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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-06/0004
Dr. Robert Feger, Freiburg:

Äee unbekannte f>ebel

Belchismus oder das All im Oberland

(Schluß.)

Erzähler: Nun folgt der große Choral über das Nichts
und die Nichts Verehrer:

Hebel:

Hör in deines Heiligtumes
verlorenen Tiefen deines Ruhmes
und unsres Dankes Feierton!
Geist des Schweigens, Geist der Nächte,
den nie des Daseins Unwert schwächte,
erhebe dich auf deinem Thron.
Hoch wallt in unserm Mut
der Weihe heil'ge Glut.
Doch wir lodern
ins Sein zurück,
wenn nicht dein Blick
sich öffnet, daß er uns erquick'.
Wo die Reinheit deines Nichts
und deiner Nacht in Sonnenlichtes
und Sternenfunkelschein sich hüllt,
dort wo Philomelens Flöte
und wo der Hauch der Morgenröte
in deine stille Feier brüllt, —
wo Nichts sich in Gestalt,
in Mond und Erde ballt,
ach, da irrten
auch wir im Licht
so schwer und dicht
und fühlten dich und sah'n dich nicht.
Ach das Nichts, das aus dir quillet
und in uns lebte, war verhüllet
in einen irdisch groben Geist,
ach mißhandelt, ach entedelt,
in Körpers-Poren eingefädelt,
in Haut und Muskeln eingefleischt.
Da rührt uns deine Hand,
und unsre Hülle schwand.
Sanftes Wehen aus deinem Mund
' macht uns zur Stund
vom Siechtum dieses Seins gesund . . .
Wesen sind, doch alle liegen
in seinem Nichts, und alle schmiegen
sich seines Schoßes Falten ein.
Sein Hauch, der sie durchschwebt,
sie nähret und belebt,
löset leise
ihr träges Sein
und saugt sie rein
und geistig in sein Wesen ein.

Erzähler: Die letzte Strophe spricht von der irdischen
Stätte der Nichtsverehrung, dem Berg Belchen.

Hebel:

Ihn verehrt in weiter Ferne

und singt zum Sphärenklang der Sterne

sein Lob ein irdischer Konflikt.

Sein geweihter Priester sitzet,

wo sich der hohe Belchen spitzet,

den Irdischen in Nichts entrückt,

Proteuser seine Schar,

der Belchen sein Altar,

Sieben Buchen

am Mattenrain
sein Feierhain.

Was Rhein und Wiese tränkt, ist sein.

Erzähler: Die Bezüge sind deutlich: Der Belchen ist der
Altar des Proteus. Unter dem Priester des Proteus ist
Freund Hitzig zu verstehen, der in den Briefen auch als
Oberpriester angeredet wird. Mit den sieben Schönen
Buchen, Rhein und Wiese ist die Oberländer Heimat als
der Tempel des Proteus zur Genüge angedeutet. Die erste
Strophe des Chorals — Hör in deines Heiligtumes... —
wird nun wiederholt als Schluß. Dann schwingt die frei-
maurerisch anmutende Lobpreisung wieder zum Erleben
des Dichters zurück:

Hebel:

So schwieg's noch nie.

Zwölfhundert Oktaven leiser

Als Totenfeier im stillen Grab

schleicht's durch der Urproteuser

unübersehbare Reihen hinab.

Ha, welche Schauer ergießet

die Nähe seines Angesichts,

mein irdisch Sein zerfließet

hinüber in sein seliges Nichts.

Es träufelt in träufelndes Nichts hinweg,

es dünstet in dünstendes Me on hinüber —

Erzähler:

— Me on ist griechisch und bedeutet Nichtsein —
Hebel:

— frei von der Materie krampfigem Fieber
duft' ich aus der Reihe der Wesen hinweg
Urrein

ganz dein

deinem Busen näher
Vater der Protäer!
Innig von dir angezogen,
geistig von dir eingesogen,
Urrein ganz dein!

Erzähler: Hier ist der Höhepunkt der ekstatischen Vereinigung
mit dem Urgeist erreicht. Allein — so merkwürdig
es klingt: auch dies genügt dem Dichter noch
nicht. Er möchte sein großes Erlebnis auch dem Freund
zugänglich machen, — möchte ihn teilhabend wissen an
der Schau des Proteus. So wendet er sich zunächst ihm
zu und nennt ihn dabei: Zenoides, das heißt Sohn oder
Anhänger des Zeno, — so wie Hebel selbst im Verkehr
mit den Lörracher Freunden Parmenideus heißt, das ist:
Sohn oder Anhänger des Parmenides. So also ruft Hebel-
Parmenideus nach Hitzig-Zenoides:

Hebel:

O sähst du selbst, wie ich;
o dräng es so in dich,
Zenoides!

Erzähler: Das Echo der Geister gibt den Namen des
Freundes zweimal zurück und stimmt dann ein Lied auf
die Freundschaft der beiden an, die sich auf jener wirklichen
Beichenwanderung, im gemeinsamen Erleben der
Beichenweit, auch in ihrer belchischen Erhobenheit bestätigt
gefühlt hatte:

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