http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-12/0013
schon früher Mülhauser in großer Zahl studiert
hatten; gut waren die Beziehungen zum französischen
Königtum, das die Selbständigkeit des
„zugewandte^ Ortes" achtete. Es war die Zeit
des Mathematikers, Astronomen und Physikers
Joh. Heinrich Lambert, des einfachen Mülhauser
Schneidersohnes (1728)r der ein Freund Friedrichs
des Großen wurde, in Berlin lebte und
dort 1777 starb.
Für Mülhausens Entwicklung wurde das Jahr
1746 von größter Bedeutung: in diesem Jahre
begründeten Johann Jakob Schmalzer, Johann
Heinrich Dollf us und Samuel Köchlin mit Schweizer
Kapital die erste Kattundruckerei, eine Industrie
, die damals in der Schweiz bereits bekannt
war. Die Stoffdruckerei, die sog. Indiennes, sollte
bald Mülhausen bekannt machen, — das Stoffdruckerei
- Museum zeugt heute noch von der
trefflichen Arbeit, die in Mülhausen geleistet
wurde. Neue Fabriken wurden gebaut, sie zogen
Arbeiter aus den umliegenden Dörfern an, die
Stadt der Handwerker, der Bauern und Rebleute
erschloß sich der Industrie, die mit der Zeit
auch die Einwanderung förderte.
Mit den Arbeitern drangen aber auch neue
Ideen in die Stadt; sie fanden besonders Anhänger
unter der Jugend. Es waren die Ideen, die in
Frankreich die Revolution vorbereiteten, die
Ideen der Philosophen, die in einer französischen
Partei in der Stadt Widerhall fanden. Mit größtem
Interesse verfolgte diese die Vorgänge in
Frankreich besonders seit 1789, über die sie
durch die täglich aus den Dörfern kommenden
Arbeiter Bescheid erhielt. Solange das Königtum
noch bestand, herrschte die Zollfreiheit für alle
ein- und ausgeführten Produkte; das änderte
sich aber besonders, als der Colmarer Reubell in
das Direktorium eintrat und, um die Mülhauser
Industrie zu vernichten, in Paris alles zur Erreichung
dieses Zieles tat. Ein Zollgürtel wurde um
die Stadt angelegt, — bei Reubell spielte die
Konkurrenz der Mülhauser Industrie gegen die
Colmarer die ausschlaggebende Rolle. Um die
Industrie zu retten, blieb den Mülhausern nur
die Vereinigung mit der fränkischen Republik
übrig. Diese erfolgte zu Beginn des Jahres 1798.
Am 15. März, dem Reunionsfest, ging die Geschichte
der freien Stadt zu Ende. Die alten Mülhauser
sahen mit Wehmut, wie eine neue Zeit
heraufzog und die Enklave von der Karte verschwand
. Die Zeichen der Zünfte wurden zerbrochen
, eine neue Stadtverwaltung wurde gebildet
, der Industrielle Pierre Thiery wurde
Maire der Stadt. Die Zollgrenzen wurden aufgehoben
, die Stadtfahne eingewickelt in eine rotweiß
-blaue Lade. Eine neue Seite in der Geschichte
Mülhausens wurde aufgeschlagen.
Mülhausen — Industrie-Metropole
Mit dem 19. Jahrhundert begann die rasche
Entwicklung der Stadt zur Industrie-Metropole
des Oberelsaß. Sie zählte um 1800 sechstausend,
1860 bereits 60 0Ö0 Einwohner, so daß man sie
oft als eine „ville Champignon", eine „Pilzstadt"
genannt hat. Begünstigt wurde diese Entwicklung
durch die Kontinentalsperre, durch den
Der Teufelsturm
Bau des Rhein-Rhone-Kanals (1807—34), 'durch
die Eröffnung der ersten Bahnlinie im Elsaß,
jene von Mülhausen nach Thann (1839), der 1841
jene von Basel nach Straßburg folgte.
In erster Linie entstanden Spinnereien und
Webereien, entwickelte sich vor allem die
Baumwoll-Industrie, so daß man Mülhausen das
„Manchester des Kontinents" nannte. Die Stoffdruckerei
blieb in hohen Ehren, aber dazu kamen
die Lithographie, die 1814 Engelmann in Mülhausen
erfunden hatte, sowie die Metallindustrie.
Noch steht die erste lithographische Anstalt, die
später das College aufnehmen mußte und nach
1881, nach dem Bau des Humanistischen Gymnasiums
, weiter Schulzwecken diente. 1826 gründete
Andreas Köchlin seine Gießerei, die sich zu
einer bedeutenden Metallindustrie, sowohl durch
die Ausdehnung wie durch die große Zahl der
Arbeiter entwickeln sollte. Nikol. Köchlin baute
hier die erste Lokomotive.
Diese Entwicklung änderte völlig das Stadtbild.
Die mittelalterliche Stadt verschwand zu radikal,
Tore und Türme wurden abgerissen, neue Straßen
wurden angelegt, — das erklärt die Seltenheit
der historischen Gebäude in Mülhausen.
Selbst die alte Stephanskirche aus gotischer Zeit
wurde niedergelegt und leider durch eine neugotische
ersetzt. In den ersten Jahrzehnten entstand
auch das „Neue Quartier", fächerförmig
gebaut, charakteristisch durch Arkaden und
11
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1966-12/0013