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Luftgewehr an Ungeheuern zu erproben und ein
wenig, ein wenig Liebe zu erfahren.
Man dürfte dieses Buch ,Dannackers Erlösung*
nennen: hier leben die Menschen in der Unschuld
des Erlebens, und wo Blut vergossen wird, geschieht
es um Ziele, die den Kämpfern heilig
sein müssen.
Der Lyriker Morand Claden ist nur mit einem
bedauerlich geringen Anteil seines Wirkens an
die Öffentlichkeit getreten. Abgesehen von Einzelveröffentlichungen
in der Presse ist nur ein
geschlossenes, lyrisches Werk von ihm veröffentlicht
worden (1939): die monumentalen Strophen
seiner Oden an das Münster zu Straßburg. Das
Werk erschien in Form einer Mappe in Doppelquart
, Schrift, Umrahmungen und Zeichnungen
von der Gattin des Dichters geschaffen. Aus der
Anerkennung, die es in den ersten Wochen des
Erscheinens fand, ist zu ersehen, wie es als Bürgschaft
dafür empfunden wurde, daß die Welt, so
leichtsinnig sie sich in alle denkbaren Höllenabenteuer
zu stürzen bereit war, doch zu dem
Gnadenpunkt, der Berührung rettender Gotteshände
gelangen würde. In großartigen Symbolismen
stellte uns der Dichter, von Gesang zu Gesang
, das Unheil alles gottverlassenen Strebens
und die unzerstörbare Sicherung dar, die der
Wille zum Sein und zum Sinn dort findet, wo
die Burg Gottes sich erhebt, wie der Sohn der
vielgefährdeten, elsässischen Heimat sie in dem
hohen Münster erblickt, das Erwin ersann, und
zu dessen Errichtung Generationen von Vorvätern
den roten Sandstein drüben im Gebirge der
Heimat gebrochen und füber rauhe Wege zum
Bauplatz geschleppt haben. Es möge gestattet
sein, die Betracfitung mit der ersten Strophe des
Werkes zu schließen:
Immer näher zu dir, o Gott, hat mein Volk sich geträumt,
Immer höher hinauf hat es sich in seiner Inbrunst gebäumt,
Trieb den Turm weit über die Stadt, bis zu den gternen
den Knauf,
So als sucht' es in Sehnsucht dich in deiner Wohnung auf.
Morand Claden wiederholt sich nicht. Aber er
erlebte, daß der Zyklus vom Münster ausgebaut
zu werden verlangte. So entstand der Gedichtband
„Das Licht der Welt, Gedichte aus dem
Elsaß", ein Band wesentlich religiöser Art mit
den Zyklen Anrufung, Ländlicher,, Reigen, Sagen
und Legenden, und als Abschluß und Gipfel äie
Oden an das Straßburger Münster. (Proben daraus
haben wir in Heft 8 dieser Zeitschrift gebracht.)
Das heute noch letzte der Gedichtbücher Ciadens
trägt den Titel „Spiegel im dunklen Wort".
Das könnte rätselhaft scheinen. Wer das Buch
liest, der liest sich in das Verständnis wie des
Werkes, so des Titels hinein. Piese Worte, die
aus dunkeln TieMn tönen, schenken dem Hörenden
das Wunder der Welten-Spiegelung.
Kann man den Dichter befragen, was vorangegangen
sein muß, damit dem dunkeln Wort der
Spiegelblitz entfahren, das Spiegelbild sich der
Melodie des Gesanges verbünden kann? Der Dichter
wird schweigen. Er weiß zu gut, daß Dinge,
die nur im tiefsten Erleben mit uns identisch
sind, nur in der Form sagbar sind, die sie annehmen
, wenn sie zuih Gedicht werden. Oder &r
wird sagen: Lebe der Welt, dem Lande, dem
Stück Mantel der Gottheit, das dir zum Dasein
zugewiesen ist, mit den ganzen Kräften deiner
Sehnsucht, so werden dir die Wunder geschehen,
die du fähig bist zu empfangen!
Der Reichtum der erfaßten Motive — Gebet
und mystische Schau, Gesichter des Jahreslaufes,
Liebe, Reisen, Blick in das Zweierlei der Welten
... vom Herrn der Welt bis zur Biene Nenu-
phar — ist groß. Daher die Ergehung in eine^
reicheren Formenwelt der Sprache, beglückend
im Erleben des Ganzen dadurch, daß bei allem
Wechsel der Instrumente der Musikant sich
gleich bleibt.
Solche Einblicke klären über Wesen und Rang
des Dichters Morand Claden auf. Er lebt nicht
von der gewissenhaften Anwendung mit Lehrlingsfleiß
erworbener, technischer Regeln. Er
lebt überhaupt nicht vom Fleiß, sondern von der
Besessenheit. Er lebt von der Fähigkeit restloser
Hingabe an das einmal aufgenommene Thema in
dem besonderen Sinne, daß er nicht eine Werkstatt
des Analysierens, des Konstruierens unter
Anwendung besonderer Sprachkünste betreibt.
Er ist kein Diener am Wort, er steht auch nicht
dem Wort als tyrannischer Befehlshaber gegenüber
. Um die Entstehung seiner Werke zu erklären
, könnte man sagen: er steht im Wort, und
das bei gleicher Erschütterung und Entrücktheit,
wie er in der Sache lebt, sich von der S^che
packen läßt. Die Sache ist Ursprung und auch bis
zum letzten Federstrich herrschender Inhalt des
Werkes. Eben darum hat ein solcher Dichter nicht
die Aufgabe, seine Worte nach der oder jener
Regel, aus irgend einer Schule mitgebracht, zu
wählen. Er setzt die Worte, wie sie ihm aus dem
zwanghaften Geschehen der Gestaltung zufließen.
Dieses Gesetz ist in dem gesamten Werk
Morand Ciadens bewährt, von der Tragödie des
Desire Dannacker bis zu den Theophanien der
Oden an das Straßburger Münster, dem Zyklus
Das Licht der Welt und der zuletzt abgeschlossenen
Gedichtsammlung Spiegel im dunklen Wort.
Die Entwicklung von Werk zu Werk parallel zur
Entwicklung des Menschen ist umso unverkennbarer
, als sie jede aus Zeitläuften sich anbietende,
die Vorteile der zufälligen äußeren Umstände
präsentierende Möglichkeit verschmähte. Wir haben
es miterlebt!
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