http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-06/0013
Noch heute ziehen die Einwohner'von Tunsei an
diesem Tag in einer Prozession zur Kapelle, um
dort den Segen der Gottesmutter für die Saaten
zu erflehen. Aus der Pfarrchronik geht hervor,
daß der Wallfahrtsbesuch früher zeitweise so
stark war, daß geschäftstüchtige Kaufleute Verkaufsbuden
aufgeschlagen hatten. Es gibt zwar
keine schriftlichen Unterlagen, welche die Maria-
Hilf-Kapelle als Wallfahrtsort ausweisen, dennoch
lassen einige Votivgaben vermuten, daß die Menschen
nicht umsonst Zuflucht gesucht haben.
Im Monat Mai eines jeden Jahres brennen
die Kerzen auf dem schmiedeeisernen Opferständer
fast ununterbrochen. An mehreren Abenden
ziehen die Gläubigen aus Tunsei in einer
Lichterprozession hinaus zur Gottesmutterkapelle.
So ist, wenn auch nur auf örtlicher Ebene, wenigstens
ein kleiner Hauch von der früheren
Anziehungskraft der Gnadenkapelle übriggeblieben
.
Alfred Dietz, Weil a. Rh.:
„Wenn bt fuedjTdJ, fln 3lueme fco"
Erinnerungen an einen Karl-Berner-Abend am 3. März 1951 in Kandern
„Un wenn de sihsch, aß d'Sunne abegoht,
Und d'Nacht will cho, di langi, langi Nacht;
Schlof numme, schlof — de weisch 30,
d'Heimet wiacht,
Si blybt d'r treu, au v$o dy Chrüzli stoht".
Mit diesen Worten schloß Karl Berner, der
„dichtende Pädagoge" und treue Kanderner, seine
Hymne an die Heimat — und um dieser Treue
willen veranstaltete das Jugend- und Volksbildungswerk
Kandern am Samstag, dem 3. März
1951 einen Dichterabend, der allein dem Gedächtnis
Karl Berners gewidmet war und sein Leben
und Werk den Zuhörern in leuchtenden Farben
vor die Seele stellen wollte, damit sein geistiges
Erbe nicht das Schicksal mancher Tugend teile,
von der Karl Berner, in seinen Splittern sagt,
„es ergehe ihr wie den Klassikern, man lobt sie,
aber stellt sie in den Schrank".
Der Schreiber dieser Zeilen und eine , Laienspielschar
hatten es unternommen, einen Gang
durch das Leben des Kanderner Heimatdichters
an Hand seiner Werke zu vermitteln. Einen Gang
durch ein Leben, das — still und bescheiden —
dem Dienst an der Jugend gewidmet und von der
erdverbundenen und heimatverwurzelten Pflanze
seines dichterischen Schaffens umrankt war, die
so köstliche und reiche Früchte trug, daß sie wohl
verdient, nicht in Vergessenheit zu geraten.
„Nie habe sich Berner zur Veröffentlichung
seiner Dichtung gedrängt", schrieb Hermann Eris
Busse, „so daß nur wenig davon gesammelt erschien
, viel aber in guten Zeitschriften, Kalendern
, Zeitungen und Schulbüchern ^herumfliege*.
Berner seien in Hebelscher Nachfolge wohl die
besten Anekdoten und ' Idylle, heitere Gedichte
und Geschichten gelungen, und neben seinen
hochdeutschen Erzählungen und Versen habe
Berner ebenso urig als fein die Markgräfler
Mundart als Sprache der Dichtung anzuwenden
gewußt, daß er iruhig sein fröhliches und empfindsames
Herz als einer der Vordersten hätte vorantragen
können in Wort und Vers".
Dieses Urteil fand sich — so urteilte damals
die Presse im Jahre 1951 nach dem Karl-Berner-
Abend — in jedem seiner von den jungen Menschen
mit dem Herzen dargebotenen Werken
bestätigt. Sie gestatteten einen tiefen Einblick
in das Leben Karl Berners und öffneten jedem
Hörer das Herz für seine heitere Lebensphilosophie
, seine besinnlichen Gedanken, seine klugen
Erkenntnisse und seine, große alles überstrahlende
Heimatliebe.
Karl Berner wurde am 26. Januar 1863 in
Kandern geboren. Unter d^n mächtigen Kasta-
nienbäumen am Blumenplatz verlebte er seine
Jugend. Am liebsten aber hielt er sich in der
Werkstatt seines Vaters auf, eines geschickten
Uhrmachers. Dort hingen und standen Uhren in
allen Größen und Formen. Das Büblein gab jeder
einen Namen, dort in der Ecke die dicke
Wanduhr, das war die Tante Marie, und das
zierliche Ührlein dort, das so geschäftig tickte,
das war Nachbars Lieseli, dessen Mundwerk auch
nicht still gehen konnte. Hier in seines Vaters
Werkstatt, in der dieser sich mit dem Plan, ein
Räderwerk zu konstruieren, das den ewigen
Umgang hatte, ein „perpetuum mobile", befaßte,
stand der kleine Karl bewundernd neben seinem
Vater. Dieses Wunderwerk seines Vaters beschreibt
Karl Berner in dem Gedicht „Meines
Vaters Uhr". ,:
Der junge Mann hatte aber auch Kanten, die
abgefeilt werden mußten. Die Verwandten werden
ihn oft auf seine Ecken und Kanten hingewiesen
haben, so daß er einmal schrieb:
Freunde, Vettern, Basen, Tanten,
Laßt die Ecken mir, die Kanten,
Rund kann nur die Kugel sein.
Prismen sind die echten Dichter,
Eures Lebens bleiche Lichter
Wandeln sie in bunten Schein.
Bewundernd hatte er zu seinem Vater aufgesehen
, den er so früh verlor; innig liebte er seine
Mutter, von der er sich oft Geschichten aus dem
Jahre 1848 oder gar manche lustige Geschichte
erzählen ließ.
„Un druckt di wie ne Zentnerstei
Dy Chummer gell, er wird d'r liicht:
De traisch dy Burdi nit ällei,
Wenn d'Muetter über d'Stirne striicht".
Wenn er später in seiner Studierstube in Frei-
> burg saß, er war in der Zwischenzeit Studienrat
geworden, fern von der Heimatstadt, dann über-
11
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-06/0013