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Hirten. In der fünften Szene (Die Anbetung des
Kindes) zeigt sich die Wirkung der Verkündigung.
Die sechste (Darstellung im Tempel) stellt die
Geburt des Kindes in den Zusammenhang der
Prophezeiungen über den Messias. Der „Flucht
nach Ägypten" ist die siebte Szene gewidmet; sie
gibt Maria Gelegenheit, christliches Sichergeben
zu lehren, während Joseph wie in der ersten seine
handfeste Kritik an der Obrigkeit wiederholt. In
der achten Szene (Die Suche nach dem verlorenen
Kinde) wird der biblisch-historische Hintergrund
als Anlaß genommen zu einer Interpretation
der Menschwerdung und ihres theologischen
Sinngehalts. Freilich geschieht diese Interpretation
des Heilsgeschehens etwa nach Art der mittelalterlichen
Bilderbibeln, — d. h. sie ist auf das
Menschliche des Hier und Heute bezogen und für
einfache Auffassung verständlich; sie läßt die
Heilstatsachen ahnbar in glaubhaften Gestalten
aus dörflich-kleinstädtischem Milieu aufscheinen.
Dieses Milieu ist oberrheinisch — alemannisch, —
man könnte statt Nazareth auch Pfaffenweiler
oder Britzingen setzen und statt Bethlehem ebensogut
auch Sulzburg oder Staufen. Die uns so
aus ihrer — und unserer — Umgebung heraus
entgegentretenden handelnden Gestalten sind von
der eckigen Körperlichkeit des Alemantientums.
Zwar sind sie äußerlich gesehen nach Merkmalen
und Tätigkeiten so etwas wie Figuren einer Krip-
pendarstellüng. Sie sind aber mehr als das. Es
sind alemannische Originale, eigenwüchsig und
selbständig, köstlich gezeichnet und modelliert.
Und sie sind darüber hinaus echte Menschen.
Logisch gesetzte Komponenten fügen sich in
ihnen zu glaubwürdigen Charakteren, die eben
deshalb auch glaubwürdige Träger der Heilsideen
sein können, bereite Aufnehmer der Frohbotschaft
von der Geburt des Messias einerseits oder
aber — im negativen Spiegelbild — Ablehner
der Botschaft wegen ihrer Verhaftetheit an die
Welt.
Da ist etwa die Gestalt des Joseph. Ein wirkliches
Mannsbild, gemischt aus Härte und Weichheit
, aus Frommheit und Kritiklust, aus Zartheit
und Grobheit... Aus einem falschen Verständnis
der Messiasbotschaft denkt er, zunächst in
Irrwegen, sträubt sich aus Beharrung gegen die
vom Kaiser befohlene Reise nach Bethlehem.
Sein Widerpart ist Maria; sie glaubt, versteht
tiefer und besänftigt den nörgelnden Gatten. Der
Disput der beiden in dieser Frage ist schlechthin
köstlich. Eine Probe davon aus der ersten Szene:
Joseph: Worum d'no bring er 's ganzi Land,
jo, d'halbi Wält schier durenand?
Maria: Er wird, so wie's d'Prophete lehre,
selbscht d'ganzi Wält zunderscht zöberscht kehre!
Muesch nit nur noch diem Chöpfli goh!
Joseph: Nai, nai, i sag, 's isch nit eso!
Des sin behördligi Schikane.
I pfiff uf die, mir göhnt nit ane!
Maria: Der tuet nit rächt, der 's Rächt verletzt.
Der Schtaat isch au vun Ihm iigsetzt.
Joseph: Jo wellewäg! — Villlicht der Schtaat,
doch nit de B'hördeapparat! —
Zuemindescht han-i's nit so eilig!
Du bisch mer mengmol gar zue heilig!...
Ein anderes Beispiel aus der zweiten Szene,
wo Joseph sich über den harten . Marsch nach
Bethlehem erbost:
Joseph: Do raschte mer, zuemindescht iich!
Vu Bank zue Bänkli sait mer sich:
„Viillicht isch's nächscht no meh bequem!"
Mer renne no bis Bethlehem,
jo, drüber nuss, de waisch jo nit,
ob's nit no bess'ri Bänk dort git!
Wie schtont's mit dir? — Mir jedefalls
hängt langsam d'Lungen-us-em Hals!
Au 's Eseli, wo mer sott füehre,
lauft zue, as wött es ain blamiere!
Maria: Es g'schpürt halt, daß 's de Herrgott trait!
Joseph: Es Eseli? — Du bisch nit g'scheit! . . .
* Ein andermal dann ist Joseph kindlich-gläubig
, auch wenn er immer noch mißversteht, und
wartet neugierig auf die Geburt des Christkind-
Gottes:
Joseph: Hä, nimmi lang, dann isch-er do,
d'no isch es liicht, dann g'sieht mer'n jo! —
Mainsch, er trait glii en Hailgeschii?
Dä wachst yiillicht erseht, cha au si;
Er cha-nen au erseht später kriege . . .
Vu däm Punkt het de Engel g'schwiege!
So waiß mer nit, wo dra mer isch
• • •
Maria: Chumm, Joseph, chumm'wenn d'usgrueiht bisch!
Joseph: Was heißt do „usgrueiht"? Ich ha dankt,
un mich in es Problem versänkt!
Hesch du scho dänkt an Heilgeschii?
Maria: Ganz ehrlig, nai! Des han-i nie!
Joseph: I waiß nit, wohi's d'Wiiber brächte,
wänn d' Manne nit an alles dächte! —
Chumm, Eseli! Was mainsch denn du
zuem Hailgeschii? ... Lauf nit so zue!...
Im Verlauf des Spieles wird Joseph — geführt
von Maria — zum Verständnis des Heilsgeschehens
kommen. Das Ergebnis dieser Wandlung ist
die große Rede Josephs an die Mitpilger nach
dem Verlorengehen des Jesusbuben:
Joseph: . . . Wenn es für alli chimmen isch,
wenn alli üüsern Sohn duch brueche,
dann müeßte si doch mit üüs sueche!
Doch lueg si aa, die viele Lyt,
die hän ihr G'schäft un merke's nit,
daß mer en all verlöre hän!
Nai, jeder schwätzt un tuet wie wänn,
un werklet in ai Tüfelsloch!
Was wit? De Charre lau1:t doch noch!
Joo, wänn es ain vum Chutschbock butzt,
dänn cha's viillicht si, daß er schtutzt!
Doch vorher dänkt doch kaine dra,
mer chönnte Gott verlöre haa . . .
Von dieser Art sind die Gestalten des Kindheit
-Jesu-Spieles von Anton Zink. Es ist ein
Glück, daß die Produktion des Spiels auf der
Calig-Schallplatte der schönen Dichtung Zinks
adäquat ist. Diese Produktion ist mustergültig,
nicht nur nach der technischen Seite, sondern
auch durch die Auswahl der Sprecher. Die männliche
Hauptperson, der Joseph, wurde vom Dichter
selbst gesprochen und man könnte sich keinen
besseren Interpreten des Textes wünschen.
Klärli Menzel gibt die Maria schön und unsentimental
, Josef Weh als egoistischer Nachbar und
Hans Schneider als habgieriger Wirt fügen sich
gut in den Rahmen, ebenfalls die schlichten Hirten
Wolfram Schlabachs und Michael Maiers. Die
Schrifttexte spricht Heiner Schmidt ernst und
unpathetisch. Musik von Bertold Hummel um-,
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