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Abb. 6
Dann wäre das Gras, resp. Heu vermutlich außerhalb
des Schuhes gelegen, was auch wahrscheinlicher
ist. Das Leder dürfte von einer Bullenhaut
stammen, der Fasernatur nach zu schließen.
Jedenfalls ist es Rindshaut, die vermutlich, wie
damals schon üblich, mit Fichtenrinde gegerbt
wurde. Genauere Bestimmung ist unmöglich, da
das Leder zu stark zersetzt, humifiziert ist".
Auf eine Rückfrage erklärte Dr. Gansser es
für wahrscheinlich, daß das Lederfragment zu
der ursprünglichen Bestattimg gehört. Fichten-
rindengerbung ist von ihm bei den römischen
Ledern größtenteils, bei den frühmittelalterlichen
(Basel, Petersberg) fast ausschließlich nachgewiesen
worden, während die ebenfalls von dort, aus
dem 15. bis 17. Jahrhundert stammenden, meistens
mit Eichenlohe gegerbt waren.
Der Lederfund von Efringen erinnert an die
Entdeckung eines Alemannenbartes in einem
Plattengrab des Friedhofes von Lörrach-Stetten.
In beiden Fällen waren die Steinkisten aus wohlgefügten
Platten aufgebaut, so daß keine Erde
eindringenn konnte. Beide sind ungefähr gleich
alt, sie wurden um das Jahr 700 angelegt. Beide
liegen in den trockenen Schottern und Kiesen
der Niederterrasse. Diese Böden sind locker und
geben die Niederschlagswässer sofort in den Untergrund
weiter. Die beiden Funde beweisen,
daß organische Stoffe unter besonderen Umständen
auch bei uns mumifizieren können.
2. Die Bestattung auf Gewann
„Wolfsgrube" (Abb. 3)
Dieses Skelett war im ganzen sehr gut erhalten
. Es erfuhr durch Herrn Prof. Dr. Roland Bay
in Basel eine ausführliche anthropologische Bearbeitung
. Die wichtigsten Abschnitte werden im
folgenden wiedergegeben:
Das Skelett entstammt einem Mädchen (typisch
weibliche Schädelform, grazile Röhrenknochen)
im Alter von 15—17 Jahren. Dafür sprechen die
Verhältnisse bei der Verknöcherung der Epi-
physen-Fugen. Entsprechend der Länge der einzelnen
Extremitätenknochen errechnet sich die
Körpergröße auf 156,4 cm.
Der Gehirnschädel zeigt typisch weibliche
Form. Da das Hinterhauptbein fehlt, wird seine
größte Länge nur vergleichsweise erhalten
(172 mm). Mit einer größten Schädelbreite von
142 mm errechnet sich der Längen-Breiten-Index
auf 82,5. Damit fällt der Schädel an den Anfang
der Kategorie Breitschädel (Brachycranie). Dies
ist zum Teil durch das jugendliche Alter bedingt,
doch ist sicher die Dolichocranie (Langschädelig-
keit) auszuschließen. Die Stirn zeigt deutliche
Stirnhöcker.
Der Gesichtsschädel (Abb. 4, 5, 6): Das Gesicht
ist hoch (leptoprosop). Was den Schädel ganz besonders
interessant macht, ist dessen Profilierung
. Er zeigt eine ausgesprochene Prognathie
(Vorkiefrigkeit). Während verschiedene Autoren
der Ansicht sind, daß die spezifische Ausbildung
des Oberkiefers in sagittaler Richtung nur von
der Entwicklung des Schädelgrundes abhänge,
macht R. Martin geltend, daß vielmehr die
Hauptursache in der Entwicklung des Kauapparates
selbst zu . suchen sei.
Diese Prognathie tritt zu allen Zeiten und an
den verschiedensten Orten auf, oft gehäuft. Allgemein
ist zu sagen, daß die Gesichtsprofilierusng
beim Menschen erst etwa mit dem zwanzigsten
Lebensjahr erreicht wird und bis zum fünfzigsten
gleich bleibt. Im Kindesalter sind die Gesichtswinkel
stets größer. Es ist also anzunehmen
, daß unser Objekt im adulten Zustand noch
spitzere Winkel zeigen würde.
Das Mädchen von Kirchen steht nicht vereinzelt
da, zeigt doch nach R. Schwarz über ein Viertel
der Alemannenschädel von Herten eine echte
Prognathie (eine junge Frau mit 77 Grad und
drei Männer mit 78, 79 und 79 Grad). Vom ebenfalls
rechtsrheinischen Alemannenfriedhof Kleinhüningen
finden wir keine Prognathie, dafür
aber eine große Streuung von Meso- bis Hyper-
orthognathie. Die Bevölkerung vom linksrheinischen
Bernerring-Basel ist sehr homogen und
größtenteils orthognath. Nach den Untersuchungen
von Schwerz scheint die Alemannejibevölke-
rung der Schweiz zum Großteil orthognath gewesen
zu sein.
An pathologischen Merkmalen ist nur hervorzuheben
, daß in dem sonst cariesfreien Gebiß der
untere rechte M2 durch Caries tief zerstört ist.
Proportionen: Vergleichen wir die absoluten
Längen der einzelnen Extremitätenknochen miteinander
, so erhalten wir folgendes Bild:
1. Bei unserem Objekt ist der Oberarm im
Verhältnis zum Unterarm zu kurz. 2. Der Arm
ist als Ganzes etwas untermittellang. 3. Der Unterschenkel
ist im Verhältnis zum Oberschenkel
sehr lang. 4. Die Beine sind relativ zu lang. Doch
hängt dies zum Teil mit dem Wachstumsschub
unmittelbar vor der Pubertät zusammen. 5. Der
Oberarmknochen ist im Verhältnis zum Oberschenkel
zu kurz.
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