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einem Schwung dem Rührwerk die letzten Feinheiten
rechtlicher Begründung einzuschütten:
„Gleichwie aber uns, dem Stadtrath, ohn-
widersprechlich zustehet, in politicis zu statuiren
und die Unordnungen abzuthun, mithin auch das
Puschwürthen zu erlauben oder zu verbiethen
und deßen B'eweyßthumb sich von daher gibet,
daß jedesmallen hierumben vor Rath das Bitt-
Uche ansuchen beschehen muß, eines- und anderen
Theils das Puschwürthen alle Unordnungen
nach sich ziehet, und dem gemeinen Burger zur
Verschwendung alle gelegenheit gebotten wird,
wie dann eben ersagter Ignaz Leyle schon mehrmallen
bis Mitternacht und darüber bis 2 und
3 Uhr frühe morgens die würthschaft fortgetri-
ben hat, endlichen sich in hießig mit keinem
wochenmarckt versehenen kleiner Stadt würck-
lich vier Taffertnwürth befinden und andere dergleichen
zu üben auf ihren Haüßeren das recht
haben, folgbar ohne merckhliche Benachtheilli-
gung dißer durch Erkaufung beschwehrten ge-
rechtsammen weder ein neües Taffern-recht, noch
das Puschwürthen dem Ignaz Leyle länger verstattet
werden kan, als schon gestern deßwegen
einer deren hießigen Taffernwürthen hergebrachter
gewohnheit nach umb die Erlaubniß, seinen
schilt einziehen zu dörfen angehalten hat".
Die Antwort der Regierung traf sehr rasch
ein. Der Magistrat wird aufgefordert, die „gemein
gedeyliche Verordnungen, mittelst denen
die Ordnung unter den Bürgern unterhalten
wird, in aller masse ergiebigst zu Hand haben".
Den Repräsentanten aber soll ihr „aufrührerisches
Bezeigen" ernstlich vorgehalten werden.
Den Wirten, Busch- wie Taffernwirten, aber ist
die Verordnung in Erinnerung zu bringen, daß
im Winter nicht länger als bis 9 Uhr und im
Sommer bis 10 Uhr1 Wein ausgeschenkt werden
darf. Der Magistrat muß durch tägliche Visitation
dafür sorgen, daß diese Zeiten eingehalten
werden. Unter allen Umständen sind aber die
Buschwirte im Genuß des ungeschmälerten Rechtes
zu belassen, ihr Eigengewächs zum Ausschank
zu bringen.
Am 22. Februar des folgenden Jahres geht
eine neue Klageschrift des Rates nach Freiburg
ab. Ignaz Leyle hatte trotz des Verbotes „dißer
letzteren Montag den löten hujus abermallen
frischen Wein eingelegt". Und nun, o Schande!
Man möchte die Muse der Geschichte bitten, ihr
Haupt zu verhüllen vor solch unritterlichem Tun:
Stadtschreiber Klein bringt folgenden Satz zu
Papier: „ ... und Mittwochs darauf bis in die
spätheste nacht, oder vielmehr donnerstags frühe
in der Nacht hauptsächlichen denen hießigen
Bürgerlichen Weibern Wein aufgesetzt". Welch
starker Tropfen Bitternis in den Pastetenteig!
Doch wer die Feinheiten des Rezeptes kennt, der
weiß, daß .ein Körnlein Salz und ein Tropfen
Bitternis die Süße uns voller und köstlicher erscheinen
lassen. Man nehme ein Körnlein Salz
und ein Tröpflein Bitternis... Doch wird in unserem
Falle die Wirksamkeit dieser Ingredienzien
sehr problematisch, denn nicht dem Gelächter
der feiernden Bürgersfrauen von Neuenburg
entspringt dieses Tröpflein Bitternis, sondern der
Feder des eifernden Schreibers.
Dieser Ignaz Leyle wanderte ein Jahr später
mit seiner ganzen Familie für ewige Zeiten nach
Ungarn aus. Doch 1780 betreibt er schon wieder
einen Kramladen zu Neuenburg. Die Begriffe
von der Ewigkeit sind gar verschieden. Auch die
Begriffe des Rechts sind in der Quirlmaschine
schon so tüchtig vermengt, daß die Unterscheidung
zwischen einem Buschwirt, einem Taffernwirt
und einem Wilderer auf diesem Gebiete
Leyle nicht mehr gelingt, denn er verstattet sogar
gleich einem Taffernwirt „fremden Reyßen-
den" die Herberg.
Der Magistrat verbietet Leyle jeglichen Weinausschank
. Nun aber tritt der väterliche Schultheiß
auf den Plan. Mit patriarchalischer Gewalt
befiehlt der Siebzigjährige seiner Schwiegertochter
, „mit dem Weinschanckh fürzufahren". Seinem
Magistrat teilt er mit, daß er mit einer anderen
Entscheidung der Regierung rechne, da
das Recht auf seiner Seite sei und er außerdem
sich „auf die ganze Burgerschaft berufe". Die
Stadtverwaltung versucht das streitbare Oberhaupt
zu einem Waffenstillstand zu bewegen.
Dies war ein unmögliches Ansinhen an Leyle.
Nicht daß es %unbillig gewesen wäre; es lief nur
seinem ganzen Wösen völlig zuwider. Er war
außerdem ein Mann, der keinerlei vernünftige
Überlegungen oder Selbstbeherrschung kannte.
Er besaß nicht die Fähigkeit zur Selbstbetrachtung
und Selbstkritik und setzte darum mit voller
Uberzeugung sein Unrecht als unumstößliches
Recht. Solchen Menschen geht man am besten
aus dem Weg, man macht sie aber keineswegs
zu Schultheißen. So konnte der Bericht Kleins
an die Regierung nicht anders lauten, als wie
folgt:
„Gleichwie aber unßere Bescheydenheit bey
dem Schultheiß nichts vermögen, vielmehr derselbe
denen bürgerlichen Repräsentanten auf
gestrigen Tag die Zusammenberufs- und Einvernehmung
der Bürgerschaft hierüber, nicht ohne
heftige Bedrohung, gebotten, und nunmehro aus
dißem Vorfall sonnen Clar an Tag liget, wie
eigennüzig, zu Behauptung der Würthschaft für
seinen söhn, der Schultheiß Leyle der Burgerschaft
weyß zu machen sich bestrebe, daß mittelst
unserer Municipal - Ordnung vom 24ten
Novembris 1761 die bürgerliche rechten gehemmet
würden, woraus endlichen nichts anderes als
Uneinigkeit zwischen der Bürgerschaft und Rath,
letztlichen auch gar Höchst Sträfliche Unruhen
und aufstand erweckhet werden könten, wpdoch
in der Thath selbsten wir nichts anderes, als gute
Pollicey-Ordnung, den gemeinen Burger von der,
Weltkündig in denen Schenckhwürthshäußeren
mehr, als in denen öffentlichen Taffernen, im
Schwung gehenden Verschwendung abzuhalten,
und hingegen die Taffernwürthe bey ihrer erlangten
gerechtsamme zu handhaben suchen".
Zur gleichen Zeit, als Klein diesen vernichtenden
Bericht aufstellt, sitzt auch das Lager der
Buschwirte beisammen und verfaßt einen Gegenbericht
. Sie machen keineswegs die gesamte
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