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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1965-11/0009
mehrere Schriften und Aufsätze über diesen Gegenstand
und sah sich bald mit Titel und Amt
eines „aargauischen Oberforst- und Bergrats"
betraut. Mit diesem Beruf verband der unermüdlich
tätige Mann die Herausgabe eines Volkskalenders
(1799, bzw. 1804—37), des „Aufrichtigen
und wohlerfahrenen Schweizerboten", dem
er die Charaktermaske eines „treuherzigen Plauderers
" vorzubinden wußte, „der mehr zu wissen
scheint, als er eben sagt, und mit schlauer Einfalt
und kindlicher Gutmütigkeit Wahrheiten zu
Markte trägt, dabei aber in munterer Laune doch
nicht unterlassen kann, seinen schelmischen Blick
hierhin und dorthin auf Lieblingstorheiten der
Vornehmen und Geringen zu werfen." Hebel verfolgte
diese gemeinsame Interessen berührende
Kalendertätigkeit des Schweizer Nachbarn mit
lebhafter Aufmerksamkeit, zumal dieser „Schweizerbote
" im Basler Verlag Samuel Flick, bald in
dessen Aarauer Filiale, die Flicks Kompagnon,
der junge Frankfurter Remigius Sauerländer,
1803 übernommen hatte, gedruckt wurde und sich
einer von Jahr zu Jahr wachsenden Auflage erfreute
.

Bald verlangte den Aarauer Forstmann und
Volksschriftsteller, dem das Einsiedlerleben auf
Schloß Biberstein nicht mehr behagte, nach der
Gründung eines eigenen Hausstandes. In der
noch nicht zwanzigjährigen Tochter des Pfarrers
im nahen Dorfe Kirchberg, Nanny Nüsperli, der
„Blüte aus Eden", fand er die Auserwählte seines
Herzens, die treue Lebensgefährtin. Am 25. Februar
1805 wurde auf patriarchalisch einfache
Weise das Vermählungsfest begangen. Zschokke
schildert es in seiner „Selbstschau" mit folgenden
Worten:

„Außer der auch mir lieben Jugendgespielin
der Braut «erschien dabei kein fremder Zeuge.
Kein Zurschaustellen eitlen Gepränges störte
Andacht und Lust des schönen Tages. Die Braut
wie ich blieben im alltäglichen Gewände. Der im
Silberhaar ehrwürdige Pfarrer Nüsperli traute
mir mit Worten herzlicher Rührung seine Erstgeborene
neben demselben Taufstein an, über
welchem er ihr einst die erste christliche Weihe
gegeben hatte. So hatt' ich mir's gewünscht. Doch
der Feiertag war umsonst verheimlicht gehalten^
um uns seine Lust in aller Reinheit zu geben,
unverwässert durch Glückwünsche und Frau-
basereien. Während des fröhlichen Mahles trat
ein junger Bauersmann ins Zimmer und überreichte
mir einen mächtigen Brief. Wie angenehm
überraschte mich der liebenswürdige alemannische
Sänger vom fernen Karlsruhe her,
Hebel, mit seinem naiven Liede „An den aufrichtigen
und wohlerfahrenen Schweizerboten zu
seinem Hochzeitstage." Da leibte und lebte nun
um mich her Vossens reizendste Idylle „Luise"
in der Wirklichkeit. Wohl nicht mit Unrecht argwöhnt
' ich, Freund Remigius Sauerländer stehe
mit dem Prälaten von Karlsruhe hinter dem
Spiele verborgen, das meiner selbstsüchtigen Geheimniskrämerei
Trotz bieten sollte."

Zschokke hatte nicht fehlgeraten; durch Flick
und Sauerländer war Hebel, der übrigens damals
noch nicht, wie Zschokke meinte, Prälat, vielmehr
nur Professor und Kirchenrat gewesen ist,
zur Abfassung des Gedichts ermuntert worden.
Mit mehreren von der heimischen Wiesentäler
Mundart abweichenden Formen weist der Dichter
auf die aarauische Mundart hin, ein sinniger
Zug von Huldigung. Auch als guter Prophet hat
sich Hebel in dem Hochzeitscarmen erwiesen,
denn wirklich „wenn's no ainist (einmal) gwintret
het", lag das erste „Büebli" des Paares in der
Wiege. Zschokke bekam von seiner Nanny fast
ausschließlich Söhne, zehn an der Zahl: Achilles,
Alexander, Alfred, Emil, Eugen, Guido, Hermann,
Julius, Olivier und Theodor und lediglich ein
Mädchen, die zwischen Alfred und Emil einzureihende
Cölestine. Auf Biberstein wohnte die
Familie Zschokke bis 1807, bezog dann eine größere
Wohnung „Auf dem Rain" in Aarau, die sie
im Jahre 1818 mit einem eigens errichteten Landhaus
am linken Ufer der Aare, der „Blumenhalde
", vertauschte. Dort ist Heinrich Zschokke
nach einem „in etie cum dignitate, musis et
amicis" verbrachten Lebensabend am 27. Juni
1848 gestorben, als „auf den Türmen der Stadt
die zehnte Morgenstunde schlug." Zschokke hat
den elf Jahre älteren Hebel um 22 Jahre überlebt.

Für das alemannische Hochzeitsgedicht hat
sich Zschokke in einem Schreiben, das wie alle
an Hebel gerichtete Korrespondenz verloren gegangen
ist, bedankt und den Verfasser zu per-*
sönlicher Bekanntschaft nach Biberstein eingeladen
. Hebel hoffte diesen Besuch während der
Osterferien 1805 verwirklichen zu können. Allein
es blieb beim guten Vorsatz, und in seinem einzigen
nachweisbaren Brief an den Aargauischen
Freund schrieb der nach Karlsruhe Zurückgekehrte
am 23. April 1905: „Ich wollte vor den
Grenzen der Schweiz und etwas darüber hinein
die Festtage des Frühlings feiern. Da fand sich
die Möglichkeit leicht, einen Streifzug in den
Aargau zu machen und Sie in Biberstein zu besuchen
oder, wenn mir der Zufall hold wäre, Sie
etwa einmal in Basel zu finden. Aber es blieb bei
Stoßburg zwischen Kanonen und Bajonetten
und guten fröhlichen Menschen, die sich um
jene, gottlob, nicht mehr viel bekümmern. Empfangen
Sie also, zwar Später als sich's ziemte,
aber aus innigem Gefühl meinen Dank für Ihr
schätzbares Schreiben, für das Liebe und Schöne,
was Sie mir darin bieten und ich freudig ergreife,
Ihre Freundschaft, und für die Gelegenheit, die
Sie mich finden ließen, Ihnen sagen zu dürfen,
daß ich Sie schon lange als Menschen und Volksfreund
und als den Vertrauten einer schönen
Muse innig.hochschätze und liebe. Wenn es mir
wirklich gelungen ist, dem Gericht, das Ihnen
Herr Flick überreichen ließ, etwas mehr* Gehalt
zu geben, als man Gelegenheitsgedichten sonst
zumutet, so war diese Liebe die Muse, die mich
begeisterte." Auch als Hebel im Herbst desselben
Jahres als Mentor der Barone Karl und Ernst
von Mentzingen eine vierwöchige Schweizerreise
unternahm, kam es zu keiner Zusammenkunft,
da Aarau nicht berührt wurde.

Wenn sich demnach Hebel und Zschokke auch
nie persönlich kennengelernt haben, da beide
vielbeschäftigte Leute waren, so wurden die

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