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wäm-mer hüte! / s Röckli, s Halstuech, s isch e
Pracht, / kein soll s mir vernüte!" Doch wird er
unter den sechzig Gedichten nur dreizehnmal eingesetzt
, dagegen dominiert zu fast vier Fünfteln
eindeutig der Jambus: das unbetonte Anheben,
dem darauf erst der betonte Ausdruck folgt: „Es
singt e Amsle noh am spoote n Obe. / Was sie
wohl singt? J So truurig uf em Gibel dobe. / Ihr
Lied us ihrem Herze dringt" (72). Allerdings ist
der Jambus nicht nur das Versmaß tragischer
Stoffe. A. W. Schlegel zeigt an Archilochos, Äschy-
los, Aristophanes, wie vielseitig gerade dieses
Versmaß ist: „Wie rasche Pfeile sandte mich
Archilochos. . . Hoch trat und fest auf dein
Kothurngang, Äschylos. . . Fröhlicheren Festtanz
lehrte mich Aristophanes. . " (Der Jambe.)
Meist läßt sich das Gedicht im einmal gewählten
Versmaß treiben und hält sich strikte
an den gegebenen Rhythmus. Einige Male allerdings
wird der Fluß unterbrochen und wie ein
Wehr gestaut, um darnach den Gang der Gedanken
zu neuem Fließen zu bringen. So auch in
dem Gedicht, das dem ganzen Band seinen Titel
gab: „Markgräflerland, du Land am Rhii" (13),
wo ein Einwurf, eine Feststellung zur Besinnung
und verweilendem Nachdenken einlädt. Oder
wenn „Vor em Fenschter" (21) die verschiedenen
Bilder durch eine besondere Wahrnehmung überboten
werden oder wenn im Lied von der
„Schwarzamsle" (72) der gleichmäßige Fluß immer
wieder gestaut und auf gehalten, wird durch
die Fragen: „Was si wohl singt?", „Schwigt si
drum still?" und bei der staunenden, ehrfürchtigen
Betrachtung der untergehenden Sonne: „ganz
flammig rot!"
Auch im Reim werden die einfachen Formen
bevorzugt: abab (25 mal), aabb (8 mal) machen
mehr als die Hälfte aus. So Seite 72: Obe-
singt - dobe - dringt (also: abab). Schuel - Stuehl-
scho-jo (S. 61: aabb). Zehnmal reimen sich die
erste und die dritte Zeile nicht, dagegen die
zweite und die vierte, zum Beispiel: Stube - d
Heirze - Liebi - Cherze (38); oder die erste Zeile
bleibt ohne Reimentsprechung, ist darum gleichsam
als Überschrift hervorgehoben (zum Beispiel
37: abccddb). Weitere Variationen ergaben die
Schemata: aaab (111), aabbcc (34), aab (71), wo
darüber hinaus jeweils die dritte Zeile sich in '
allen vier Strophen reimt; aabccb (z. B. 80, 97,
103); abcb (89); abaab (98); abccb (49); aa (115),
die jeweils nur einmal vorkommen.
Aus diesen im Ganzen einfachen Bauformen
in Metrik und Reim baut die Heimatdichterin
ihre eigene Welt, die in ihrem gegebenen Rahmen
nach ihren Gesetzen lebt, aber immer wieder
überrascht durch den Reichtunm an Variationen
und Abwechslung wie eine blühende Wiese.
Wer bringt die verborgenen Melodien zum Klingen
? Wer gibt manchen dieser schlichten Gebilde
ihr volksliedhaftes Kleid? gr.
Lina Ritter, Freiburg:
vo 1961 — 1965
in der Sproch vo mym Dorf im vordere Sundgau, in der Muetersproch
Was isch absolüt wohr?
Ass unser Härgett
tief in uns dinne wohnt.
Unser Härr het is gleh:
z' bette fir 's hittige Brot,
nit fir das morn.
Dü taibelesch
mit dyner Mueter?
Sie bettet derwiele fir di.
Gottlob cha der Dreck
nit uferszue gumpe
un d'Sunne verdunkle.
Bett allewiel numme
fir d'Anderi.
Bett gar nie fir di selber
Winsen der nitt. 's isch d'Zit verto.
Schaff uf dym Platz.
's Glick suecht di nienets as dert.
Worum bisch hite
so müdrig, jungi Frau?
Schlupf schnell in dy Schaff rock!
Worum wisse so weni
vo uns Mensche,
wo 's Chrittle Geduld wachst?
Us em Unchrüt uf em Waldbode
macht der Herbst
Medizin fir d'Baim.
Was isch unserm Härgett
sy greesti Freid?
Syni Chinder z'verwehne.
Hitte chlieslet der Engel
dir guete Rot ins Ohr.
Loos, loos uf en!
Wem mer d'Ring verchaufe mian,
ham mer allewiel no
unseri Finger.
D'Veegel fehn der Tag
mit seligem Singe an a.
Wie halte's denn mir?
D' Zunge het kei Chnoche,
aber sie cha
andere d'Chnoche breche.
Wer hite hischt sait
un morn hott,
dem verträu jo ke Leitsei a.
Dü bisch vo alle verloh?
Das stimmt nit.
Unser Härgett bliebt bi der.
Wel Bette nutzt sicher?
Das fir dy Nochber
un dy ärgste Find.
Chopfhänge giltet nit.
Erstens isch's dumm,
zweitens nutzt's nitt.
Was namme mir mit ibere?
Numme, was
mir andere geh hann.
Am End vom Lebe
Ihn afoh z'begriffe:
das isch e große Gnad.
Vergesset's nie: D'Engel
hann zue de Hirte gsait:
„Ferchten Eich doch nit!"
Viellicht isch Dir
eis oder 's ander Haiku
as „Bettmimpfele" recht.
Wir möchten unsere Leser nochmals
auf die Einladung zur Subskription
auf das geplante Büchlein
„Elsässische Haikus" hinweisen
, die in Heft 8/65 beilag und
sie bitten, davon Gebrauch zu machen
. Es sind besinnliche Worte, die
in ihrer Kürze und Prägnanz unsere
Gedanken beschäftigen, uns Mahnung
, Trost und Ermutigung sein
können.
Konstantin Schäfer
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