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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-09/0004
Dr. Robert Feger, Freiburg:

jözv unbekannte f>ebel IV:

Das patt\oÜ{äiz Watjntoort an 6en Detter

Sprecher: Im Jahre 1882 gab Georg Längin als
Leser: — Nachträge zu Hebels Werken, Beiträge zu seiner
Charakteristik —

Sprecher: — eine kleine Zusammenstellung von bisher
nicht bekannten Schriften Hebels heraus unter dem
Titel —

Leser: — Aus Johann Peter Hebels ungedruckten Papieren
.

Sprecher: In diesem Band steht als Nr. 41 dort eine in
den Umkreis des Rheinländischen Hausfreunds bzw. der
dort jeweils gebotenen Weltbegebenheiten gehörende Arbeit
Hebels. Sie war vorher nie gedruckt worden; Hebel
hatte sie offenbar, als sie bei dem gedachten Anlaß nicht
zum Druck kam, später selbst davor zurückgehalten. Es
handelt sich um die Schrift —

Hebel: An den Vetter! Patriotisches Mahnwort.
Sprecher: Uber die Herkunft der Schrift berichtet Längin
im Vorwort seiner Nachtragssammlung, es handle sich
um Papiere aus dem Besitz des Großherzogs. In der Anmerkung
zum Text des Mahnworts schreibt der Herausgeber
dann:

Leser: Es findet sich in unseren Papieren in doppelter
Form vor, als Konzept von Hebels Hand und in Reinschrift
von anderer Hand mit Korrekturen Hebels. Auf
der Reinschrift steht die Notiz: gefertigt im Jenner 1814.
Es war also zur Zeit des Einrückens der verbündeten
Heere nach Frankreich. Ob der Aufruf gedruckt oder
irgend praktisch verwendet wurde, ist uns nicht bekannt.
Sprecher: Wilhelm Zentner, der innerhalb seiner Hebel-
Gesamtausgabe das Mahnwort folgerichtig unter die
Kalenderbeiträge einreiht, weiß weiter dazu zu berichten:
Leser: Dieses „Mahnwort" wurde von Hebel im Januar
1814 niedergeschrieben, offenbar mit starker innerer Anteilnahme
, und der Großherzoglichen Generalkommission
für die Landesbewaffnung als Werbeblatt für den Beitritt
zum Landsturm vorgelegt. Die Kommission fand
nichts dagegen zu erinnern, doch blieb das Blatt leider
ungedruckt. In handschriftlicher Verbreitung kannte man
es allerdings im Hauptquartier der Verbündeten und
wohl auch im Feldlager, wie aus einer Briefnotiz Jakob
Grimms erhellt...

Sprecher: Jakob Grimm befand sich damals als literarischer
und antiquarischer Schlachtenbummler mit dem
Auf trag, von den Franzosen entführte Handschriften wieder
nach Hessen zurückzubringen, bei der Gesandtschaft
im Hauptquartier. Von Chaumont inBassigny aus schrieb
Jakob Grimm am 8. Februar 1814 an seinen Bruder
Wilhelm:

Leser: Man hat ein Manuskript eines Aufsatzes von Hebel
über die Zeitereignisse, den Landsturm etc., das ich
noch nicht gesehen habe, gesprächsweise wie im Hausfreund
. . .

Sprecher: Es kann sich der Sachlage nach bei besagtem
Manuskript wohl nur um die Handschrift des „Mahnworts
" gehandelt haben. Hebel selbst war dem Schreiber
des Briefes, Jakob Grimm, von Karlsruhe her bekannt.
Im Januar 1814 war Jakob Grimm durch Karlsruhe gekommen
und hatte neben seinem Stöbern nach altdeutschen
Handschriften auch Besuche gemacht, so auch bei
Hebel. Die beiden Männer hatten sich über Literarisches

unterhalten. Interessant zu lesen, welchen Eindruck
Hebel auf Grimm gemacht hat. Er schreibt am 8. Januar
und noch einmal am 12. an Bruder Wilhelm:

Leser: Eben war ich bei Hebel, der etwa so aussieht,
wie er aussehen muß, und mit mir in seiner Stube, wo
es aber recht ordentlich ist, eine halbe Stunde die Pfeife
rauchend herumgegangen ist.. , Hebel ist mehr still wie
laut und spricht lieber im Einzelnen als im Ganzen...
Es fiel mir, während ich neben ihm stand, ein, wenn er
von unseren Zänkereien mit Gräther, Rüs, Hagen hörte,
würde es ihn an uns stören, und um solcher frommen
Leute willen wollen wir uns von nun an vor dergleichen
hüten, so viel es bestehen kann...

Sprecher: Hebel hat also — und das ist für das Verständnis
seiner Haltung zu jener Zeit und auch zum Verständnis
des „Mahnworts" sehr wichtig! — auf Grimm
einen sehr nachhaltigen Eindruck gemacht. Und einen
Eindruck, der auf der Ausgeglichenheit, der maßvollen
Zurückhaltung, der echten Menschenfreundlichkeit und
Frömmigkeit beruhte, die an Hebel auch zu anderen
Zeiten und eigentlich stets festgestellt werden können.
Und dies nicht nur im persönlichen Bereich, sondern
auch in der Beurteilung der Politik. Das Letztere geht
aus einer hübschen Anekdote hervor, die Jakob Grimm
unterm 12. Januar berichtet und die in der Museumsgesellschaft
in Anwesenheit Hebels spielte. Jakob
schreibt:

Leser: Auch der preußische Dichter Schenkendorf aus
Tilsit oder Königsberg war zugegen, ich saß still zwischen
ihm und Hebel, sprach aber viel lieber mit dem..;
Schenkendorf las ein Gedicht auf den gefallenen Prinz
Homburg, worin in jeder Strophe: Cattenblut, heißes
Blut, rotes Blut wiederkommt, und Hebel meinte den
anderen Morgen, es seien überflüssige Worte darin...

Sprecher: Kein Zweitel, Hebel muß die blutrünstige
Sprache des preußischen Propagandamannes aus Tilsit
oder Königsberg mißfallen haben, stieß sich doch sogar
Jakob Grimm daran. Indessen hielt er sich nach süddeutscher
Art zurück und äußerte erst am anderen Morgen
einen literaturkritischen Tadel. Mehr nicht. Die
„Maul- und Federdeutschen" hätten sich einer fremden
Meinung gegenüber nicht so zurückgehalten. Selbst Wilhelm
Grimm glaubte einen Monat später nach der Lektüre
des Rheinländischen Hausfreunds Hebel tadeln zu
müssen, weil er darin nicht in die Haß- und Kriegstiraden
einstimmte und gewisse Dinge nüchtern betrachtete
. Wilhelm Grimm schreibt am 9. Februar an Jakob
aus Kassel:

Leser: Hebels Hausfreund ist jetzt der Hauskalender.
Was mir nicht gefällt, ist der Schluß von der Erzählung
der Zeitereignisse; das Ganze kann seiner Lage leicht
nachgesagt werden, aber es sollte kein Volksschriftstel-
ler sagen: „Ein guter Kalbsbraten tut dann bessere
Dienste als eine Brust voll Heldenmut" — und unsere
Zwistigkeiten kommen mir viel erlaubter und unschuldiger
vor als dergleichen Worte, die das Volk so gern
als Wasser auf seine Mühle herleitet".

Sprecher: Wilhelm Grimm setzt sich also im sicheren
Kassel dem biederen, ehrlichen und nüchtern denkenden
Hebel gegenüber auf das hohe Roß der preußischen

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