Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-04/0005
Erzähler: Gleichviel. Unverständlich ist jedenfalls das
Wort Steinebrunner. Der Zusammenhang führt dahin, in
dem genannten Wesen Steinebrunner eine Art Abgesandten
des Proteus, also des Belchenbeherrschenden
Gottes, zu erblicken. Was sagt das „Wörterbuch des
Belchismus" dazu?

Sprecher: Es vermerkt unter dem Leitwort „Steinibrun-
ner", in Klammer „Steisibruser" den Begriff „Begleiter".
Führt das weiter?

Erzähler: O ja. Als Hitzig und Hebel auf den Belchen
wandern, kehren sie im Wirtshaus zur Sonne ein, dessen
Wirt Steinebrunner heißt. Dieser — oder vielleicht auch
sein Sohn — führt die Freunde hinauf auf den Belchen
und wird, wie Hebel einmal sagt, zum —

Hebel: — Zeugen unseres freundlichen Beisammenseins
und unserer lieblichen Torheit . . .

Erzähler: Zu dem Wort Seustel sagt das Wörterbuch
nicht viel, lediglich:

Sprecher: Seistel: Vermehrungsort des höchsten Grades.
Erzähler: Also immerhin doch etwas Außerordentliches,
etwas ganz Besonderes. Um genau zu erfahren, was es
bedeutet, muß man schon in Hebels Brief en blättern. Und
findet in einem Brief vom März 1806, der an Hitzig gerichtet
ist, etwa diesen Satz:

Hebel: .. Darüber möchte ich hören, .. aber bald, Alter,
oder ich komm und wälze dir einen Seustel vom Belchen
herab in den Rebberg, der alle Stecken zerschlagt...

Erzähler: Seustel ist also der Name für einen großen
Steinblock. An anderer Stelle ist davon die Rede, daß
die Teilnehmer an jener Belchen Wanderung Steinblöcke
so groß wie Schweineställe den Berg hinabgewälzt hätten
. Auf das, was diese Blöcke auf ihrer Niederfahrt
alles anrichteten, spielt Hebel in der Versepistel ja auch
an. Die Urlaute der durchs Gehölz krachenden Blöcke
hat Hebel immer noch im Ohr. Sie gehören für immer
zu dem großen Orchester von akustischen und optischen
und emotionalen Eindrücken, die auf jener Beichenwanderung
auf Hebel einstürmten. Eindrücke, die auf ein
auf getanes Gemüt trafen, ja auf ein ekstatisch erhobenes
Gemüt.

Sprecher: Eine ganze Reihe von belchischen Worten und
Anspielungen finden sich in einem Brief Hebels an
Hitzig vom November 1802. Hebel berichtet darin über
den Fortgang des Drucks der Alemannischen Gedichte.
Erregt durch das Hindenken zum Oberland kommen ihm
die Erinnerungen an die Beichenwanderung zurück — er
nennt sie und auch jede Wanderung auch anderer Leute
auf den Belchen bisweilen auch „Belchenwallfahrt". Er
schreibt:

Hebel: O die heiligen Buchen —

Sprecher: — gemeint sind vielleicht jene von Schönenbuchen
bei Schönau —

Hebel: — und o die dämmernden Halden, und der wolkenverwandte
Altar —

Sprecher: — der Belchen ist der Altar des Proteus —
Hebel: — und der schweigende See —
Sprecher: — zweifellos der Nonnenmattweiher —

Hebel: — und die öchslein umher und das alternde
Bebi und der dreckige Dreeckchdu und Karolinens Laube,
und alle Zeugen unseres freundlichen Beisammenseins
und unserer lieblichen Torheit...

Sprecher: Zu dem Wort öchslein vermerkt Hebel im
Wörterbuch des Belchismus, es bedeute —

Hebel: erstens jeden Gegenstand eines Wunsches, zweitens
angenehme Funde, insbesondere drittens mineralogische
Produkte. Feldöchslein = Feldspat. Seeöchslein =
Quarz. Dotnauer öchslein = Flußspat. Aber Waldöchs-
lein heißen Himbeeren. Ein paar öchslein schmecken ==
erstens des Gegenstandes seiner Wünsche habhaft werden
, auch zweitens: neue Hoffnung dazu bekommen, —v
drittens überhaupt: finden.

Sprecher: Zu dem Wort öchslein gehört das Wort Metzger
, das sich ebenfalls im Wörterbuch findet und zu dem
Hebel erläutert:

Hebel: Metzger - ein Verwandter, — nach dem äußerlichen
Schein beurteilter incognito Reisender, — ein Beinamen
der Proteuser.

Erzähler: Zu der Bezeichnung Metzger ist es auf jener
Beichenwanderung deshalb gekommen, weil Hebel und
Hitzig unterwegs für viehkaufende Metzger gehalten
worden sind. Was Wunder, daß die beiden selbst die
Dinge, die sie suchten — also Beeren und Minerale —
als öchslein bezeichneten? Als Metzger mußten sie ja
auf öchslein aus sein. Die anderen vorhin im Brief
vorgekommenen Namen sind ebenfalls im Wörterbuch
zu finden und gehören zweifellos zu Leuten, denen die
Beichenwanderer begegnet sind: Beebi ist aufgeschlüsselt
als „Mutter", zu Caroline gehört ein Adjektiv „caro-
linsch", das „zweideutig, rätselhaft" bedeutet, und zu
„Dreeckchdu" ist notiert, das sei eine Benennung der
Schwabenhämmel. Und Schwabenhämmel sind, wie man
aus dem Almanach des Proteus weiß, besonders stupide
Menschen. Der Ausdruck „Dreeckch-Du" ist phonetisch so
genau aufgezeichnet, daß man ihn als hochalemannisch
bestimmen kann. Die Beichenwanderer müssen also auf
einen Alemannen mit besonders ausgeprägter Mundart
gestoßen sein.

Sprecher: Die Wörter des belchischen Wörterbuches sind
von verschiedenster Herkunft. Die bisher genannten sind
aus der Laune des Augenblicks und aus zufälligen Begegnungen
entstanden, sind deutsche oder mundartliche
Worte, mit geheimer Bedeutung. Zu diesen belchischen
Wörtern gehören auch solche, die ein richtiges deutsches
Wort durch Buchstabenumstellung und Buchstabeneinschub
unkenntlich machen. Das Glanzstück der auf diese
Weise gebildeten Wörter ist der „Desegelesgeinet", d.h.
der Dengelegeist. Desegelesgeinet wird im Wörterbuch
dahin erklärt, er sei —

Hebel: — das böse Wesen, der Antiproteus, metaphorice
der Teufel.

Sprecher: Auf gleiche Weise sind einige Worte gebildet,
die Hebel in den Briefen gelegentlich verwendet, die aber
nicht im Wörterbuch stehen. Zum Beispiel Geinet für
Geist, Pränisedet für Präsident, Netorek für Storken =
Störche. Im Wörterbuch hat Hebel hinter den Worterklärungen
fast immer einen Einzelbuchstaben mit
Punkt gesetzt. Er bedeutet die Herkunft des betreffen-

3


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-04/0005