http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-06/0015
Dr. E. Scheffelt, Badenweiler:
Von Dögeln, £ötoen unb f)unben
Auguste weiß, wie jede Nichte
Sehr wenig von Naturgeschichte;
Zu bilden sie in diesem Fache
Ist für den Onkel Ehrensache.
Aus Wilhelm Busch: „Die Meisen"
Zu nachfolgenden Zeilen sei bemerkt, daß es
sich nicht um einen Onkel handelt, sondern um
einen Opa. Der bin ich. Und meine Enkelin heißt
nicht Auguste, sondern Ulrike. Diese saß neulich
in meinem Zimmer, als ein prächtiger Dompfaff
Einlaß begehrte. Er trachtete nach der Büchse
mit dem Körnerfutter, worin er neulich schon
saß. Ulrike rief: „Schau, das schöne Rotkehlchen
!" Ich tadelte das Kind, weil es als Enkelin
eines Biologen die einheimischen Vögel nicht
kenne. Sie fragte dann: „Opa,' warum sind alle
Tiere so zutraulich gegen dich?" Ich erklärte der
Enkelin, daß man viel Geduld mit Tieren haben
müsse, daß man sie nicht anschreien dürfe usw.
„Ist es wahr, daß du alle Vogelsprachen verstehst
?" Ich erzählte ihr folgendes:
Als kleiner Junge ging ich einmal, beschützt
von meinem großen weißen Spitz „Favorit", über
den Hochblauen nach Bürgeln. Zwischen beiden
örtlichkeiten liegt der „Hexenplatz" mit Schutzhütte
. Von dort erscholl eine Stimme: „Büebli,
hesch scho z'Nüni ka?" (für norddeutsche Leser:
hast du schon gevesnert?). Da Favorit kein Mißtrauen
zeigte, gingen wir zur Hütte und fanden
dort ein altes Weib, also eine Hexe. Sie erklärte
mir, sie habe eine Auerhahn-Leber gebraten,
ich solle sie essen. Als ich satt war, sagte die
Alte: „So Bübli, jetzt wirst du die Sprache aller
Vögel verstehen". Wir dankten und wanderten
weiter. Fritz Reutter würde zu dieser Geschichte
sagen: „lügenhaft to verteilen". Aber ich spüre
die Wirkung der Auerhahn-Leber heute noch,
besonders da ich fast alle Vogelstimmen nachpfeifen
kann, was die Verständigung mit den
Gefiederten sehr erleichtert.
Leider war ich nie in Afrika, aber ein Erlebnis
mit einer Löwin hatte ich doch. Im Hochschwarzwald
! Der freundliche Leser wird wieder
sagen: lügenhaft to verteilen. Aber die Geschichte
mit der Löwin kann ich beweisen!
Ich war Student in Freiburg und gehörte der
Turnerschaft Markomannia an. Ein „Alter Herr"
von uns war Professor Brandes, Direktor des
zoologischen Gartens in Dresden. Der schickte
uns zunächst einmal zwei Doggen, Hektar und
Caesar, letzterer war mehrfach Feriengast bei
mir. Dann aber kam aus Dresden eine junge
Löwin namens Marka, mit der ich kaum Bekanntschaft
machen konnte, da ich meine Doktorarbeit
„Die Kleintierwelt der Schwarzwaldseen"
bearbeiten und vollenden mußte. Obenbenannte
Turnerschaft hatte hoch über dein Titisee, im
Bärental, ein Bauernhaus gemietet, in welchem
„Alte Herren" und gelegentlich auch junge
Kommilitonen wohnen konnten. Die Löwin wuchs
stattlich heran, so daß die Freiburger Polizei sie
auf der Kaiserstraße nicht mehr dulden wollte.
So kam Helenchen auf das Land (Busch). Auf den
Hochschwarzwald. Und ich kam einmal vom
Titisee herauf, beladen mit Mikroskop und anderem
Gerät, und durfte Nachtquartier nehmen im
Markomannenhaus. Das Fenster ließ ich offen,
denn die Schwarzwaldluft ist gut (weil die Bauern
ihre Fenster nicht aufmachen, sagte ein boshafter
Sommerfrischler). - Ich schlief gut bis zum
Morgengrauen, da kam die Löwin zum Fenster
herein und legte sich behutsam auf mein Bett.
Sie roch nicht gut aus dem Mund, denn sie hatte
soeben ein Kaninchen gefressen, wie ich später
hörte. Es war mir nicht ganz wohl in meiner
Haut und als Frau. Dr. Schi, zum Frühstück rief,
antwortete ich kläglich: Ich kann nicht aufstehen,
die Marka liegt in meinem Bett. Da kam die
Hausdame mit einem Stöckchen und jagte die
geschmeidige Afrikanerin zum Fenster hinaus.
Ich hab sie nie mehr gesehen; man gab sie dem
Basler Zoo.
Dort lag einmal ein Löwe dicht am Gitter
seines Käfigs und dank meiner langen Arme
konnte ich ihn kräftig liebkosen. Er grunzte zufrieden
. Dann kam ein Wärter und sagte: „Bim
Tiger nebena det i ihne nit rote, durs Gitter
z'länge!"
Nun wollte Ulrike noch etwas über meinen
Umgang mit Hunden wissen. Darüber könnte ich
ein ganzes Buch schreiben, aber ich will mich auf
einen Einzelfall beschränken.
Im Krieg hatte ich einmal Urlaub-und begab
mich mit zwei anderen Offizieren in ein Nachbardorf
. Dort, im Gasthof zum Wolf, gab es noch
ein gutes Abendessen, und der Wein war auch
nicht übel, denn in Rußland gabs keinen. Schließlich
mußte ich mal „nach den Sternen sehen". Die
gesuchte örtlichkeit lag weit über dem Hof, ich
mußte an einer Scheune vorbei, dort lag ein$
gewaltige, schwarz-weiße Dogge an kurzer Kette.
Auf dem Rückweg betrachtete ich das Tier näher,
es schien freundlich zu sein, ich machte es von
der Kette los und ging mit meinem neuen Freund
in die Gaststube.
Da hättet ihr die Wirtin sehen und hören sollen
. Sie zitterte förmlich. Sie hat mich beobachtet
, als ich das Tier von der Kette löste, hätte
mich durchs Fenster hinaus gern gewarnt, fürchtete
aber, der Hund würde aufmerksam und
böse. Sie, die Wirtin, könne dem wilden Tier die
Futterschüssel nur vorsichtig mit den Fußspitzen
zuschieben. Sie schloß ihren Bericht mit den
Worten: „Herr Leutnant, bringen Sie bitte den
Hund wieder hinaus und binden Sie ihn an; ich
wage es nicht." Ich gehorchte, der Hund gehorchte
auch; ich machte noch einen kleinen
Spaziergang mit ihm und legte ihn dann wieder
an seine Kette, die ich aber ganz lang machte.
An jenem Abend konnte niemand mehr „nach
den Sternen sehen".
Jetzt ist das Gasthaus „Zum Wolf" umgebaut
und kein Hund bedroht mehr den Zecher, der
sich mal bewegen muß.
13
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-06/0015