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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-03/0013
Aus seinem Begleitschreiben vom 12. Oktober •
1756 5 erfahren wir, daß der Magistrat „den hierum
Eingekommenen Jacob Christoph Klein per
unanimia (einstimmig) auf und angenommen
habe". Wäre Kleins Lebenslauf vollkommen,
wenn sich nicht auch an ihm die „Faustregel"
der Welt bestätigen würde: 40 Jahre später stellt
sich der Magistrat ebenso einstimmig gegen seinen
Kanzleiverwalter.

Graf v. Schauenburg gibt uns in seinem Begleitschreiben
die ersten Umrisse zum Porträt
dieses Mannes. Er schreibt, daß er „gegen das
neu außgewöhlte Subjectum keine ausstellung,
sonderen demselben als Einem ö:Breysgauischen
Landskind wegen seinem guth besitzenden Studio
Juridico, auch bey dem Cameralamt zu Waldkirch
sich erworbener Praxeos und bishero Erzeugten
fleißes alles lob beyzulegen waiß".

An weiteren Lebensdaten ist von ihm nichts,
bekannt, als daß er von Gottenheim stammte,
wohin er sich an seinem Lebensabend verbittert
wieder zurückzog. Aus allen seinen Schreiben
aber, vom ersten am 9. Oktober 1756 an bis zum
letzten vom 16. Hornung 1799, formt sich uns
sein Bild. Mit jedem Aktenstück fügt er selbst
seinem Porträt, das Kreishauptmann v. Schauenburg
begonnen hatte, ergänzende Striche zu.

Klein war zweifellos dem Neuenburger Magistrat
an Wissen und Geschicklichkeit überlegen.
Wir dürfen ihm sicherlich zugute halten, daß er
mit dem besten Willen und den größten Illusionen
hierher kam. Kann man ihm einen Vorwurf
daraus machen, daß die drückenden örtlichen
Verhältnisse nicht ohne Einfluß auf seinen Charakter
geblieben waren? Wer um sich herum
nur Rücksichtslosigkeit, Eigennutz und Brutalität
sieht, kann schließlich nur bestehen, wenn er
sich anpaßt und auf einen Schelm zweie setzt
oder wenn er das Gemeinwesen verläßt, wo er
nicht bessernd wirken kann. Zum stillen Dulder,
der Bosheit mit hilfreicher Liebe heimzahlt, war
Klein nicht geschaffen. Sein Amt zu verlassen,
waren die Zeiten nicht angetan. So verlegte er
sich darauf, mit Gleichem zu vergelten. Er schrieb
die Beschlüsse des Magistrates nieder, begründete
sie in seiner Meisterschaft und fügte zum
amtlichen Schreiben ein persönliches, in welchem
er seine eigene entgegengesetzte Meinung darlegt
. In jedem Falle nahm die Regierung seinen
Vorschlag an. Dies mußte mit der Zeit dem Magistrat
auffallen. Von da an war er Klein begreiflicherweise
nicht mehr wohl gesonnen. Nun
wird er zur „eigentlichen Haubtursach der Rech-
ungs Verwibrung". Er hat die Methode des
„über den Daumen Peilens" von seiner Umgebung
angenommen. Er sah, wie sich jeder bereicherte
, ob an den Spitalgütern, am Stadtwein,
am Gemeindewald, an den Gefällen und tat voraussichtlich
ein gleiches. Es gibt Stunden, in
denen man sich mit ihm kränkt, wenn er bitten
muß, weiter amtieren zu dürfen. Sein Leben zeigt
die ganze menschliche Fragwürdigkeit.

Am 9. Dezember 1793 6 teilt der Obervogt der
v. ö. Herrschaft Kürnberg, v. Bauer, Klein mit,
daß er nach nunmehr 40jähriger Dienstzeit zur
Ruhe gesetzt sei. Allerdings „Haben Seine Majestät
dem alterlebten bisherigen Syndikus Klein
in Rucksicht seines hohen Alters (65 Jahre) und
mehr als 40jährigen Dienstleistung1 einen Jubila-
zionsgehait von jährlichen, 200 f in der Art aller-
gnädigst zu bewilligen geruhet, daß hieran die
Stadt aus ihren Mitteln die eine Hälfte, die andere
aber der Spital, jeder Theil also 100 f, zu
leisten habe" \

Damit sah sich Klein vor die Existenzfrage
gestellt; wie nachhaltig und bitter, konnte er an
diesem Tage noch nicht ahnen. Er gab noch
nichts verloren. Er kannte solche Situationen
und hatte mittels einer sturen Beharrlichkeit
stets gesiegt. Warum nicht auch diesesmal? Daß
unwiderruflich das Ende gekommen war, sah er
nicht ein. Er richtete am 30. Dezember ein Schreiben8
an das Landespräsidium und bat, ihn weiterhin
im Amte zu belassen oder . noch besser,
ihn zum Städtischen Syndikus zu befördern. Er
hält sich zu diesem Amt durchaus befähigt, denn
niemand habe in Friedens- und Kriegszeiten solch
reiche Erfahrungen in den „vorkommenden Geschäften
" gesammelt, als er. Er appelliert an das
Mitleid, da „wegen ob waithenden Kriegszeiten/
und davon entstandener Theurung aller Gattungs
Viktualien die ihme geschöpfte Pension zu sein
und seiner noch unversorgten mehreren Kindern
unterhalt- und ernährung lang nicht hinreichend
seyn mag".

Er rechnet weiterhin mit der durch die Notzeiten
auferlegten Sparsamkeit und mit dem Geiz
der Stadtväter, der sich besonders da äußerte, wo
es nicht um ihr eigenes Wohl ging. Da „die Stadt
dahier zu unvermögend ist, nebst der dem unterzogenen
(Unterschriebenen) geschöpften Pension
noch die Syndikats Besoldung zu bestreiten,
nachdeme schon seith der Französischen Revolution
die besten Quellen der Städtischen Einkünften
, nämlich die Gefälle von Schalampe, von der
Rheinüberfahrt samt dem mit dieser verbundenen
Rheinzoll, hauptsächlich aber von Waldungen
und Rhein Inßlen dies- und jennseits des
Rheins zurückgeblieben sind, auch Letztere nach
wü-rklich hergestelltem Frieden noch auf mehrere
Jahr rückbleiben werden". Würde er aber
noch länger beschäftigt werden, so erspare die
Stadt 100 Gulden, lege man die 100 Gulden
aus dem Spitalfond zu seinem Gehalt, sogar
200 Gulden.

Er war seiner Sache so sicher, daß er alle
seine sonst gebrauchten untertänigsten Redewendungen
wegläßt und nur „Bitte des Kanzleiverwalters
Klein" schreibt. Vielleicht hat auch die
Revolutionszeit etwas dazu beigetragen. Zu Beginn
des Jahres war das Haupt Ludwigs XVI.
gefallen. Vor vierzehn Tagen erst hatte sich der
nördliche Himmel vom Brande Breisachs gerötet
und war die Bevölkerung Neuenbürgs vor den
Schüssen einer im Wolfsgrün stehenden französischen
Batterie geflüchtet.

Die Antwort war niederschmetternd. Da seine
Pensionierung durch ein allerhöchstes Hofdekret
von Wien aus erfolgt war, wurde sein Gesuch am
13. Januar 1794 von Freiburg völlig abgelehnt9.
Daraufhin bittet er um die Erlaubnis, „daß er
die ihme geschöpfte Pension in einem anderen

Ii


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