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Jahre 1280 zum letztenmal genannt. Von diesem
Zeitpunkt an erscheinen keine Rothenberger
mehr in Urkunden. Im Jahre 1356 trat dann ein
Ereignis ein, das unsere Heimat in Angst und
Schrecken versetzte: das Basler Erdbeben, so
genannt, weil der Herd des gewaltigen Bebens
in Basel lag. Damals erlitten sämtliche Burgen
und Befestigungen im Markgräflerland erhebliche
Schäden und auch die Kirchen und Klöster
wurden in Mitleidenschaft gezogen. Wir dürfen
mit Sicherheit annehmen, daß damals die Rothenburg
zusammengefallen ist, nachdem sie viele
Jahre vorher nicht mehr bewohnt gewesen war.
Siechsch Rüdiger, dort ene seile Berg?
Dort isch vor langer Zyt d'Rotheburg gstande,
u ne stolze Graf het dort obe ghuuset.
Dietrich het er gheiße, un isch ein usem
Röttier Gschlecht gsi. Er isch dr letscht
Her gsi uf dr Burg obe.
Zwe Wallgräbe sin um die feste Muure
umme glaufe un vom hoche Turm
het dr Wächter ins Tal abegluegt.
Mengg Fescht hen si dort obe abghalte,
un dr golde Markgräfler isch
kredenzt worde.
In dr chleine Wiese unten het dr Fischer
sini Forelle gfange für d'Schloßchuchi,
un mengge Has un Reh het si Lebe glo.
Aber es het au Chrieg un Elend geh
un d'Rotheberger hen sich mieße wehre
hinter de schützende Muure.
Bimene große Erdbebe het d'Burg viel Riß
griegt, un mit der Zyt isch si immer mehr
verfalle, un Gras un Efeu wuechere
uf de Steine. Sage un gruusige Gschichte
geistere um d'Ruine un verzelle
vom Vergangene.
Vorne schwarze Hund mit füürige Auge,
wo im Turm unte ne große Schatz hüetet,
zue dem me aber numme in dr Neujohrsnacht
cha; oder vom Schloß-Anneli, das in de
Arme vo sim Ritter gstorbe isch; un vo dr
Gräfin Adelheid, dr letschte Burgfrau.
Lueg Rüdiger, es nachtet scho, un z'Wieslet
lütte si Betzyt.
Un uf dr Rotheburg lit dr letscht Obeschiin.
Bai isch es dunkel dort obe, un Eule
un Fledermüüs gschpengstere in de Steine.
Chumm, mr göhn jetz heim!
Auf jäh abfallendem Fußpfad erreichen wir
wieder die Landstraße unterhalb des „Hexen-
mättle" und wandern frohgemut nach Wieslet
mit seinen alten Bauernhäusern, wo die Geranien
von den Fensterbänken leuchten und dem
Wanderer einen fröhlichen Gruß zuwinken. Hier
ist die Heimat des Wiesentäler Malers Ernst
Schleith. In der Nähe der Dorfkirche — sein
Heimathaus steht nicht mehr — erblickte er am
23. Mai 1871 das Licht dieser Welt und nach
einem mühseligen, aber doch so reichen Künstlerleben
durfte er an einem kalten Februartag des
Jahres 1940 heimgehen in die ewige Stille. Auf
dem am alten Eichholzer Weg gelegenen Gottesacker
hat er seine letzte Ruhestatt gefunden. In
den Anlagen des Rathauses, unmittelbar an der
Kleinen Wiese, kündet ein schlichter Findling,
der vom Nollen oben stammt, vom begnadeten
Schaffen des unvergessenen Meisters, der bald
nach seinem Studium an der Kunstakademie in
Karlsruhe, wo er zeitweise auch Schüler von
Hans Thoma war, für einige Jahre in der Fremde
blieb, um dann aber für immer in die Heimat
zurückzukehren.
In Wieslet steht eines der ältesten Gasthäuser
des Tales; es ist die ganz auf den heimatlichen
Charakter abgestimmte „Sonne" mit den
schönen Trachtenbildern in der Wirtsstube und
dem mit Bildern von Ernst Schleith ausstaffierten
Nebenzimmer. Wie oft wird Johann Peter
Hebel, wenn er vom Belchen kommend, durch
das Kleine Wiesental wanderte, hier beim Blasi-
schaffner Tscherter eingekehrt sein und ein
Schöpplein getrunken haben?
Die erstmals in einer Urkunde von 1137 erwähnte
Dorfkirche von Wieslet birgt eine kleine
Kostbarkeit: es ist der mit schönen Ornamenten
verzierte Grabstein des Vogtes Hans Tscherter,
der während des Dreißigjährigen Krieges Vogt
in Wieslet war. Manch beschauliche Winkel gibt
es in Wieslet, vor allem an der Wiese und bei
der Streich'schen Kornmühle, wo sich noch immer
das altersschwache Wasserrad dreht und
von früher erzählt, als noch die Postkutsche ins
hintere Tal fuhr und der Ruf des Postillons sich
an den Berghängen brach.
Unterdessen ist die Kleine Wiese zu einem
stattlichen Wasser geworden und nachdem sie
den Wiesleter Bauern beim Wässern ihrer Felder
geholfen hat, macht sie eine kleine Visite
beim altersgrauen Steinkreuz mit dem abgeschlagenen
Arm, das in der Nähe des Feldweges
zum Röthenbach steht, und dann geht es hurtig
hinein in die Langenauer Matten. Das Dörfchen
Enkenstein, welches drüben unterhalb des „Bür-
gele" sein Nachmittagsschläfchen hält, sehen wir
nur aus der Ferne. Wir senden einen stummen
Gruß hinüber zu seinen freundlichen Bewohnern
und dann wandern wir dem letzten Dorf
des Kleinen Wiesentales zu: Langenau.
Am Igang zuem chleine Wiesetal
lit zwüsche de Berge inebettet
das Dorf Langenau, in dr Ferni
grüeßt vo dr verfallene Rotheburg.
Übere schmale Wiesesteg chunnt me
in d'Etzmatt; dort solle die drei
erste Hüüser vom Dorf gstande ha,
wie nies ne alti Sag überlieferet.
's chlei Kapelleli verzellt is vc
alte Gschlechter, die im Dorf glebt
hen, un ufern stille Gottsacher zuer
ewige Rueih bstattet worde sin.
Under dr Linde bim Rothuus
plätschered dr Brunne sit alter Zyt,
wo amig dr Nachtwächter mit Laterne
un Spieß dur 's Dorf gange isch.
Us dr Bergsmatt ruuscht ne Bächli
dr chleine Wiese zue; dort hinte
im Steineberg sin amig d'Chöhler
gsi un hen Holzchohle gmacht.
Am Bergweg obe im Düücheleloch sin
früeiher d'Brunnedüüchel ufbewahrt
worde für d'Brunne im Dorf vorne,
wo me amig 's Wasser gholt het.
Es isch gar emsig gschafft worde;
in dr alte Fabrik hen si Ziegel
gmacht, un in de Nagelschmiede het
au dr ganz Tag dr Hammer g'chlopft.
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