Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-09/0007
Eine stille, schlichte, aber in ihrer echten Gemütlichkeit
beredte Wohnung am Saume eines
Landhausviertels, in dem sich das große München
ins Vorland verliert, fanden wir den Schöpfer der
besten geschichtlichen Werke, die in unserem
Jahrhundert geschrieben worden sind, fühlbar
erfreut, von Landsleuten, wie er zur Begrüßung
hervorhob, besucht zu werden. Als sei es vor ein
paar Monaten gewesen, erinnerte Franz Schnabel
daran, er sei vor über einem halben Jahrhundert
bei mir in meiner damaligen Wohnung an der
Maxaubahnstraße in Karlsruhe gewesen. Ich bekam
einen „roten Kopf". Schnabel lächelte, aber
er ließ es bei der Erwähnung seines Besuches
genug sein ...

Die Gespräche vor dem Mikrophon gaben
Franz Schnabel die von ihm fühlbar gern benützte
Gelegenheit, seiner eng gebliebenen Verbindung
mit der Heimatstadt Mannheim zu gedenken
— auf deren Friedhof die sterblichen
Überreste des inzwischen Heimgegangenen die
letzte Ruhestatt gefunden haben. Er verfolge, so
sagte er, soweit es ihm möglich sei, Handel und
Wandel in der Pfalz und am Oberrhein. Ja, und
er habe noch einen kostbaren Schatz im Badi->
sehen. Als man ihn nach München geholt habe,
hätte sich in der großen Isarstadt keine Wohnung
finden lassen, in der neben seinem kleinen Haushalt
auch für seine freilich einige tausend Bücher
umfassende Bibliothek genügend Raum vorhanden
gewesen wäre. Da schoß dem Reporter der
Gedanke durch den Kopf, daß es unvorstellbar
herrlich wäre, wenn im alten Gengenbach für die
7000 Bände und ihren Eigentümer benebst seinem
Hauswesen sich eine geräumige Bleibe finden
ließe. Und schon platzte ich mit dieser Idee
heraus. Franz Schnabel lächelte: „Wenn Sie's
schaffen, Landsmann, wer weiß, ob ich nicht auf's
Alter noch in die Heimat umsiedle, zwar nicht
ins Pfälzische, aber ins Zwischenland zwischen
diesem und dem alemannischen" . . .

Ich glaube sagen zu dürfen, daß ich es mir
habe ernstlich angelegen sein lassen, für den
Landsmann Franz Schnabel und seine mächtige
Bibliothek ein Leibgeding großen Stils ausfindig
zu machen oder aus dem Boden zu zaubern. Es
ließ sich nicht meistern. Ich war sehr froh, daß ,
beim nächsten Besuch — ich hatte Herzklopfen,
als wir bei dem uns wieder herzlich Empfangenden
eintraten — Franz Schnabel den ein Jahr
zuvor doch wohl übereilt entwickelten Plan vom
Alteirssitz im ehemaligen Reichsstädtlein mit
keinem Wort berührte . . .

In dem dann folgenden, vom Funk-Band erfaßten
Gespräch äußerte Franz Schnabel besonders
seine Genugtuung über die gute Aufnahme,
die, wie der Verlag ihn hatte wissen lassen, die
von Herder herausgebrachte Taschenbuchausgabe
der „Deutschen Geschichte" fand. Die naheliegende
Frage, ob der fünfte Band bald erwartet
werden dürfe, erwiderte Schnabel mit einem spürbar
gedankenvollen: „Wir heißen euch hoffen" ..

An die beendeten Bandaufnahmen knüpfte
sich eine Unterhaltung, die vor allem wieder um
das Leben am Oberrhein kreiste — es gab nichts

in dem von den badischen Besuchern aufs Geratewohl
Berichteten, was Franz Schnabel nicht interessiert
hätte...

Wir erkundigten uns beim Aufbruch, ob wir
übers Jahr wieder kommen dürften. „Ja", erwiderte
Franz Schnabel, heiter lächelnd, „wenn
ich noch am Leben bixy." Wieder ging mit mir
die Untugend des Vorlautseins durch: „Dann
dürfen wir bestimmt wieder erscheinen..."

Als ich ein paar Monate später eines Morgens
in der Zeitung die Nachricht las, Professor
Dr. Franz Schnabel sei gestorben, war mir, als
striche mir ein kalter Windhauch über Stirn und
Schläfen . . .

Ich holte die „Deutsche Geschichte" und fand
in ihr ersten Trost im Leid, mit dem die Kunde
vom Heimgang des Landsmanns Franz Schnabel
mich erfüllte. Später griff ich nach den „Badischen
Köpfen", die Hermann Eris Busse in den
Veröffentlichungen der „Badischen Heimat" herausgebracht
hatte. Die besten dieser gerafften
Biographien stammen aus der Feder Franz
Schnabels.

Für die erste Folge schrieb Franz Schnabel
über den Markgraf Wilhelm von Hochberg, Franz
von Roggenbach, den „alten Großherzog", Friedrich
L, von dem Schnabel sagt, er sei für den
„deutschen Fürstenstand ein leuchtendes Beispiel
" gewesen, Adolf Freiherrn Marschall von
Bieberstein, Theodor Seitz, Georg von Reichenbach
, Karl Engler und Friedrich Engesser. Zur
zweiten Folge steuerte seine fleißige Feder
kenntnisreiche, glänzend geschriebene Beiträge
bei über Großherzog Friedrich IL, über Karl
Friedrich Schimper und Josef Kohler. Der dritten
Folge überließ Franz Schnabel zwei besonders
erlesene Lebensbilder, eines von Franz von
Sickingen und das andere über die Liselotte von
deir Pfalz. Gerade in der Würdigung dieser unvergleichlichen
Frauengestalt offenbarte sich einmal
mehr die Meisterschaft Franz Schnabels:
zwei Abschnitte aus diesem Kabinettstück geschliffenster
Porträtkunst seien hier eingefügt:
„In einer Welt und Umgebung, deren verworfene
und unnatürliche Menschen ihr immer fremd
geblieben sind, hat die Pfälzerin ihr ursprüngliches
Wesen, die lebhafte aufrichtige und zwanglose
Weise des rheinfränkischen Stammes sich
immer bewahrt. ,Ich habe mich an diesem großen
Hofe schier zum Einsiedler gemacht, und es sind
wenig Leute im Lande, mit denen ich umgehe*,
schrieb sie an ihre Schwester Luise. Mit den
Angehörigen in der alten Heimat hat sie unermüdlich
vom Schreibtische aus Zwiesprache gepflogen
; ihnen vertraute sie ihre Beobachtungen,
ihre Gefühle und Wünsche, ihre Kämpfe und
ihre unstillbare Sehnsucht nach den Stätten ihrer
Jugend an. Sie schrieb, wie sie dachte und empfand
, ehrlich und ungeschminkt in einem Jahrhundert
übertünchter Unwahrhaftigkeit, in unverfälschter
Pfälzer Mundart, ohne Arg und mit
goldner Rücksichtslosigkeit. So sind jene unvergeßlichen
Briefe entstanden, die ihren Wert für
deutsches Leben und deutsche Bildung immer
behalten werden, denn sie lehren uns, wie deut-

5


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-09/0007