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und gebleichte Buntsandsteine von Ei- bis über
Kopfgröße. Auf allen Berggipfeln beobachtet
man reihenweise, oft sogar konzentrische Anordnungen
der Haufen und Wälle. Besonderes Gewicht
lege ich dem Umstand bei, daß die Haufen
und Wälle auch im Walde und zwar nicht nur
an seinem Rande, sondern oft im tiefen Innern
ebenso zahlreich sich zeigen, wie auf dem freien
Felde" K
„Die einzelnen Terrassen deuten den zu verschiedenen
Zeiten verschieden hohen Stand des
Eises an. An diese Terrassenstufen sind übrigens
auch die Steinhaufen und Steinwälle gebunden,
die wir als Moränen der größten Vereisung auffassen
. — Zum Schlüsse möchte ich nicht verschweigen
, daß ich einzig mit F. Mühlberg darin
übereinstimme, daß unsere Gegend und darüber
hinaus die Gegend von Basel bis weit in die
oberrheinische Tiefebene hinein in der größten
Vergletscherung von einem Binneneis, ähnlich
wie heute in Grönland, eingenommen war und
daß nur die obersten Gipfel der Berge als sog.
Nunataker aus dem Eis herausragten. Ganz allein
stehe ich mit meiner Auffassung über das reichliche
Vorkommen von Wallmoränen der größten
Vergletscherung ... denen als „Lesesteinhaufen"
leider bis jetzt so wenig Beachtung geschenkt
worden ist... Aber weder die menschliche Erinnerung
, noch Überlieferungen, noch die Bemühungen
der Siedelungsgeographie werden imstande
sein, auch nur im Einzelfall bündig nachzuweisen
, daß der Mensch als Urheber dieser
Gebilde in Betracht kommt" 2.
In einer späteren Veröffentlichung3 hat Dis-
ler seinen Standpunkt noch einmal mit aller
Schärfe herausgestellt.
Die zünftigen Geologen hatten für die Auffassungen
Dislers kein Verständnis. Es wurde
glatt abgelehnt, in der Fachpresse und in Vorträgen
auf eine Diskussion über die Thesen Dislers
überhaupt einzutreten. Dies tat dem ernsten
Manne sehr weh. Ich habe mit ihm öfter darüber
gesprochen, wobei er mir die persönlichen Schreiben
, die er in der Sache bekam, vorlas. Umso-
mehr erfüllt es mich mit Genugtuung, daß der
kühne Gedanke Dislers über die große Vereisung
neuerdings wieder aufgenommen wurde4.
Bei der überraschenden Wendung, welche sich
bei den Geologen vollzogen hat, muß ausdrücklich
gesagt werden, daß es sich dabei nur um die
Frage der größten Vereisung handelt. Die Erklärung
der „Steinlesehaufen" als Wallmoränen
ist darin nicht inbegriffen. In dieser Sache gehe
ich einig mit M. Pfannenstiel, wenn er schreibt:
„C. Disler hat im Dinkelberg eifrig nach Rißglazial
gesucht und glaubte da und dort , Wallmoränen' gefunden
zu haben. Die Dislerschen Wälle sind aber nur Steinrie-
1 C. Disler: Geologie des Bezirks Rheinfelden und der
angrenzenden Gebiete. 1931, 56/57.
2 Geologie des Bezirks Rheinfelden, 63/64.
3 Vom Jura zum Schwarzwald 1945, 1/32, „Die größte
Vergletscherung im Tafeljura und benachbarten
Schwarzwald..."
4 „Die Vergletscherung des Wehratales und der Wiesetäler
während der Rißeiszeit" von M. Pfannenstiel und
G. Rahm, Berichte der Naturforschenden Gesellschaft
zu Freiburg i. Br. 54. Bd. Heft 2, 1964, 209/278.
gel, von Generationen von Bauerngeschlechtern zusammengetragene
Lesesteinhaufen der Muschelkalkbezirke.
Muß man die verfehlte Deutung Dislers zurückweisen,
der unter der einmütigen Ablehnung seiner Ansichten
sehr gelitten hat, so sehr muß man doch seine vielen
guten Beobachtungen schätzen. Er sah nämlich, daß in
seinen »Wallmoränen* nicht einheimisches Muschelkalk-
material steckt, sondern auch Fremdmaterial. Nun, dieses
Fremdmaterial ist vom Schwarzwald als Geschiebe hergebracht
worden und kam in die Steinhaufen, die natürlich
keine Moränenzüge sind"5.
Mit allem Nachdruck muß ich aber darauf
hinweisen, daß zwischen „Lesesteinhaufen" und
„Lesesteinwällen" ein grundsätzlicher Unterschied
besteht, der unbedingt zu beachten ist.
Weder Disler noch Pfannenstiel sind darauf eingegangen
.
Steinriegel, Steinwälle oder Steinrasseln, wie
man die Gebilde auch nennen mag, stehen im
Zusammenhang mit der Landwirtschaft. Sie liegen
an Waldrändern oder inmitten von freiem
Gelände. Hier wurden die Lesesteine abgelegt,
wo sie nicht oder am wenigsten stören. Dabei
ergaben sich im allgemeinen mehr oder weniger
lange Wälle. Im Einzelfall entstanden auch runde
Haufen.
Schon Disler hat richtig gesehen, daß die
Steinhaufen auch an Stellen liegen, an denen
wegen der Geländeform und der schwachen
Bodenkrume niemals Ackerbau getrieben worden
sein kann. Auch die Lage auf steilen Bergen, sogar
auf gratförmigen Ausbildungen hat er beobachtet
. Wo diese „Lesesteinhaufen" aber auch
liegen mögen, auf Bergeshöhen, an Bergflanken,
auf kleinen Geländeterrassen, hier in Gruppen
konzentrisch oder in Reihen angeordnet, erscheinen
sie fast wie genormt. In der Regel haben sie
4—6 Meter im Durchmesser. Meistens sind sie
ziemlich flach, 1 Meter Höhe selten erreichend
oder gar überschreitend. Manche erscheinen
etwas zerflossen oder eingesunken, andere besitzen
eine ausgesprochene Kegelform. Solche
Maßarbeit liefert die Natur (der Gletscher nach
Disler) nicht. Auch für den Bauer bestand kein
Anlaß, seine Lesesteine den Berg hinaufzutragen
und dort kunstgerecht und wohlgeformt zu lagern
. Ästhetischer Sinn und ein Gefühl für
„Schönheit der Arbeit" gingen ihm bei einer
solch mühevollen Tätigkeit ganz gewiß ab.
Pietät muß hier gewaltet haben.
Die Lesesteinhaufen sind Grabhügel
Die Beweise liegen seit langem vor6. Ferner
sind u. a. anzuführen eine Gruppe von 20 bis 25
Hügeln im „Heimenholz" gegenüber Beuggen,
die in drei Reihen auf einer Rheinterrasse lagen7.
Danach' sind in den achtziger und neunziger Jahren
des letzten Jahrhunderts an den genannten
Stellen Grabhügel geöffnet worden, die nach den
Beigaben in merowingisch-karolingische Zeit zu
setzen sind. Leider erfolgte die Aufdeckung durch
Unberufene. Zum Teil handelte es sich um aus-
5 Wie Fußnote 4, Seite 240/41.
6 E. Wagner, Fundstätten und Funde in Baden, I., 1908;
es sind die Nummern 265 (Brombach), 268 (Hagen-
bacher Hof), 277 (Lörrach).
7 17. Jahresbericht der Schweiz. Ges. für Urgeschichte,
1925, 1/2 und 110.
4
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