie heranwuchs), darunter auch der
Geigenbau, der da und dort im Schwarzwald aufkam
, geht auf dieselben Ursachen zurück. Nur
blieb es dieser Kunst versagt, eine ähnliche Verbreitung
zu finden wie zum Beispiel die Herstellung
von Uhren. Das hat seinen Grund darin,
daß es zum Bau von Geigen noch einiges mehr
bedarf, als nur handwerkliches Können. Ein Geigenbauer
muß, wenn er Überdurchschnittliches
schaffen will, etwas von der Begnadung eines

Künstlers haben. Es muß ihm ein Stück von
jener schöpferischen Kraft innewohnen, die in
einer edeln Plastik, einer Komposition oder einem
Gemälde lebt. Schon bei der Wahl des Holzes
sollte er von sicherem Instinkt geleitet werden
, damit er aus der Vielzahl der Bäume jenen
einen auszuwählen vermag, dessen Holz, das
20 bis 30 Jahre lagern muß, die erforderlichen
klanglichen Eigenschaften besitzt. Darüber hinaus
muß er nicht nur mit dem Schnitzmesser
umgehen können, sondern auch einen ausgesprochenen
Formensinn besitzen, um mit intuitiver
Einfühlungsgabe jene Geigenform schaffen zu
können, die in einem mit nüchternen Zahlen
nicht errechenbaren Verhältnis zum Klang des
Instrumentes steht. Auch die Zusammensetzung
des Lackes, mit dem die Geige überzogen wird,
erfordert altes Wissen oder langwierige Versuche.
Denn die Lackierung muß so beschaffen sein,

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