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Ernst Nfefenthaler mit seinem Enkel Hansi
und gelbe Zitronenfalter tanzen über die verwitterten
Felssteine, die über und über mit
Heidekraut bewachsen sind. Auf einem idyllischen
Platz verweilen wir und schauen über das
dunkle Wasser bis hinüber zum Wald und zum
Weiherfelsen, der eine weitere Sicht versperrt.
Lustiges Käfervolk treibt sich umher und fleißige
Bienen summen eifrig um die lilafarbenen
Heideblüten. Hbch über uns zieht ein Habicht
*
seine Kreise, bis er plötzlich herunterstößt und
im Wald verschwindet. Mit lautem Gezeter fallen
einige Eichelhäher im nahen Gebüsch ein.
Wir erschrecken ob diesem Lärm, denn wir waren
ganz vertieft gewesen in die geheimnisvollen
Schönheiten des Wassers, von dem die Sage geht,
daß an dessen Stelle vor langer Zeit ein Nonnenkloster
gestanden habe. Leise rauscht der Wind
in den alten Tannen . . .
Nun wird es wieder Zeit, hinunter ins Tal zu
gehen, denn wir wollen ja mit der Wiese weiterwandern
nach Bürchau, dessen stattliche Bauernhöfe
sich über die ganze Talsohle und hinauf auf
die beidseitigen Höhen verteilen. Hier wohnt
unser Bauerndichter Ernst Niefenthaler, der erste
Träger der vom Hebeldorf Hausen gestifteten
Hebelgedenkplakette, die er beim großen Hebel-
fest 1960 für seine Verdienste um die heimatliche
Sprache erhalten hat.
Natürlich machen wir auch bei ihm in seinem
gastfreundlichen Bauernhaus einen Besuch und
erfreuen uns an seinen sinnigen Versen, die er
im Laufe eines reichen Lebens geschaffen hat.
Ne Buuredichter seigsch, so het me gsait,
De hesch di Chopf dodrum nie höcher drait.
Im stille Bürchau bisch deheim uf sellem Hof
Hoch überem Tal; bisch riicher wie ne Grof.
Vom. echte Heimetbode holsch di tiefi Chraft
Zuem dichte; hesch dr Weg berguf au gschafft.
Du bisch ne Mensch, so ehrlig un so frei,
Un blibsch dr Heimet all uf ewig treu.
De hesch's jo gsait: Gott grüeß ich überal,
I blib ne Chind, vom chleine Wiesetal.
Doch weiter geht es, vorbei am einsamen
Kreuz ob Bürchau und bald rücken die Berg-
hänge bedrohlich eng zusammen und die mächtigen
Tannen und Buchen, die am Wegrand stehen,
schauen uns finster an. Wir nähern uns der Kluse
mit ihrer massiven Holzbrücke. An dieser Stelle
ist das Tal am engsten. Die alte Holzbrücke, die
schon so viel gesehen hat, ächzt und knarrt in
ihren Fugen und erzählt uns vom Klusenritter,
der um die mitternächtliche Stunde seinen Spuk
vollführt und einsamen Wanderern begegnen
soll. Aber wahrscheinlich wird der Klusenritter
umso deutlicher sein Unwesen treiben, je tiefer
der nächtliche Heimkehrer in sein Glas gesphaut
hat.
Das Rieder Bächlein, das bald von der rechten
Talseite zu uns tritt, weiß wieder manch Neues
zu berichten von den mit liebevoller Hand hingestreuten
Dörflein hoch über dem Tal und von
dem uralten, über 300 Jahre zählenden und jetzt
zusammengefallenen Bauernhaus mit dem Strohdach
, das im Ried oben steht und einst die Heimat
des verstorbenen Rainer-Jobbi war, wie
man ihn im Dorf genannt hat.
In der Holl unten diente vor vielen Jahren
einmal ein unbekanntes Mädchen bei einem
Bauern. Es war sehr fleißig und ordentlich, aber
es wollte durchaus nicht sagen, wie es heiße. Als
einst der alte Bauer, ein Joch tragend, nach getaner
Arbeit vom Felde heimging, rief ihm ein
Unsichtbarer mehrmals nach: „Jochträger, sage
der Gloria, der Kanzelmann sei gestorben!" Erst
beim Nachtessen erinnerte sich der Bauer wieder
daran und erzählte dem Mädchen den Vorfall. Er
setzte hinzu, nun wisse er, daß sie Gloria heiße.
Da sprang das Mädchen davon und ließ sich in
der Holl nie wieder sehen.
Bevor wir nach Tegernau kommen, muß sich
die Kleine Wiese in der Besengasse erst zwischen
Steilhang und Landstraße hindurchzwängen
und gleich darauf noch dem Sägmüller von
Tegernau bei der Arbeit helfen, während wir
uns in dem alten Bauerndorf umsehen. Wir besuchen
die 1757 erbaute Kirche mit ihrem schö-
Ernst Niefenthaler und Adolf Glattacker
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