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Die neue Art, in Dörfern zu siedeln, erschloß
die Möglichkeit einer besseren Nutzung des Bodens
in Form der Dreifelderwirtschaft. Diese
verbesserte Wirtschaftsweise entwickelte sich
nicht von ungefähr, sondern setzte eine zentrale
Lenkung voraus, ein Vorgang, der durchaus an
die Flurbereinigung unserer Zeit erinnert. Die
rationelle Nutzung des Bodens drängte sich gebieterisch
auf, denn nach Ausweis der Bestattungen
in den Gräberfeldern hatte die Bevölkerung
gewaltig zugenommen. Die guten Böden im Alt-
siedelland der Rheinebene und der Vorberge des
Schwarzwaldes waren besetzt, und an eine Erschließung
des hohen Schwa>rzwaldes wurde noch
nicht gedacht.
Die oben aufgezeigte siedelungsgeschichtliche
Entwicklung darf nicht als ein starres Schema
betrachtet werden; so einfach liegen die Dinge
nicht. Sie werden immer im Fluß bleiben. Heute
erst recht, da die Landwirtschaft mit ihren Aus-
siedlerhöfen den geschichtlichen Weg zurückgeht.
Diese neuen Höfe, die so mitten in der Landschaft
stehen, geben uns ein Bild von den Verhältnissen
zur Römerzeit und der alemannischen
Landnahme.
Schon in karolingischer Zeit sind manche Höfe,
die auf minderen Böden lagen, verlassen worden.
Die Gräber und die Flurnamen beweisen es.
Andere Höfe haben sich nicht weiterentwickelt
und sind bis heute geblieben, was sie zur Zeit
ihrer Gründung waren. Ein Beispiel ist der Hagenbacher
Hof bei Degerfelden, erstmals genannt
im Jahre 800. Der zugehörige Friedhof der Gründer
liegt unweit des Hofes im Walde, der den
Flurnamen „Obmannsgrab" trägt. Das Hochmittelalter
war die große Zeit der Verödungen,
es liefen dabei verschiedene Ursachen zusammen:
Kriege, Fehden, rechtlose Zeiten, in denen der
Einzelne nur im Zusammenschluß mit anderen
stark war. Man zog in die Dörfer und erhielt so
einen gewissen Schutz. Auch die großen Seuchenzüge
, die immer wieder über Europa hinweggingen
und einen großen Teil der Bevölkerung
dahinrafften, führten zum Erliegen vieler
Höfe, die nie mehr besetzt wurden. Als Beispiel
einer zeitweisen Verödung sei der Gelkenhof bei
Eichsei genannt. Eine Nachricht vom Jahire 1560
besagt: „dorpf Geitlinkon, dwil es on satz zu
dieser zit, also das niemant doselbst wohnhaft".
Die Frage der Entstehung unserer alten Dörfer
aus Hofsiedelungen konnte nur gelöst werden
mit Hilfe der Bodenforschung. Die schriftlichen
Urkunden setzen langsam ein in der ersten
Hälfte des 8. Jahrhunderts. Die Methoden
der Urgeschichtsforschunig geben uns Einblick in
die Zeiten, die weiter zurückliegen. In diesem
Zusammenhang muß der Name von Hermann
Stoll genannt werden, vom ehemaligen Museum
für Urgeschichte der Universität Fireiburg i. Br.
Dieser hochbegabte Forscher, der eine große
Hoffnung der deutschen Vorgeschichtsforschung
war, ist im zweiten Weltkrig in Rumänien verschollen
. In der Reihe „Germanische Denkmäler
der Völkerwanderungszeit" der Römisch-Germanischen
Kommission des Deutschen Archäolog.
Instituts in Frankfurt a. M. brachte Hermann
Abb. 1: Die Alemannenfriedhöfe von Efringen-Kirchen
Stoll den Band heraus „Die Alemannengräber
von Hailfingen in Württemberg". In dieser Veröffentlichung
wurden die Ergebnisse von langjährigen
Grabungen des Urgeschichtlichen Instituts
der Universität Tübingen vorgelegt. Bei diesen
Aufdeckungen konnte ein großes Gräberfeld
mit rund 600 Bestattungen nahezu vollständig
freigelegt werden. Die ältesten Gräber stammten
aus dem 6. Jahrhundert, der Friedhof wurde fortlaufend
belegt und bald nach 700 aufgelassen. Er
ließ sich räumlich und zeitlich unterteilen. Ferner
wurden drei kleine Gräberfelder mit je zwölf
Bestattungen, die dem späten 7. Jahrhundert angehören
, aufgedeckt.
Die Auswertung der Grabbeigaben durch Stoll
führte zu dem Ergebnis, daß die alemannische
Ursiedlung in Hailfingen im 6. Jahrhundert gegründet
worden ist, und daß diese damals etwa
zwanzig Bewohner umfaßt haben wird. Man
kann bei diesen Zahlen streiten, ob diese Leute
auf einem Hof saßen oder sich auf mehrere verteilten
. Die Erweiterung dieses ältesten Friedhofteiles
erfolgte derart, daß gruppenweise bestattet
wurde, in der Mitte das Familienhaupt,
erkenntlich an seinen Waffen. Bei ihm lag seine
Frau, die sich durch ihren Schmuck von anderen
abhob. Außen herum lag die größere Zahl der
abhängigen Leute, die keine Waffen führten,
und die sich durch geringwertige Beigaben unterschieden
oder beigabenlos waren. Dem frühen
und mittleren 7. Jahrhundert rechnet Stoll 360
bis 400 Tote zu, darunter mindestens 18 Hofbauern
, die sich insgesamt auf drei Generationen
verteilten, was etwa sechs Gehöfte mit zusammen
120 bis 130 Einwohnern ergibt. Im späten
7. Jahrhundert stieg die Zahl, wie sich aus dem
Anfügen neuer Gruppen im Hauptfriedhof und
aus der Anlage von eigenen Friedhöfen bei den
Außensiedelungen ergibt. Die Auflassung sämt-
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