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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-12/0006
rahmt das Spiel, das sich so schön zum Ganzen
rundet.

Aufs Ganze gesehen ist Zinks „Schpiel vum
hailige Chind" eine erstaunliche und großartige
Dichtung und eine alemannische dazu. Das eine
wie das andere ist selten geworden, schon einzeln
; findet sich aber Dichtung und Alemannensprache
wie hier zusammen, so ist ein einzigartiger
Glücksfall eingetreten. Diese Schallplatte
wird von den Kennern und Liebhabern alemannischer
Literatur ebenso beachtet werden und
beachtet werden müssen, wie sie jedem Hörer
ungeteilte Freude am Alemannenwort und am
Weihnachtsgeschehen schenken wird.

Friedrich Sack:

j&zv ^eflelfücte von (Steinen

Fort von Steinen! Fort von Steinen
führe gnädig du die Deinen,
Gott, der's Eisen wachsen ließ,
wo ein Oberst und ein Hauptmann
mich in grauser Wut, so glaubt man,
lieber gleich in Stücke riß!

So begann gegen Ende Oktober des Jahres
1859 ein junger Mann auf seinem Zimmer im
Gasthaus zu Steinen ein mehrstrophiges Klagelied
niederzuschreiben, worin er ausführlich
seine Leiden und seine Bekümmernisse schilderte
. Als er damit fertig war, sandte er es an
die Kollegen in Stuttgart. Der Dichter war ein
23 Jahre alter Ingenieur namens Max Eyth.

Von der Kuhn'schen Maschinenfabrik in Stuttgart
-Berg war er nach Steinen geschickt, um dort
durch seine Berufskenntnisse ein Rätsel zu lösen
und aufzulösen, ein Rätsel, das ihn bis in das
Jahr 1860 hinein beschäftigen sollte, ehe die
Aufgabe erfüllt war. Mit einem vollkommenen
Sieg dann aber doch kehrte er an den heimischen
Zeichentisch zurück. Ja, er trug mehr als einen
lediglich technischen Erfolg davon: er hatte Herzen
gewonnen.

Im Anfang hatte es geschienen, als würde an
einen solchen Gewinn gar nicht zu denken sein,
darum auch jene gereimten Tränen. War sich
doch der Schwabe, ganz abgesehen von den geschäftlichen
Schwierigkeiten, die ihn oft nahe an
die Verzweiflung führten, zwischen den Alemannen
zunächst recht fremd vorgekommen. Fort
von Steinen! Zweimal war er heimgereist, und
zweimal hatte er wiederkommen müssen, weil
wieder eine Hiobspost nach Stuttgart gelangt
war. Niederträchtige, ja heimtückische Kessel!
Und do°h erwies es sich, daß diese doppelte Wiederkehl
nötig gewesen war, um den anfänglich
Unglücklichen seinem Glück und der endlichen
Versöhnung mit Steinen zuzuführen. So tief
hatte sein Herz im Wiesental schließlich Wur-
zeln( geschlagen, daß Max Eyth noch nach Jahren,
in einem Brief aus Ägypten, jener Zeit und'der
Menschen, mit denen er zusammengeführt worden
war, mit wohltuender Erinnerung und leiser
Wehmut gedachte.

In Steinen bestand eine Spinnerei, die dem
Obersten Geigy in Basel gehörte; Mitinhaber war
sein Schwiegersohn, ein gewesener preußischer
Hauptmann, wie denn auch der Oberst nach der
schweizerischen Wehrverfassung nicht ständig
unter Waffen stand, sondern daneben noch Fabrikherr
war. An diese Spinnerei hatte die Kuhn-
sche Maschinenfabrik in Stuttgart-Berg eine

Dampfmaschine mit drei Kesseln geliefert. Diese
Kessel hatten sich bisher so brav betragen, wie
von ihnen nur zu verlangen gewesen war. Als
das Jahr sich seinem Ende zuneigte, begannen
sie jedoch Unarten an den Tag zu legen: Sie
hielten nicht mehr ganz dicht, sie tropften, sie
leckten, sie rannen. Großer Schrecken. Eilbericht
nach Stuttgart. Max Eyth wurde aufgefordert,
seinen friedlichen Zeichentisch zu verlassen und
sich mit einem Schnellzug nach Steinen zu be-
geben, zum ersten Mal von seinem heimatlichen
Württemberg ins „Ausland". Das war es gewesen
, worüber seine Mutter damals geklagt hatte,
als er eine Stelle in Emmendingen antreten
sollte. Zu ihrer Beruhigung wurde nichts daraus.

Bleiben wir vorerst bei der Kesselflickergeschichte
an sich! Obwohl sie nur den Anlaß
für eine weitere Entwicklung bedeutete. Darum
auch wollen wir die technische Seite der Begebenheiten
möglichst kurz abtun. Für die Firma
Kuhn ging es um 8000 bis 10 000 Gulden, weil
das Garantie jähr im Ablaufen begriffen war und
sie neue Kessel hätte liefern müssen, wenn sich
die vorhandenen wirklich als unbrauchbar erwiesen
, hätten.

Als Eyth in Steinen eintraf, rannen zwei von
den drei Kesseln. Das mochte an der Einmaue-
rung liegen, so daß die .Kessel sich ungleichmäßig
erhitzten. Also wurde die Mauerung ergänzt
und erneuert, mit dem Erfolg, daß das
Rinnen aufhörte. Kaum befand sich Eyth wieder
in Stuttgart, so traf abermals ein Hilferuf ein:
Einer der Kessel rann von neuem. Abreise des
Kesseldoktors nach Steinen. Vermutung: Die
Kessel müssen nachgenietet werden. Max Eyth
liegt bäuchlings in einem der Heizzüge nach dem
andern, ohne sich umdrehen zu können, während
ihm die heißen Tropfen in den Nacken fallen.
Da hilft ihm keine Integral- und Differentialrechnung
, hilft ihm überhaupt keine der Theorien
, wie er sie auf dem Polytechnikum gelernt
hat. Nun wird an manchen Stellen frisch
genietet, und darauf scheint alles in Ordnung
zu sein. •

Wenn Max Eyth damit gerechnet hatte, daheim
den 100. Geburtstag seines großen Landsmannes
Friedrich Schiller mitfeiern zu können,
so sieht er sich getäuscht: Er muß aufs neue
nach Steinen, denn die Kessel stellen sich von
frischem ungebärdig. Einmal ist es der eine,
dann wieder ein anderer. Dann benehmen sicfi
alle drei tagelang wohlgesittet. Trotzdem treten
mit solchen Pausen Rückfälle ein. Zuletzt werden
vier Kesselschmiede aus Stuttgart hergeholt,

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