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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-02/0005
derer Straße, von welchem letzten man
besonders auch sagen kann, daß in seiner Art
nichts Besseres erdacht, noch gemacht worden ist.

Das Verhältnis von Eltern und Kindern wird
auch von dem Dichter öfter benutzt, um zum
Guten und Rechten zärtlicher und dringender
hinzuleiten. Hierher gehören die Mutter am
Christabend, eine Frage, noch eine
Frage.

Hat uns nun dergestalt der Dichter mit Heiterkeit
durch das Leben geführt, so spricht er
nun auch durch die Organe der Bauern und
Nachtwächter die höheren Gefühle von Tod, Vergänglichkeit
des Irdischen, Dauer des Himmlischen
, vom Leben jenseits mit Ernst, ja melancholisch
aus. Auf einem Grabe, Wächterruf
, der Wächter in der Mitternacht
, die Vergänglichkeit, sind Gedichte
, in denen der dämmernde, dunkle Zustand
glücklich dargestellt wird. Hier scheint die Würde
des Gegenstandes den Dichter manchmal aus
dem Kreise der Volkspoesie in eine andere Region
zu verleiten. Doch sind die Gegenstände, die
realen Umgebungen, durchaus so schön benutzt,
daß man sich immer wieder in den eben beschriebenen
Kreis zurückgezogen fühlt.

Überhaupt hat der Verfasser den Charakter
der Volkspoesie darin sehr gut getroffen, daß er
durchaus, zarter oder derber, die Nutzanwendung
ausspricht. Wenn der höher Gebildete von dem
ganzen Kunstwerk die Einwirkung auf sein inneres
Ganzes erfahren und so in einem höheren
Sinne erbaut sein will, so verlangen Menschen
auf einer niederen Stufe der Cultur die Nutzanwendung
von jedem Einzelnen, um es auch sogleich
zum Hausgebrauch benutzen zu können.
Der Verfasser hat nach unserem Gefühl das
FABULA DOCET meist sehr glücklich und mit
viel Geschmack angebracht, so daß, indem der
Charakter einer Volkspoesie ausgesprochen wird,
der ästhetisch Genießende sich nicht verletzt
fühlt.

Die höhere Gottheit bleibt bei ihm im Hintergrund
der Sterne, und was positive Religion betrifft
, so müssen wir gestehen, daß es uns sehr
behaglich war, durch ein erzkatholisches Land zu
wandern, ohne der Jungfrau Maria und den blutenden
Wunden des Heilandes auf jedem Schritt
zu begegnen. Von Engeln macht der Dichter einen
allerliebsten Gebrauch, indem er sie an Menschengeschick
und Naturerscheinungen anschließt.

Hat nun der Dichter in den bisher erwähnten
Stücken durchaus einen glücklichen Blick ins
Wirkliche bewährt, so hat er, wie man bald bemerkt
, die Hauptmotive der Volksgesinnung und
Volkssäge sehr wohl aufzufassen verstanden.
Diese schätzenswerthe Eigenschaft zeigt sich vorzüglich
in zwei Volksmärchen, die er idyllenartig
behandelt.

Die erste, der Karfunkel, eine gespensterhafte
Sage, stellt einen liederlichen, besonders
dem Kartenspiel ergebenen Bauernsohn dar,
der unaufhaltsam dem Bösen ins Garn läuft, erst
die Seinigen, dann sich zu Grunde richtet. Die
Fabel mit der ganzen Folge der aus ihr entspringenden
Motive ist vortrefflich und ebenso
die Behandlung.

Ein Gleiches kann man von der zweiten, der
Statthalter von Schopfheim sagen.
Sie beginnt ernst und ahnungsvoll, fast ließe sich
ein tragisches Ende vermuten; allein sie zieht
sich sehr geschickt einem glücklichen Ausgang
zu. Eigentlich ist es die Geschichte vom David
und Abigail, in moderner Bauerntracht nicht
parodiert, sondern verkörpert.

Beide Gedichte, idyllenartig behandelt, bringen
ihre Geschichte, als von Bauern erzählt, dem
Hörer entgegen, und gewinnen dadurch sehr viel,
indem die wackeren und naiven Erzähler, durch
lebhafte Prosopopöen und unmittelbaren Antheil
als etwas Gegenwärtigem, die Lebendigkeit des
Vorgetragenen zu erhöhen an der Art haben.

Allen diesen inneren guten Eigenschaften
kommt die behagliche, naive Sprache sehr zu
statten. Man findet mehrere sinnlich bedeutende
und wohlklingende Worte, theils jenen Gegenden
selbst angehörig, theils aus dem Französischen
und Italienischen herübergenommen, Worte
von einem, zwei Buchstaben, Abbreviationen,
Contractionen, viele kurze leichte Silben, neue
Reime, welches, mehr als man glaubt, ein Vortheil
für den Dichter ist. Diese Elemente werden
durch glückliche Constructionen und lebhafte
Formen zu einem Styl zusammengedrängt,
der zu diesem Zwecke vor unserer Büchersprache
große Vorzüge hat.

Möge es doch dem Verfasser gefallen, auf diesem
Wege fortzufahren, dabei unsere Erinnerungen
über das innere Wesen der Dichtung vielleicht
zu beherzigen, und auch den äußeren technischen
Theil, besonders seinen reimfreien Versen
, noch einige Aufmerksamkeit zu schenken,
damit sie immer vollkommener und der Nation
angenehmer werden mögen! Denn so sehr zu
wünschen ist, daß uns der ganze deutsche Sprachenschatz
durch ein allgemeines Wörterbuch
möge vorgelegt werden, so ist doch die praktische
Mittheilung durch Gedichte und Schrift sehr viel
schneller und lebendig eingreifender.

Vielleicht könnte man sogar dem Verfasser zu
bedenken geben, daß, wie es für eine Nation ein
Hauptschritt zur Cultur ist, wenn sie fremde
Werke in ihre Sprache übersetzt, es ebenso ein
Schritt zur Cultur der einzelnen Provinz sein
muß, wenn man ihre Werke derselben Nation in
ihrem eigenen Dialect zu lesen giebt. Versuche
doch der Verfasser aus dem sogenannten Hochdeutschen
schickliche Gedichte in seinen oberrheinischen
Dialect zu übersetzen! Haben doch*
die Italiener ihren Tasso in mehrere Dialecte
übersetzt.

Nachdem wir nun diese Zufriedenheit, die
uns diese kleine Sammlung gewährt, nicht verbergen
können, so wünschen wir nur auch, daß
jenes Hindernis einer für das mittlere und niedere
Deutschland seltsamen Sprach- und Schreibart
einigermaßen gehoben werden möge, um der
ganzen Nation diesen erfreulichen Genuß zu
verschaffen. Dazu giebt es verschiedene Mittel,

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