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Zu Paula Hollenwegers alemannischen Gedichten
Kleines Porträt der Heimatdichteirin
Paula Hollenweger gibt selbst das beste Selbstbildnis
mit ihrem Spruch: „I will nit meh sii,
as i bi, / doch was i bi, das löön mi si" (115).
Selbstbewußt und doch bescheiden, schlicht in
allem klaren Wissen um Weg und Ziel steht sie
hier vor uns, wie sie überhaupt aus jeder Zeile
ihres dichterischen Werkes spricht. Auch der
Dichter darf nicht alles ernten, was er säte.
Auch er feilt, hobelt, siebt unablässig an seinem
Werk. Er weiß sich selbst gesiebt, gewogen und
gemessen mit den größten Maßstäben. Das weiß
auch Paula Hollenweger, wenn sie an den Beginn
ihrer Sammlung stellt: „Vum Spirüüer falle
d Cherne, ,/ guet isch, was übrig blibt" (11). Es
ist viel Gutes übriggeblieben, was die Probe bestand
und uns jetzt als reiche Ernte von Beobachtungen
und Bildern, Gedanken und Stimmungen
in diesem schmalen Bändchen „Markgräflerland,
du Land am Rhii" vorliegt. (Verlag Rombach,
Fireiburg, 1. Auflage 1965.)
Ein Blick in die Werkstatt der
Heimatdichterin
Die Muttersprache ist nicht nur die Sprache
der Mutter, sondern auch die Mutter der Sprache
überhaupt (nach Heidegger). Hier bei Paula Hollenweger
ist es die alemannische Mundart, die
sie meisterlich handhabt. Aus ihr, aus der sich
die Schriftsprache immer wieder quellfrisch erneuert
, baut unsere Heimatdichterin ihre dichterische
Welt als Abglanz und Verdichtung ihrer
Umwelt. Es ist sicherlich vor allem Aufgabe der
Germanisten und Mundartforscher, im einzelnen
aufzuzeigen, wie Sie dies Urgestein verwendet,
Ursprüngliches und Vorgegebenes ans Tageslicht
hebt, das in unserer Zeit des Sprachverschleißes
in den dunklen Schoß der Vergessenheit zu versinken
droht. Während Paula Hollenweger sonst
vorwiegend alte Sitten und Gebräuche, Sagen
und Brauchtum sichtet und sammelt, herausgibt
und in Schrift und Wort mit ihnen bekanntmacht,
gestaltet sie hier selbst schöpferisch mit dem
bereitstehenden Material ihrer Mundart.
Das Baumaterial
Werfen wir einen Blick in ihre Werkstatt. In
jeder lebendigen und noch entwicklungsfähigen
Sprache ist das Zeitworb (Verb) das weiterwirkende
Element. Hier sind wir dem Ursprünglichen
am nächsten, spüren am stärksten ihre
Keim- und Triebkräfte. So treffen wir auch in
Paula Hollenwegers Lyrik eine stattliche Anzahl
lautmalender Verben an wie gahre (knarren),
pöpperle (leise klopfen), lädemle (am Fensterladen
rütteln), chlüüsle (leise reden), chlüschberle
(leise knistern). Ganz von der sinnlichen Wahrnehmung
, vom Schauen und Hören her kommen
auch beschreibende, darstellende Verben wie
glumse (glimmen), chrüüsle (kräuseln), zensle
(locken, necken), gchiifle (nörgeln), vernüte (verneinen
). Plastisch ahmen eine Geste nach Tätigkeitswörter
wie bäärze (ächzen, stöhnen), chiiehe
(keuchen), das treffend die Gestalt des leiblichseelisch
Bedrängten zeichnet.
Bei den Hauptwörtern (Substantiven)
freut sich der Wahl-Markgräfler, Bezeichnungen
zu begegnen, die er wenig oder nie mehr zu
hören bekam. Fegge (Flügel), Äcke (Nacken), Wixi
(Käuzlein), Landre (Rebspalier am Haus), Ant-
haupt (Ackergrenze), Schübel (Erdklumpen), gehören
dazu. Rung (Weile), Sprüüer (Hülsen vom
Korn-Dinkel), Murr (Kraft), Schnatte (Kerbe,
Wunde), Zeine (Korb mit zwei Henkeln) sind
wohl noch gang und gäbe, — aber wer nimmt
sie noch heute in die Schriftsprache auf? Guu
(Geschmack, Duft, vom französ. goüt) ist ein
interessantes Beispiel dafür, wie ein Fremdwort
nicht nur eingedeutscht, sondern in ihren Seelenraum
einverleibt werden kann.
Das Beiwort (Adjektiv) erklärt, ergänzt,
kennzeichnet, illustriert und koloriert. Tschuudrig
(voll Schauder) ist wieder lautmalend, schon
durch das langgezogene dumpfe „u", ring (leicht,
gering), rack und weidli (schnell), feiß (fett),
fälber (farblos) bringen einen Eindruck auf die
kürzeste Formel, wie änedra (jenseits), näumeher
(irgendwo), amel (als, ehemals), nidsi (abwärts),
öb (ehe), nusse (nun, also), däne (drüben), jelli-
mol (ab und zu), numme (nur), obsi (aufwärts),
nur noch zum Teil in der mundartlichen Umgangssprache
verwendet, hier neue Lichter aufsetzen
.
Beim aufmerksamen Lesen und Studieren dieser
alemannischen Gedichte stellen wir fest, daß
das Baumaterial von Paula Hollenweger klug
verwendet, zur rechten Zeit und am richtigen
Ort gebraucht, kraft- und zuchtvoll eingesetzt
wird.
Die Bauformen
Wenn wir uns nun der Architektur der Paula
Hollenweger'schen Lyrik zuwenden, dann mag
uns auch bei diesen Untersuchungen das Bild
vor Augen stehen, das die Dichterin in ihrem
Gedicht „Deir alte Hof" (68) beschreibt: „Do stoht
er rueihjg, fescht un breit im helle Sunneschii, /
e weiche blaue Mantel leit der Himmel fiin em
drüber hi." Paula Hollenwegers Metrik ist
ebenso schlicht, einfach, auf einen Blick in ihren
Hauptstrukturen erfaßbar wie solch ein Bauernhaus
. Fast ausschließlich beschränkt sie sich auf
den Trochäus und den Jambus, das heißt auf den
gleichmäßigen Fluß von betonter und unbetonter
Silbe oder unbetont - betontem Rhythmus. Wenn
wir die Dichterin persönlich kennen, wie sie mit
weitausholendem Schritt durch ihr Dorf Feldberg
geht, kraftvoll und zielbewußt ihre Aufgaben
anpackt, würden wir eher vermuten, sie bevorzuge
den kraftvollen Hammerschlag des Trochäus
wie (S. 53): „Maidli, putz di, hol dy Tracht, / tanze
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