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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1965-11/0004
Dr. Robert Feger, Freiburg:

jött unbekannte f>ebel

1. Die Proteuserphilosophie

Sprach T und Denkspiele des jungen Hebel

Stimmen: Sprecher, Erzähler, Hebel

„Vorbemerkung der Redaktion: Wir beginnen heute
mit dem Erstabdruck einer Sendereihe des Südwestfunks
(Landesstudio Freiburg) über Joh. Peter Hebel.
Der Autor der Reihe, der bekannte Hebelforseher
Dr. R. Feger, bespricht darin verschiedene Punkte
und Fragestellungen aus Hebels Werk und Leben,
die teils in Vergessenheit geraten waren, teils noch
nicht oder wenig bekannt gewesen sind. An der
Funkform der Beiträge wurde absichtlich nichts
geändert, um die Unmittelbarkeit des gesprochenen
und gesendeten Worts auch im Druck noch spürbar
werden zu lassen. Es ist geplant, diese Funksendungen
über Hebel in einer Broschüre zusammengefaßt
herauszugeben."

Sprecher: Die wenigsten der vielen Briefe, die Johann
Peter Hebel im Laufe seines Lebens an seinen besten
Freund, den Oberländer Pfarrer Friedrich Wilhelm Hitzig,
gerichtet hat, sind mit dem richtigen Namen des Schreibers
unterfertigt. Sie tragen vielmehr Unterschriften wie
diese:

Hebel: ... dein redlicher Freund Parmenideus ...

... dein treuer Freund Parmenideus ...
... Johann Peter Parmenideus ...
... Dein Parmenideus ...
... Parmenideus ...

Sprecher: Dieses wiederkehrende „Parmenideus" ist bisweilen
mit griechischen Buchstaben geschrieben, bisweilen
aber ist auch nur der Buchstabe „P" gegen eine Art
griechischen Buchstaben ausgetauscht; er sieht einem
griechischen „Pi" ähnlich, nur hat er statt zweier senkrechter
Abstriche deren drei. Das gleiche Zeichen kehrt
auch im Text der Briefe Hebels an Hitzig häufig wieder,
ja bildet gelegentlich — mehrfach hintereinandergesetzt —
eine vollständige Schlußzeile. — Ähnlich verschlüsselt
wird Hitzig angeredet. Da heißt es etwa:

Hebel: ... schon lang hätt ich dir geschrieben, o Zenoides,
wenn ich ...

... O wie schön muß es jetzt bei euch sein, o
Zenoides...

... Ich grüße dich, o Zenoides, in deinem
Brief lein...

... O Zenoides ...

Sprecher: Nicht anders, wenn auch nicht ganz so geheimnisvoll
, hält es Hebel mit einem anderen Freund, mit
Tobias Günttert. Ihn redet er im Brief an mit

Hebel: ... Herr Vogt Wohlgeboren!...

... Hochzuehrender Herr Vogt!...
... Loset, Vetter Vogt, wir haben ...
... Liebster Vetter Vogt...

Sprecher: — und unterzeichnet dann etwa mit:

Hebel: ... euer wohlaffektionierter Vetter und Stabhalter
Hebel...

... euer treuergebener Stabhalter ...
... Johann Peter Hebel, Stabhalter ...

Sprecher: Was steckt hinter all dem? Soll man sich überhaupt
etwas dabei denken? Zumal wenn man weiß, daß
Hebel auch sonst in Briefen an gute Freunde diesen und

sich selbst launig ersonnene Titel beilegt und aus solchen
Titeln entsprechende Amtshandlungen der Titelträger
herausspinnt? Man denke nur an den Briefwechsel mit
den Straßburger Freunden. Auch im Fall Günttert ließe
sich an ein solch gemütlich-neckendes Briefwesen denken
, das mit den Titeln der Zeit seinen Spaß treibt. Dies
umsomehr, als dort neben Vogt und Stabhalter noch eine
dritte Amtsperson auftritt: Der Bammert. Mit Vogt,
d. h. Bürgermeister, — Stabhalter d. h. stellvertretendem
Bürgermeister in einem Zinken — und Bammert, d. h.
Feldhüter — hätte man ja geradezu die Respektspersonen
einer Bauerngemeinde jener Zeit beisammen. Das Titelspiel
wäre also so zu deuten: Hier sondert sich ein kleiner
Freundeskreis von den Mitmenschen ab. Spielerisch,
gravitätisch, altväterlich-ironisch. Anders aber steht es
mit den antiken Namen in den Briefen an Hitzig. Hinter
ihnen verbirgt sich mehr. Mehr Ernst, bei allem Spaß.
Mehr Esoterik, oft getragen von hohem Pathos. Ein größeres
Geheimnis.

Erzähler: Gemeindeverwaltung spielen — und Spiel mit
antiken Philosophennamen — was bedeutet das eine und
was das andere? Und seit wann treibt der Freundeskreis
um Hebel dergleichen? Und warum? — Im Jahre 1783
erhält Hebel, der mehrere Jahre lang ohne Amt und
Verdienst gewesen, die Stelle eines Präzeptoratsvikars
am Pädagogium in Lörrach. Wohl um 1787 lernt er dort
den Pfarrerssohn Friedrich Wilhelm Hitzig kennen, der
damals als Vikar bei seinem Vater in Rötteln ist. Tobias
Günttert ist beim Antritt Hebels in Lörrach Prorektor
des Pädagogiums und somit Hebels Vorgesetzter. In Lörrach
amtet in jenen Jahren ein junger Aktuar namens
August Welper. Diese vier Männer finden sich zu einem
Freundschaftsbund zusammen. Anno 1790, ein Jahr vor
Hebels Versetzung nach Karlsruhe, erlebt der Freundesbund
seine schönste Blüte. Günttert ist zu jenem Zeitpunkt
ein 39jähriger gestandener Mann, — Hitzig mit
seinen 23 Jahren noch jung, — Welper, der Zwanzigjährige
, noch jünger; Hebel hält mit seinen 30 Lebensjahren
altersmäßig die Mitte, scheint aber der anregende
Geist und die treibende Kraft im Bunde zu sein.

Sprecher: In der kleinen Titelhierarchie der Lörracher
Freunde wird Günttert natürlicherweise zum Vogt. Hebel
zu seinem Vertreter. Der Jüngste — Welper — zum Bammert
. Hitzig, nicht am Ort wohnend, hat zunächst keine
Funktion. Doch das wird bald anders.

Erzähler: Jene Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts
sieht eine Hochblüte des Ordens- und Logenwesens ohnegleichen
. Geheimnisvolle Bünde bilden sich, geben sich
Gesetze, leben sich aus in umständlichen Riten, halten
sich streng abgeschlossen von anderen, ebenso gearteten
Logen und Bünden. Hebel hat dieses halb aufklärerisch-
freimaurerische, halb knabenhafte Ordenstreiben während
seiner Studentenzeit in Erlangen zur Genüge kennen
gelernt und begeistert mitgelebt. Er hat dort und
damals der Landsmannschaft der Mosellaner angehört,
deren inneren Kreis der sogenannte Elsässer- oder
Amicistenorden darstellte, die studentische Nachahmung
einer Freimaurerloge.

Sprecher: Zwecke und Ziele von Landsmannschaft und
Orden? Im Prinzip je die gleichen, nur im Orden strenger
durchgeführt und angestrebt. Nämlich: Pflege der Geselligkeit
und Freundschaft. — Mittel und Formen hierzu:

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