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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1965-11/0015
I

genommen war, denn der Wein als Sorgenbrecher
verhinderte ihn, sich trüben oder schweren Gedanken
hinzugeben.

Fünfzehn Jahre hatte er mit Frau Hedwig in
der Ehe gelebt, ohne daß ihm der ersehnte Sohn
oder Erbe geboren worden war. Die edle Frau
schien unfruchtbar, wiewohl sie der Mutter Gottes
in der benachbarten St. Veits - Kapelle persönlich
ein „gülden-" Gewand gestickt und seit
Jahren täglich um Erfüllung dieses heißesten
Wunsches ihres Gemahls gebetet hatte. Da hatte
denn endlich Herr Werner, der sich gerade nicht
durch übermäßige Frömmigkeit auszeichnete, im
Unmut über die Vergeblichkeit des Betens und
Bittens seiner Frau den sündhaften Ausruf getan
: „Nun denn, wenn der Sohn nicht kommen
will in Gottes Namen, so mag er sich einfinden
in Teufels Namen!" Kaum ein Jahr später beschenkte
Frau Hedwig ihren Gemahl mit dem
heißersehnten Sohne, aber — um den Preis ihres
Lebens. Seither schien es, als ob der Freiherr
von Gewissensbissen gequält würde, die er mit
Trinken zu verscheuchen suchte. Um seinen Sohn
und dessen Erziehung kümmerte er sich so gut
wie gar nicht. „Der Teufelsbube", so nannte er
ihn gewöhnlich, wenn er in der Trunkenheit auf
das mit dessen Geburt verbundene Geheimnis
anspielte, — war auch darnach. Wie sein berühmt
gewordener Kollege „von Teufels Gnaden" Herzog
Robert von der Normandie mit dem Beinamen
„der Teufel", war er mit dichtem schwarzem
Haupthaar und mit sämtlichen Zähnen auf
die Welt gekommen, mit welchen er seine Amme
biß, die vor Schmerz laut aufschrie, und die nur
mit Mühe dazu vermocht werden konnte, ihm
fernerhin noch die Brust zu reichen. Auch ungewöhnlich
groß und schwer war der Knabe, sonst
aber schön und wohlgestaltet, obgleich das Gesinde
behauptete, die beiden stark entwickelten
Wölbungen am oberen Teil des Stirnbeins seien
nichts anderes als Wurzelstöcke für die ohne
Zweifel später nachwachsenden „Teufeishör ner".
Diese Ansicht war allgemein verbreitet, und obwohl
sich in den nächstfolgenden Jahren das
erwartete Gehörn nicht nur nicht entwickelte,
sondern die Stirne des kleinen Junker Veit, immer
mehr eine natürliche Ebenmäßigkeit annahm
, so schrieb man dies allein der segensvollen
Kr,aft der Taufe zu und glaubte nach wie
vor an die zweifellose Teufelsnatur des Knaben.
Da er der Liebe entbehrte, so fühlte auch er nur
Haß in seinem Herzen gegen alle die Menschen,
die bei seinem Anblick sich bekreuzten und ihm
ins Gesicht sagten, er sei ein Höllensohn. Es bereitete
ihm eine förmliche Lust, die ihm angeborene
Teufelsnatur, an die er schließlich selbst
glaubte, in jeder Weise zu entfalten. Wo er es
nur immer vermochte, spielte er dem Gesinde
und den Dienstmannen seines Vaters schlimme
Streiche. Er verdarb ihnen irgend ein Gerät,
schlug in der Küche Tiegel und Töpfe entzwei
oder warf ihnen Sand und anderen Unrat in die
Suppe, goß Essig in ihren Wein, zerschnitt ihnen
Wäsche und Kleidungsstücke, kurz, er suchte sich
an jenen zu rächen, die ihm in Wort oder Tat
Böses zugefügt hatten. Kein Mensch auf Burg

Istein dachte daran, daß die gegen alle Welt gezeigte
Bosheit und Rachsucht des Knaben von
ihr selbst verschuldet war, und daß mit nur
einem Fünkchen von entgegengebrachter Liebe
das Herz Veits für das gleiche Gefühl laätte erschlossen
werden können.

Daß diese Möglichkeit vorhanden war, geht
daraus hervor, daß während alles unter des Junkers
Bosheit zu leiden hatte, zwei Geschöpfe
allein vollständig hiervon ausgenommen waren:
„Brumm", seines Vaters riesige Hatzrüde und
Martha, die Tochter der unterhalb der Burg in
einer elenden Hütte wohnenden „Mausgret".
Ihnen tat Veit niemals etwas zuleide. Der sonst
so bösartige Hund war sein Freund und unzertrennlicher
Gefährte, der ihm auf Schritt und
Tritt folgte. Martha war ihm gewissermaßen von
Natur verwandt, zu der er sich unwillkürlich
hingezogen fühlte. Das etwa zwei Jahre jüngere
Mädchen war nämlich gleich ihm von aller Welt
gehaßt, denn gleich ihrer Mutter, die ihren Übernamen
wegen fortgesetzten Stehlens — im Volksmunde
„Mausen" genannt — erhalten hatte, galt
auch Martha für diebisch, bösartig und falsch und
wurde darum, wo sie sich blicken ließ, geschlagen
und mißhandelt. Aus diesem Grunde aber
war sie dem Junker sympathisch und stets, wenn
er es vermochte, gewährte er unter Brumms Beihilfe
ihr Schutz und Hilfe. Dafür hing die arme,
verwahrloste, übrigens hübsche Martha mit ganzem
Herzen an ihrem Beschützer und gleich
Brumm war sie daher stets dessen unzertrennliche
Gefährtin.

Der Vater kümmerte sich um das Tun und
Treiben seines Sohnes in keiner Weise. Der alte
ßurgkaplan, Pater Dietrich Mosbrugger, viersuchte
wiederholt, den Vater zu veranlassen, sich
um eine geregelte Erziehung des Junkers zu bemühen
. Da versuchte der wackere Geistliche auf
eigene Faust das Herz des Knaben durch systematischen
Unterricht zu bilden. Aber Stubensitzen
und Lernen war nicht nach dem Geschmack
des an völlige Freiheit gewohnten Knaben. Schon
nach der ersten Lehr stunde wartete der Kaplan
vergeblich auf sieinen Schüler, und als er ihn mit
Gewalt auf seine Stube verbringen wollte, setzte
sich Veit zur Wehr und hetzte Brumm auf den
alten Mann. Nur durch die rechtzeitige Einmischung
Marthas, welcher der Riesenhund
ebenfalls aufs Wort gehorchte, wurde der Kaplan
vor der Gefahr, zerfleischt zu werden, gerettet.
Seither verzichtete Pater Dietrich auf jeden Versuch
, den „Teufels" - Junker zu erziehen und zu
bilden.

Allein Marx Weber, seines Vaters alter Rüstmeister
, der unter allen nicht an den im Junker
steckenden Teufel glaubte, gewann Einfluß auf
den Jungen. Er unterwies ihn im Gebrauch der
Wafflen, unterrichtete ihn im Reiten und Jagen.
Diese fortgesetzten Übungen, denen sich Veit mit
Leidenschaft hingab, wirkten Wunder an seinem
Leibe. Mit fünfzehn Jahren überragte er seine
Altersgenossen bereits um Haupteslänge, war ein
Hüne an Kraft und Gewandtheit, die geradezu
unbegreiflich erschien. Er schleuderte seinen
Jagdspieß mit tödlicher Sicherheit nach seinem

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