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theils durch Vorlesen, theils durch Annäherung
an die gewohnte Schreib- und Sprechweise, wenn
Jemand von Geschmack Das, was ihm aus der
Sammlung am besten gefällt, für seinen Geschmack
umzuschreiben unternimmt — eine klei-
Kurt Ueckert:
Am felsigen Hang des Belchens ist die Wiege
der Kleinen Wiese; verborgen zwischen Felsbrocken
und niedrigem Gestrüpp tritt sie heraus
aus ihrer dunklen Erdenkammer, um auf die
Wanderschaft zu gehen. Der Hochkelch mit seinen
Kletterfelsen nickt dem kleinen „Belche-
chind" ermunternd zu, dann springt es hurtig
über bemooste Steine, „luegt" ein wenig hinüber
zu den Beichenhöfen, neckt den Beichengeist,
der im Innern des Berges sein goldenes Kegelspiel
versteckt hält, verweilt da und dort noch
ein wenig und hüpft dann durch saftige Matten
, auf denen Silberdisteln blühen und Heidelbeeren
in üppiger Fülle wachsen, nach Neuenweg
hinunter.
Vom Hang drüben winkt die kleine Kirche;
sie ist stolz darauf, daß sie im ehemaligen Pfarrgarten
steht und vom berühmten Baumeister
Weinbrenner geschaffen wurde. Auf dem Dorfplatz
in Neuenweg macht das „Belchechind" einen
tiefen Knicks und grüßt die alemannische Dichterin
Hedwig Salm, die in ihr Heimatdorf am
Belchen gekommen ist, und nun in der schönen
Markgräfler Tracht mit der stolzen Hörnerkappe
am Weg auf uns wartet und dem kleinen Maideli
ein Sträußlein Bergblumen mit auf den Weg gibt.
Während die Wiese drunten im Sägemättle
schon eifrig mithilft, wandern wir hinauf ins
Heubronner Tal, um vom Haldenhof aus den abgelegenen
Nonnenmattweiher aufzusuchen. Steil
geht es aufwärts. Im Glanz der Morgensonne
liegt das Kleine Wiesental unter uns. In der
Ferne erkennen wir das Rheintal und die schneebedeckten
Spitzen der Alpen. Einzelne Wolken
ziehen am Horizont. Drüben am Berghang hütet
ein Hirtenjunge seine Viehherde. Das melodische
Geläut der Herdenglocken dringt zu uns herüber.
Aus der Ferne grüßt uns die im Tannenwald fast
verborgene Kapelle, die oberhalb des Haldenhofes
ein beschauliches Plätzlein gefunden hat.
Vom Wetter gezeichnete Ebereschen, mit leuchtendroten
Beeren behangen, stehen entlang der
Straße bis hinauf zum Haldenhof.
Zu beiden Seiten des grasüberwachsenen Fußweges
breiten sich dichte Tannenwälder aus.
Überall wuchert Sauerklee. Dankbar genießen
wir die Ruhe hier. Nichts regt sich. Es ist alles
so feierlich still. Golden fällt das Sonnenlicht
durch das dichte Nadelgewirr der hohen Tannen.
Hoch oben in den Ästen läßt sich zuweilen ein
gefiederter Sänger vernehmen. Die alten, mit
graugrünen Flechten und dunkelblättrigem Efeu
bewachsenen Bäume geben der Umgebung ein
schreckhaftes und gespenstisches Aussehen. Vor
uns 'her springt ein Eichhörnchen, das eilends
ne Mühe, die in jeder Societät guten Gewinn
bringen wird. Wir fügen ein Musterstück unserer
Anzeige bei, und empfehlen nochmals angelegentlich
dieses Bändchen allen Freunden des
Guten und Schönen.
einen Baum erklettert, um sich in Sicherheit zu
bringen.
Zwischen Tannen und Bergweiden eingebettet
liegt plötzlich der See vor uns, denn wir sind
auf einer Anhöhe, von der man weit über das
sich leicht bewegende Wasser sieht. Langsam
schlendern wir zwischen buntgefärbten Beerenranken
ans Wasser. Vom Ufer streicht eine Bergstelze
ab. Die große Torfinsel schaut uns heimtückisch
an und unwillkürlich denken wir an den
Ausbruch des Nonnenmattweihers im Jahre 1922,
der im Kleinen Wiesental, vor allem aber in
Bürchau, schlimme Verwüstungen anrichtete.
Ein altes Boot schaukelt auf dem grünlichen,
von Algen und Seegras durchzogenen Wasser
und am Ufer, von Ebereschen halb verdeckt, befindet
sich ein Findling, der an den ehemaligen
Forstrat Kopp von Schopfheim erinnert, der sich
um die Erhaltung des Nonnenmattweihers große
Verdienste erworben hat. Stahlblaue Libellen
Niedertegernau Bleistiftzeichnung von Ernst Sdileith
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