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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-09/0008
sches Nationalgefühl aus der landschaftlichen
Erdscholle erwächst: weil Liselotte so ganz in
der pfälzischen und oberrheinischen Natur wurzelte
, ihr verbunden blieb trotz aller Gefahren
der Entfremdung, deshalb fühlte sie sich als
Deutsche und war in ihrem Empfinden und
Denken von deutscher Art. Sie hat bekannt: „Ich
höre als recht gern, wie es in Deutschland zugeht
, bin wie die alten Kutscher, die noch gern
die Peitsche klacken hören, wenn sie nicht mehr
fahren können". Wie gefeiert waren damals alle
Äußerungen des Kulturlebens am Hofe zu Versailles
, von dem klassischen Maß der Bauten, der
Schauspiele und der Romane bis hin zur Küche
und Kochkunst. Bei Liselotte aber lesen wir:
,Das französische Gefräß verleid mir alles Essen,
besonders die vielen Ragouts seind mir zuwider'.
Nicht einmal Kaffee, Thee oder Chokolade möchte
sie genießen: Guter brauner Kohl, Sauerkraut,
Schinken und Knackwürst schmeckten mir viel
besser und ein guter Krautsalat mit Speck; diese
delikaten Speisen sind meine Sache..."

„Im Gedächtnis zweier Nationen lebt diese
einzigartige und ursprüngliche Pfälzerin weiter,
denn auch die Franzosen haben den Wert schätzen
gelernt, den die herrliche Briefsammlung für
die Geschichte ihres Landes und Volkes besitzt.
Das Zeitalter Ludwigs XIV. ist ja für Frankreich
das große, das goldene seiner Geschichte. Hier
aber ist eine Quelle ersten Ranges zur Erkenntnis
jener Zeit, hier sind die ungeschminkten und
unberechneten, ganz absichtslosen, aber darum
nicht minder subjektiven Berichte, von einer der
nächsten Beteiligten durch fünfzig Jahre lückenlos
durchgeführt. .Wir kennen in der Tat keine
reichhaltigere Sittengeschichte als diese. Die Verfasserin
entkleidet das große Jahrhundert Frankreichs
seines idealen Schimmers, sie würde es
— so sagt die Wissenschaft — im Andenken der
Geschichte ganz vernichten, wenn man ausschließlich
auf diese Briefe hören wollte. Die
französische Literatur besitzt für den gleichen
Zeitraum noch eine andere Geschichtsquelle von
hohem Range: die Korrespondenz der Liselotte
steht an Quellenwert neben den Memoiren des
Grafen Saint-Simon. Dies ist gewiß ein hoher
Platz in der Geschichte des modernen Geistes.
Saint-Simon gehört zu den feinsten Psychologen
und den elegantesten Schriftstellern, die es in
der Neuzeit gegeben hat, und darin ist ein Vergleich
nicht möglich. Aber auch die Pfälzerin,
wenn auch leidenschaftlich und unkritisch, sieht
doch die Dinge sehr gut und weiß sie zu schildern
. Gewaltsam und nachdrücklich wird in diesen
Briefen gesprochen, rücksichtslos die Unsitt-
lichkeit eines verkommenen Jahrhunderts gebrandmarkt
— alles ganz fern der höfischen, abgezirkelten
, akademischen Sprache Frankreichs".

Der Historiker von höchstem Rang ist in die
europäischen Geister des 20. Jahrhunderts eingegangen
— die Erinnerung an den großen, liebenswerten
badischen Landsmann Franz Schnabel
hat Anspruch darauf, daß seine Gestalt nicht in
Vergessenheit gerät . . .

Wer mit Franz Schnabel in Berührung gekommen
ist, wird dies für immer als hohen Gewinn
seines Lebens betrachten.

Fr. Kuhn, Lörrach:

ZMe 3lemannenfrtebt)öfe von Öfrtngetv^i'rdjcn

Die Besetzung unserer Heimat durch die Römer
brachte eine völlig neue Note in die Landschaft
. Es waren die städtischen Gemeinwesen,
die entstanden, und die Gutshöfe, die in weiter
Streuung erstellt wurden. Die Häuser waren aus
Stein erbaut und die Dächer mit Ziegeln gedeckt.
Diese Gehöfte wurden von den Alemannen, die
schubweise bei uns einrückten, nicht benützt.
Gemauerte Häuser mieden sie wie das Grab, um
den Ausspruch eines spätrömischen Schriftstellers
zu benützen. Die römischen Gutshöfe blieben
verlassen und verfielen. Diese Trümmerstätten
enthalten in ihrem Untergrund, wohl geborgen
durch den Bauschutt, den Grundriß der Gebäude
und Teile des aufgehenden Mauerwerkes, so daß
wir über die Siedelungsformen der Römer sehr
genau unterrichtet sind.

Ganz anders bei den Alemannen. Es besteht
der befremdliche Gegensatz, daß viele Hunderte
von Reihengräberfeldern das Vorhandensein von
Siedelungen beweisen, daß wir aber so gut wie
keine Überreste von alemannischen Häusern kennen
. Es waren Blockbauten aus Holz, die mit
Stroh gedeckt waren. Auch Fachwerkhäuser mit
Riegelwänden werden erstellt worden sein, vielleicht
unter römischem Einfluß. Ist doch das

Wort Riegel (regula) der einzige lateinische Fachausdruck
im germanischen Holzbau. Andere übliche
Ausdrücke wie Säule, Strebe, Schwelle,
Rahmen sind deutsch, während die Bezeichnungen
des Mauerbaues: Mauer, Kalk, Mörtel, Ziegel
, Keller von den Römern übernommen wurden
. Wenn die Holzbauten der Alemannen nach
längerer oder kürzerer Zeit dem Zahn deir Zeit
oder einem Brande zum Opfer fielen, dann wurden
die Hausplätze eingeebnet und ein« neues
Gebäude erstellt. Dort, wo heute unsere Dörfer
stehen, wiederholte sich dieser Vorgang im Verlauf
von 12 bis 15 Jahrhunderten immer wieder.

Unsere Unkenntnis über die Siedelungsweise
der Alemannen ging soweit, daß man lange Zeit
sich völlig unklar war, ob die alemannischen Ur-
siedelungen als Dörfer gegründet worden sind,
als Gruppensiedelungn (Weiler) oder als Höfe,
als Siedelung einer einzelnen Sippe oder eines
Grundherrn. Heute wissen wir, daß diese letzte
Auffassung richtig ist und daß es alemannische
„Urdorfer" im eigentlichen Sinne gar nicht gab.
Solche entstanden erst später als Schlußpunkt
einer Entwicklung. Im Anfang war der Hof,
dann waren es mehrere Höfe, zuletzt wurde das
Dorf.

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